Kartoffeln: Lieferungen nach Algerien nur noch bis Ende Okt zollfrei
Zurzeit umfangreiche Exportaktivitäten
Aufgrund einer katastrophalen Kartoffelernte hat Algerien in diesem Jahr einen Einfuhrbedarf von ca. 500.000 Tonnen Konsumkartoffeln. Um eine kostengünstige Lebensmittelversorgung durch Importe sicherzustellen, wurde der Einfuhrzoll für Kartoffeln vorübergehend auf „0“ gesetzt. Diese Vergünstigung endet aber Ende Oktober, kurz bevor im Nordwesten Afrikas die Herbsternte beginnt.
Das derzeitige Dilemma Algeriens hat seinen Ursprung bereits im Jahre 2005. Damals wurden viele Pflanzkartoffellieferungen aus der EU wegen falscher Kalibrierung beanstandet (siehe MK 47/05 vom 24.12.2005). Trotz Intervention höchster Verbandsfunktionäre kam es zu keiner Einigung und die Züchterhäuser verloren viel Geld. Algerien galt immer schon als anspruchsvoller Verhandlungspartner. Der große Importbedarf von immerhin bis zu 90.000 Tonnen Pflanzkartoffeln pro Jahr verleiht den Einkäufern ein starkes Selbstbewusstsein. Nachdem der Streit auch in der Folgezeit nicht beigelegt werden konnte, haben Algeriens Behörden beschlossen, die Pflanzkartoffelproduktion selber voranzutreiben. Dieses Unterfangen ist aber gründlich misslungen. Die Saatgutausbeute und -qualität war miserabel, sodass in diesem Jahr die Kartoffelanbaufläche wegen fehlender Pflanzkartoffeln um mindesten 30 % eingeschränkt werden musste. Die kleine Menge, die nun herangewachsen ist, ist zudem von so schlechter Qualität, sodass Konsumkartoffeln in noch nicht bekannter Menge eingeführt werden müssen.
Von offiziellen Algerischen Stellen werden die bisherigen Einfuhren mit 100.000 Tonnen beziffert, holländische Exporteure sprechen bereits von 200.000 Tonnen. Die unerwartet gute Drittlandsnachfrage bewahrte Belgiens Kartoffelproduzenten vor einem andauernden Preistief. Trotz Rekorderträgen bei den Frühkartoffeln haben sich die Erzeugerpreise in unserem Nachbarland nachhaltig erholen können, wie die auf 8 €/dt (+1€/dt) ansteigende Belgapom-Notierung vom Freitag zeigt. Durch die bereits abgewickelten Exporte hat Belgien bereits jetzt ein Drittel seiner erwarteten Gesamternte exportiert. Dennoch: die Arbeit mit Algerien bleibt auch in diesem Jahr sehr problematisch. Man hört, dass es zuletzt immer wieder Beanstandungen und Zurückweisungen gab. Nach dem pflanzenbaulich sehr anspruchsvollen Jahr ist es tatsächlich gewagt, erntefrische Knollen zu verladen. Fäulnisschäden sind nicht auszuschließen.
Die Exporteure sind indes in der Zwickmühle: die Zollbefreiung für Kartoffelimporte gelten nur noch bis Ende Oktober. Nach britischen Marktrecherchen gilt danach ein Importzoll von 40 %. Das dürfte die Exportaktivitäten nach Algerien vorübergehend zum Stillstand bringen. Der Zeitpunkt dieser Maßnahme ist wohl mit Bedacht gewählt. Zum einen beginnt im November die Herbsternte am Atlasgebirge. Die eigene Ernte hat dann zunächst einmal Vorrang. Und zum anderen will der Algerische Staat die teuren Pflanzgutimporte abschöpfen, die nun wohl wieder in größerem Umfang nötig werden.
Ob mit oder ohne Zoll, es ist zu erwarten, dass weitere Kartoffelimporte aus der EU benötigt werden. Nach ZMP-Angaben produzierte das flächenmäßig zweitgrößte afrikanische Land am Südrand des Mittelmeers im Jahre 2005 auf 90.000 ha 1,8 Mio. Tonnen Kartoffeln. Der durchschnittliche Ertrag pro Hektar war also 20 Tonnen/ha. Wenn nun auf nur 60.000 ha ein Ertrag von, sagen wir mal, 15 Tonnen aufwuchs, dürfte sich die Gesamternte halbiert haben. Damit markieren die prognostizierten 500.000 Tonnen eher die Unterkante dessen, was tatsächlich benötigt wird.
Den Kartoffelproduzenten in der EU kommt diese außerordentliche Drittlandsnachfrage gut zu pass. In der EU (27) ist die Gesamternte nach neuesten Schätzungen mindestens vier Mio. Tonnen größer als im teuren Vorjahr. Die Mehrmengen sind allerdings ausschließlich in Norden herangewachsen, einen Zukaufbedarf haben dagegen der Süden der EU und nordafrikanische Staaten. Aber auch die Kartoffelverarbeitende Industrie benötigt für die Fritten-, Flocken- und Stärkeproduktion mehr Rohstoff, weil die weltweite Nachfrage nach diesen Produkten boomt. Frischkartoffeln zu exportieren ist aufgrund der hohen Frachtbelastung allerdings sehr teuer und Kartoffelprodukte unterliegen einem starken Wettbewerb zu anderen stärkehaltigen Rohstoffen. Deshalb wird der Produzent hierzulande vorerst nur bedingt von dieser freundlichen Entwicklung profitieren. Erst wenn am Ende der Vermarktungsperiode, also im späten Frühjahr 2008, die Vorräte tatsächlich erschöpft sein sollten, könnten die Erzeugerpreise deutlicher steigen. Angesichts der bedarfsgerechten Erntemenge ist es bis dahin aber noch ein weiter Weg.
Joachim Tietjen
HANSA Terminhandel GmbH