Kartoffeln: Gefährliche Gelassenheit
Kaum Nachfrage nach freien Kartoffeln
Kartoffeln gibt es zurzeit wieder reichlich. Zu dieser Jahreszeit ist das auch so üblich, obwohl die Starkregenfälle der letzten Tage die Verfügbarkeit vorübergehend einschränkt. Kassapreise haben längst ihre bisherigen Höchststände verlassen und die Kartoffeln verarbeitende Industrie sorgt durch ihr Einkaufsverhalten für Preisdruck bei dem vertragsfreien Angebot. – Alles wieder beim Alten? Wohl kaum! Die Ruhe, die sich zuletzt am Kartoffelmarkt breit gemacht hat, täuscht über die Probleme der anstehenden Saison hinweg. Ferdi Buffen spricht von einer gefährlichen Gelassenheit.
Auf dem 21. Weuthen-Tag in Schwalmtal am Niederrhein am Donnerstag dieser Woche traf sich die Kartoffelprominenz Mitteleuropas. Man gratulierte der Firma Weuthen zum 125. Firmenjubiläum und nutzte die Gelegenheit zum Meinungsaustausch unter Fachleuten. Höhepunkt war wieder einmal die Markteinschätzung vom Geschäftsführer des international bedeutenden Kartoffellogistikunternehmens Ferdi Buffen.
Die Markteinschätzung fiel ihm nicht leicht, schließlich musste er sie in den letzten Wochen mehrfach umschreiben. Soviel Neues habe sich zuletzt ereignet. Tatsache sei, dass die Frühkartoffelvermarktung am deutschen Niederrhein noch niemals so schnell abgewickelt werden konnte, wie in diesem Jahr. Im August hätten die Umsätze historisch hohe Rekordumsätze eingefahren. Eine sehr gute Nachfrage und schwierige Witterungsbedingungen hätten dafür gesorgt, dass die hohen Lagerbestände aus der alten Ernte bis Juli komplett geräumt waren. Gleichzeitig brachten die Frühkartoffeln sehr niedrige Erträge. Die Erzeugerpreise schossen von neun auf 20 €/dt hoch. Es sei in der Zeit der knappen Marktversorgung gelungen, die Spezifikationen für Vertragskartoffeln vorübergehend anzupassen.
Erst seit sich im August bei typischem Kartoffelwetter die spät reifenden Kartoffelsorten erholen konnten, zeigen sich die Bestände nun wieder vital. Die hohen Temperaturen und der Wassermangel im Frühsommer hätten aber ihre Spuren hinterlassen und die Erträge bei den Verarbeitungssorten wiesen je nachdem ob sie beregnet werden konnten oder nicht, Ertragseinsdepressionen zwischen 10 und 30 % auf. Bei einer leicht eingeschränkten europäischen Kartoffelfläche sei die Nachfrage in Mitteleuropa aus Ost- und Südeuropa mindestens so gut wie im Vorjahr.
In diesem Jahr seien aber die Vorräte aller Verwertungsrichtungen überall kleiner, wenn erst die Nachfrage in einigen Wochen komme, sei eine geordnete Vermarktung zu guten Preisen möglich, so Buffen. Eine Preiskurve wie 2006 sei vorstellbar. Unsicherheiten gäbe es aber noch bezüglich der Lagerfähigkeit. Durchwuchs und daraus resultierende niedrige Stärkegehalte stellten die Lagerhalter und die Sortieranlagen vor große Herausforderungen. Möglicherweise kann man erst viel später mit der Reifeförderung beginnen, worin ebenfalls Risiken begründet seien.
Unter diesen Rahmenbedingungen dürfte die Bereitschaft Kartoffeln einzulagern gering sein. Da die Fabriken zunächst einmal die Vertragskartoffeln abnehmen würden, werden die Preise für freie Kartoffeln erst einmal weiter fallen. Angesichts hoher Preiserwartungen werden aber die Bauern nicht unter ihren Produktionskosten abgeben. Damit sei bald ein Widerstand zu erwarten. Nachfrage gäbe es aber bereits aus dem Ausland. Bereits jetzt wird nach Tschechien und Polen verladen, Rumänien und Russland fragen bereits an.
In den kommenden Wochen erwartet Buffen einen stabilen Markt, später können sich für Verarbeitungskartoffeln Preise zwischen 16 und 22 €/dt ergeben, Speisekartoffeln dürften dann zwischen 20 und 30 €/dt notieren.
Auch aus anderen Regionen wurden Ergebnisse von Proberodungen bekannt. Überall werden kleinere Erträge gemessen. So meldet die belgische Fiwap nach 125 Wachstum 38 Tonnen 35mm+ Bintje (Vj.43, 2006/41 to/ha). In den Niederlanden liegen die durchschnittlichen Erträge aller Sorten ca. 10 Tonnen/ha unter dem Vorjahr. Lediglich die EARS-Schätzung (Satellitenbeobachtung) ermittelt für die großen fünf Kartoffelnationen unverändert hohe Erträge zum 5-Jahresmittel.
Die Belgapom-Notierung fiel gestern auf 12,5 €/dt (Vw. 15,0 €/dt). Kritiker meinen, dass dafür kein Landwirt liefern würde, womit sie wohl Recht haben, da die Fabriken zurzeit ausschließlich die Vertragsware abrufen und die Produktläger füllen.
Joachim Tietjen
HANSA terminhandel GmbH