Kartoffeln: Erste Zweifel an guten Erträgen
Kartoffelmarkt extrem nervös
Der April war in Mitteleuropa zu warm und zu trocken, die Pflanzarbeiten kamen sehr zügig voran. Im Vergleich zum Vorjahr haben wir drei bis fünf Wochen Vorsprung. Dennoch melden immer mehr Experten Zweifel an einer guten Ernte an. Sollte das trockene Wetter anhalten, so werden die Kartoffelerträge hinter den Ertragserwartungen zurückbleiben, schreibt der BPC (British Potato Council).
Ein früher Pflanztermin ist kein Garant für eine gute Ernte. So war man zum Beispiel im Erntejahr 1990 noch früher dran, als heute und erntete letztendlich rund 10 % weniger als in anderen Jahren. Vielmehr hat die Niederschlagsmenge einen viel größeren Einfluss auf Ertrag und Preis. Da es in Mitteleuropa seit Mitte März kaum geregnet hat, steigen die Befürchtungen, dass auch in diesem Jahr die Wasserversorgung der begrenzende Faktor für die Kartoffelernte wird.
Für deutsche und belgische Frühkartoffeln, die in erster Linie als Rohstoff für die Kartoffeln verarbeitende Industrie eingesetzt werden sollen, ist in diesen Tagen dringend Wasser nötig. Die nicht mit Folie abgedeckte Freilandware steht kurz vor dem Reihenschluss und setzt je nach Wasserverfügbarkeit die Knollenanzahl fest. Deshalb ist jetzt dringend ergiebiger Regen nötig, zumal in Belgien nur wenige Bauern über eine Beregnungsanlage verfügen. Diese Flächen sollen Ende Juni bereits abgeerntet werden.
Ob jedoch der Rohstoff aus der alten Ernte so lange reicht, muss bezweifelt werden. Die hohen Temperaturen der letzten Tage setzte den Qualitäten der überschaubaren Lagervorräte derart zu, dass nun durch Auskeimen und Fäulnis eine große Menge ausfällt. Die Fabriken sind bemüht, die Vertragskartoffeln zügig abzunehmen, für zusätzliche freie Ware haben sie aber keine Kapazitäten frei. Die Schälausbeute nimmt zusehends ab und man bietet, falls überhaupt, immer weniger. Landwirte mit freier Ware hingegen drängen auf Absatz und sorgen damit für einen regelrechten Preisrutsch. Die Verarbeiter haben zwar noch sieben Wochen Bedarf an altem Rohstoff, die Bauern müssen aber sofort liefern, da sonst sogar Totalverluste entstehen können.
Im Juni könnte insofern ein Engpass in der Rohstoffversorgung entstehen. Die alte Ernte dürfte dann nur noch eine geringe Bedeutung haben und die Versorgung der Fabriken muss fast ausschließlich aus frischer Ware bedient werden. Die Importeure würden gerne schon jetzt Verarbeitungsrohstoff liefern, aber die Erträge und auch die Unter-Wasser-Gewichte waren aufgrund kühlen und regnerischen Wetters auf der Iberischen Halbinsel noch nicht befriedigend. Zudem behinderte Starkregen dort die Ernte. Auch Frischkartoffellieferungen für den LEH werden aus diesem Grund behindert. Neuer heimischer Verarbeitungsrohstoff wird unter diesen Umständen frühzeitig benötigt und wird wohl wiederum hohe Preise erzielen.
Der aktuelle Angebotsdruck alterntiger Knollen lässt allerdings die Preise purzeln und drückt die Stimmung unter den Anbietern in den Keller. Die Teminmarktnotierungen für den Mai-07-Veredelungsfuture an der RMX in Hannover verlor binnen einer Woche mehr als 4 €/dt (-14 %), seit Mitte Februar liegt der Notizverlust sogar bei gut 11,5 €/dt oder 30 %. Diese negative Stimmung beeinflusst auch das Verhalten der Teminmarkthändler für die neue Ernte. Alleine die Ankündigung von Regen für die kommende Woche sorgte auch für einen Kursverfall der April-08-Futures.
Die Marktbeteiligten sind extrem nervös. Denn jeden Tag wechseln sich bullische und baerische Meldungen ab. So sollen in der zurückliegenden Woche in Ungarn, Tschechien und Polen fast alle Frühkartoffelbestände abgefroren sein, was die Ernte dezimieren und den Erntezeitpunkt nach hinten verschieben wird. Die Veröffentlichung der Kunsumzahlen sorgte dagegen sofort für einen Dämpfer unter den Kartoffelfachleuten. Die GfK meldet für März einen Verbrauchsrückgang bei Frischkartoffeln von weiteren 7,5 % gegenüber dem Vorjahresmonat. Das Defizit kann man mit einem steigenden Exportgeschäft kaum noch kompensieren. Insofern muss die Anbaufläche wiederum zurückgefahren werden. Man darf gespannt sein, was die Statistiker uns zur Flächenentwicklung zu vermelden haben. Das Ergebnis wird bis Mitte Mai erwartet.
Joachim Tietjen
HANSA Terminhandel GmbH