benedikt54
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

Kryptowährungen: Das digitale Gold

https://makroskop.eu/2017/12/kryptowaehrungen-das-digitale-gold/

Kryptowährungen sollen die Antwort auf das Problem der „Geldschwemme“ sein. Doch es handelt sich dabei bloß um ein Symptom. Das eigentliche Problem wird durch die Kryptowährungen nur verschärft.

Die Tulpen-Manie vom 17. Jahrhundert hatte wenigstens noch einen realen Hintergrund – auch wenn es sich bloß um Tulpenzwiebeln handelte. An den Bitcoins hingegen ist nichts dran – ausser dem Glauben an die elegante Lösung eines echten Problems.

Dieses Problem ist die zunehmende Verschuldung, also die Tatsache, dass im Verhältnis zum BIP immer mehr Schulden und Guthaben im Umlauf sind. Das ist deshalb nicht unproblematisch, weil man mit den Guthaben letztlich nichts anderes tun kann, als sie gegen Waren und Dienstleistungen (also gegen BIP) einzutauschen. Wehe, wenn das alle wollen.

Ein viel beachtetes Symptom dieses Problems ist die so genannte „Geldschwemme“, also die stetig zunehmende Menge von Forderungen gegenüber den Zentralbanken. Dieses Symptom ist für viele zugleich auch die Erklärung: Die Geldschwemme komme daher, dass der Staat und seine Zentralbanken die Möglichkeit haben und nutzen, Geld in beliebiger Menge „aus dem Nichts“ zu schaffen und damit seine Ausgaben zu finanzieren.

Wenn das tatsächlich das Problem ist, dann trifft es sich gut, dass kluge Köpfe eine Technologie entwickelt haben, die es ermöglicht, eine garantiert fälschungssichere und limitierte private Währung zu schaffen und damit das Geldwesen aus den Klauen des Staates zu befreien. Diese Technologie heißt Block und ihre segensreiche Wirkung wird in der Szene wie folgt gepriesen:

„Unser heutiges ‚Fiatgeld‘ erfüllt eben nicht die Anforderungen an gutes Geld, denn es ist kein knappes Gut. Die Zentralbanken können jederzeit Milliarden neuer Geldeinheiten aus dem Nichts entstehen lassen. Auch die Geschäftsbanken haben das staatlich garantierte Privileg, mit jedem Kredit neues Geld zu schöpfen. Durch dieses willkürliche Aufblähen der Geldmenge (Inflation) wird der Wert unserer Ersparnisse verwässert, und die Preise steigen. Bitcoin und die meisten anderen Cryptocoins verfügen über genau die gleichen Qualitäten, die Gold seit Jahrtausenden zum bevorzugten Geld der Menschheit gemacht haben. Sie sind teilbar, haltbar, transportierbar, fälschungssicher und vor allem: knapp.

Es ist in der Bitcoin-Software festgelegt, dass es niemals mehr als 21 Millionen Bitcoins geben wird.“ (Zitat aus dem EF-Magazin. EF steht für eigentümlich frei)

Wer so argumentiert, übersieht allerdings, dass die scheinbar von den Zentralbanken willkürlich vom Zaun gerissene „Geldschwemme“ nur das letzte Glied in einer Kette von realwirtschaftlichen Abläufen ist. Die immer einseitigere Verteilung der Einkommen führt – plakativ gesagt – dazu, dass die Hälfte der Bevölkerung nur über die Runden kommt, indem sie sich beim reichsten Zehntel verschuldet, wobei der Staat bzw. die Zentralbanken als Vermittler und Garant dienen. Die entsprechenden Guthaben können nicht real (in Produktionsgüter) investiert werden, weil die dazu nötige reale Konsumnachfrage fehlt.

Daraus resultiert der viel beschworene „Anlagenotstand“. In dieser Not kaufen sich die Reichen gegenseitig ihre Aktien und Immobilien ab. Die daraus folgenden Preissteigerungen werden als „Asset-Inflation“ beklagt: „Mit einer Millionen kann man immer weniger Immobilien kaufen.“ Was wiederum das Vertrauen in die Fiat-Währungen noch mehr erschüttert. In dieser Not hilft dann nur noch Bitcoin.

Weil dieser Verschuldungsmechanismus so wichtig ist und so wenig verstanden wird, erklären wir das ganze noch einmal anhand eines Gedankenmodells, das auf realistischen Größenordnungen beruht: In einer Geldwirtschaft wird die gemeinsame Beute, das BIP, immer zwei mal verteilt. Einmal physisch durch den effektiven Konsum und ein zweites Mal durch die Zuteilung von Gutschriften. Typischerweise kassiert das reichste Zehntel heute gut 30 Prozent der Gutschriften, kann aber gar nicht so viel konsumieren und löst deshalb „nur“ etwa 20% als Konsum ein. Der Rest bleibt als Guthaben (für späteren Konsum) stehen.

Das ärmste Drittel wiederum kommt mit seinen Gutschriften nicht über die Runden und muss sich – via Staat und Zentralbank – beim reichsten Zehntel verschulden. Diese Schulden können aber nur abgebaut werden, wenn die Reichen mehr konsumieren als sie kassieren, bzw. wenn die Armen einen Teil ihrer Konsumansprüche an die Reichen abtreten. So lange dies nicht geschieht, kann der Schuldenberg nicht abgebaut, sondern bloß umgeschichtet werden. Ganz am Schluss werden dann die unsicher gewordenen Guthaben gegenüber dem Staat noch in Guthaben gegenüber den großen Zentralbanken umgeschichtet. Wer will, kann dazu auch Geldschwemme sagen.

Drei Jahrzehnte zunehmende Ungleichheit haben das globale Finanzsystem an den Rand des Abgrunds gebracht. Auch Staatsgeld ist nicht mehr das, was es einmal war. Zwar ist etwa in der Schweiz immer noch jeder der rund 540 Milliarden umlaufendenden (bzw. gehorteten) Franken noch immer mit rund 1,2 Franken Devisen hinterlegt, doch auch diese Guthaben gegenüber anderen Staaten würden rasant an Wert verlieren, wollte man sie im großen Stil einfordern. Es ist einfach nicht genügend BIP vorhanden, um all die Guthaben zu bedienen.

Vor diesen Hintergrund ist die in der Kryptoszene oft zu hörende Behauptung, Kryptowährungen seien genauso bloß eine gesellschaftliche Konvention wie Staatswährungen, zumindest psychologisch nachvollziehbar. Man muss schon genau hinschauen, um den Unterschied zu erkennen.

Diese Unterschiede sind aber wichtig: Einmal angenommen, die Schweizerische Nationalbank hätte Ende 2014 aufgehört, Franken zu drucken und stattdessen die Aufgabe der Wertaufbewahrung an private Kryptowährungen delegiert – frei nach der Österreichischen Schule, wonach Privatinitiative staatlichen Eingriffen immer vorzuziehen sei. Seit jenem Zeitpunkt hat die SNB für rund 280 Milliarden Franken zusätzliche Devisen gegen Franken getauscht. Sie hat damit im Krypto-Speak 280 Milliarden Franken „Fiat-Geld aus dem Nichts“ geschaffen.

Theoretisch hätte nun der Staat die Wertaufbewahrung an die Kryptowährungen delegieren können. Die reichen Anleger hätte ihre Guthaben gegen Bitcoins statt gegen Staatsgeld getauscht (in Venezuela bereits teilweise der Fall). In diesem Falle wäre aber der entsprechende Schürfgewinn (Seignorage) nicht beim Staat, sondern bei Privatpersonen angefallen, bzw. er wäre in Elektrizität verpulvert worden. Das Schürfen von Privatgeld ist nämlich im Gegensatz zum Drucken von Staatsgeld eine sehr teure (stromfressende) Tätigkeit.

Und dann ist da noch ein wichtiger Unterschied: Im Falle einer Krise spielt das „Nichts“, aus dem die Zentralbanken angeblich ihr Geld geschöpft haben, plötzlich eine wichtige Rolle. Krisen treten nämlich immer dann auf, wenn die Reichen das Vertrauen in den Wert einer Währung verlieren und es gegen Waren (BIP) eintauschen wollen. In diesem Fall können Zentralbanken mit dem Kauf oder Verkauf von Devisen und mit ihrer Zinspolitik die Nachfrage nach Geld, bzw. Konsumgütern wenigstens bis zu einem gewissen Grad steuern. Sie haben dazu auch einen in der Verfassung verankerten Auftrag.

Spätestens dann zeigt es sich, dass Staatsgeld und Zentralbanken ein öffentliches Gut sind, das man lieber nicht privatisieren sollte. Die unveränderlichen Regeln, der Algorithmus, auf denen etwa der Bitcoin beruht, sind im Krisenfall eher schädlich als nützlich.

Unser Währungssystem hat in der Tat ein Problem: Hinter den ständig steigenden Guthaben stecken keine realen Gegenwerte. Der Grund dafür liegt aber nicht im Geldsystem, sondern in der zunehmend einseitigen Verteilung der Primäreinkommen. Wegen dem Steuer- und Standortwettbewerb kann dieses Ungleichgewicht immer weniger durch progressive Besteuerung korrigiert werden. Wer die Währungen retten will, muss bei der primären Einkommensverteilung ansetzen.

Solange dies nicht geschieht, ist die öffentliche, durch die Zentralbanken garantierte Verschuldung wenigstens eine Überbrückungshilfe.

Ungedeckte Privatwährungen hingegen machen die Sache nur noch schlimmer, weil sie in aller Regel zu einer weiteren Konzentration der Vermögen führen. Die Erfinder dieser Währungen werden, wenn sie rechtzeitig aussteigen, sagenhaft reich, die kleinen Spekulanten, die erst spät aufspringen, verlieren alles. Eigentlich müsste man diese Schneeballsysteme verbieten.

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zorrie
Mitglied seit 10 Jahre 9 Monate

"Eigentlich müsste man diese Schneeballsysteme verbieten."

Jawoll, alles, was einem nicht in den Kram passt, verbieten.

Das große Plus der Notenbanken ist, dass sie "rettend" eingreifen können? Was wäre gewesen, wenn die aufkommenden deflationären Entwicklungen 2008 nicht brachial beendet worden wären. Eine große Krise, ja. Aber auch eine neue Basis, auf der man neu wieder hätte anfangen können. Schöpferische Zerstörung, nach Schumpeter.

Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben. 

Dank der Notenbanken ist das alte System vorerst am Leben geblieben. Das freut die Reichen, die werden so immer reicher. 

Agroli
Mitglied seit 7 Jahre 8 Monate

benedikt54, die offizielle Inflationsrate (Deutschland) war 2017 1,8% und z. B. 2015 0,3%. Das Flossbach von Storch Research Institute unterstützt Deine Asset-Inflations-These: nach ihnen beträgt die Inflation inkl. Asset-Preisentwicklung seit 2012 satte 7%.......

dann "Die unveränderlichen Regeln, der Algorithmus, auf denen etwa der Bitcoin beruht, sind im Krisenfall eher schädlich als nützlich." Es liegen bisher keine Erfahrungen vor, wie sich Kryptowährung bei einem Crash verhalten.....

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