Kartoffeln: Belgiens früher Frittenrohstoff unerwartet zügig verkauft
Empfindliche Anbaueinschränkungen im kommenden Jahr?
Trotz einer um 10 % ausgedehnten Frühkartof-felfläche in Belgien steht die Ernte des frühen Frittenrohstoffs bereits vor seinem Ende – erste Anschlusssorten werden von den Fabriken bereits nachgefragt. Das bisher äußerst niedrige Preisniveau von bis zu 3,5 €/dt hatte das internationale Kaufinteresse auf Belgien gelenkt. Die Knollen wurden unter anderem nach Großbritannien und Nordafrika verladen. Seit darüber hinaus noch schwere Regenfälle zu Ernteverzögerungen führten, lässt der Preisdruck nach spürbar nach. Experten erwarten für die nächsten Tage stabile Preise zwischen 4,5 und 6,0 €/dt für die 50 mm+ Sortierung.
Mit der unerwartet schnellen Räumung frühreifer Sorten dürfte nun wieder ein ausgeglichener Kartoffelmarkt hergestellt sein. Schließlich wurden die Flächen der Lagerkartoffeln meist eingeschränkt. So meldet die belgische Fiwap bei der größten Frittensorte Bintje ein um 2,9 % kleineres Areal. Auch in den Niederlanden wurde nach einem Bericht der Northwest European Potato Growers (NEPG) die Konsumkartoffelfläche um 0,7 % eingeschränkt. Wegen der verbleibenden Unwägbarkeiten erwarten Experten nur eine durchschnittliche Ernte. Dabei sehen die Ergebnisse der Proberodungen auf den ersten Blick sehr gut aus. Die Erträge liegen gegenüber dem Vorjahr zum gleichen Zeitraum um durchschnittlich 15 % höher. Damals wurden allerdings die höchsten Zuwächse im August und September festgestellt, weil es zuvor viel zu heiß und zu trocken war. Dagegen war der diesjährige Juli der zweitnasseste Juli seit den holländischen Wetteraufzeichnungen.
Das dürfte im weiteren Vegetationsverlauf nicht ohne Folgen bleiben. Man stellt in den fortlaufenden Proberodungen nur noch geringe wöchentliche Zuwächse fest. Fachleute erklären das mit einer stärkeren Stickstoffauswaschung während der nassen Frühsommermonate. Die Kartoffelpflanze reagiert zudem allergisch auf die zeitweilige Staunässe. Neben einer geringeren Wuchskraft besteht eine erhöhte Gefahr von Wachstumsrissen, grünen Knollen und Knollenfäulnis. Darüber hinaus ist bei vielen Beständen der Knollenansatz kleiner, Rekorderträge sind dadurch ohnehin nicht zu erwarten.
Das drückt sich seit einer Woche in leicht verbesserten Terminmarktkursen aus. Den höchsten Kursgewinn konnten die Speisekartoffeln mit 0,9 €/dt verzeichnen, da mittlere Sortiermaße knapp sind und wohl auch knapp bleiben werden. Das Preisniveau für den April-08-Future liegt allerdings immer noch unter den aktuellen Erzeugerpreisen, die der ZMP zufolge am Ende der Frühkartoffelsaison bei 13,8 €/dt liegen. Die Veredelungskartoffelfutures auf April-08 liegen dagegen mindestens fünf €/dt über den heutigen Kassapreisen. Darin drückt sich wesentlich mehr Optimismus aus. Die Börsenteilnehmer erwarten also im weiteren Marktverlauf weiter steigende Preise für freien Verarbeitungsrohstoff.
Darauf spekuliert auch eine große Anzahl von Landwirten. Sie haben, glaubt man den markigen Aussagen der Bauern, bis heute immer noch keine oder nur eine kleine Menge zu festen Preisen mit dem Handel oder Industrie getätigt. Man darf der Fairness halber aber nicht von Spekulation sprechen, da man bis heute nicht sicher sein kann, ob die erwartete Ernte wirklich in der gewünschten Qualität ins Lager kommt und sich dann auch noch bis zum nächsten Frühjahr hält. Eine Spekulation wäre es, etwas zu verkaufen, was man noch nicht sicher produziert hat. Der Handel bietet für die 40mm+ Lieferung in der 17. KW 2008 (Ende April 08) mittlerweile 11,0 bis 11,25 €/dt. Mit der zunehmenden Befürchtung auf nicht so hohe Erträge und steigender Lagerrisiken steigen die Gebote des Handels seit Wochen kontinuierlich an.
Wie gut die Kartoffeln verarbeitende Industrie nun tatsächlich mit Rohstoff versorgt ist, ist tatsächlich niemandem bekannt. Man beäugt sich argwöhnisch und wartet mit immer kreativeren Vertragsvarianten auf, um den jederzeitigen Warenfluss just-in-time zu organisieren. Für die Landwirte sind dabei die Verträge zu festen Preisen, die zudem nur gut Produktionskosten abdecken, am wenigsten interessant. Angesichts der diesjährigen verlustbringenden Frühkartoffelproduktion in Belgien und zum Teil auch am deutschen Niederrhein, befürchtet man dort eine empfindliche Anbaueinschränkung im kommenden Jahr. Die gegenüber dem Vorjahr verdoppelten Getreidepreise werden alle zukünftigen Anbauentscheidungen tangieren.
Joachim Tietjen
HANSA Terminhandel GmbH