Das Image von Hedge Funds
Das Image von Hedge Funds
Tachles (16.03.07) - Immer mehr Hedge Funds beeinflussen das Marktgeschehen. Mit dem Zürcher Experten und Fondsmanager Harel van Dijk sprach tachles über Einfluss, Strategien und Risiken dieser Investitions-Vehikel.
tachles: Hedge Funds haben oft ein negatives Image: risikoreich, grenzenlos, intransparent. Wie sehr stimmt dies mit der Realität überein und wie sehr unterscheiden sich Hedge Funds von traditionellen Fonds?
Harel van Dijk: Die Annahme, dass traditionelle Fonds weniger Risiken bergen als Hedge Funds, trifft nicht unbedingt zu. Hedge Funds haben im Unterschied zu traditionellen Anlagefonds sämtliche Freiheiten bezüglich der Art und Weise, wie sie investieren; allerdings sind sie kaum reguliert. Dies impliziert unter anderem sogenannte operationelle oder Betrugs-Risiken. Ausserdem sind die Anlagestrategien von Hedge Funds oft sehr komplex und deshalb für Aussenstehende in einem gewissen Ausmass intransparent; hier besteht Potenzial für negative Überraschungen. Wenn man sich jedoch die Marktrisiken anschaut und das Risiko in Betracht zieht, dass man aufgrund gewisser Marktbewegungen Geld verliert, sind Hedge Funds zum grossen Teil konservativer als traditionelle Funds.
Haben Sie Beispiele?
Ab März 2000 verlor zum Beispiel der Nasdaq-Index binnen zweier Jahre etwa 75 Prozent. Ein traditioneller Fonds, der in Nasdaq-Aktien investiert war, hat diese Verluste zum guten Teil übernommen. Ein Long-Short-Fund hingegen konnte dieses Risiko viel tiefer halten beziehungsweise aufgrund der starken Abwärtsbewegung Geld verdienen. Das negative Image der Industrie ist vor allem auf zwei Ursachen zurückzuführen: Zum einen besteht das Problem, dass der Kapitalzufluss in Hedge Funds unglaublich hoch ist, was zwangsläufig zu tieferen Renditen in einigen Strategien führt. Um weiterhin doppelstellige Renditen zu erzielen, müssen einige Hedge Funds immer höheres Leverage anwenden; dies führt immer wieder zu spektakulären Verlusten. Das andere Problem ist die Tatsache, dass mit Hedge Funds ein Mehrfaches an Gebühren im Vergleich zu traditionellen Fonds erzielt werden kann und gleichzeitig jegliche Freiheitsgrade und Intransparenz vorherrschen. Dadurch werden Leute angezogen, die auf diesem Gebiet eigentlich nichts zu suchen haben, was ebenfalls immer wieder zu medienwirksamen Betrügereien und signifikanten Verlusten führt.
Bei der aktuell vorhandenen hohen Liquidität verwalten die über 10000 Hedge Fonds weltweit derzeit weit über 1,5 Billionen Dollar. Eine enorme Kapitalbindung, der unter anderem auch der Februar-Crash in Fernost zugeschrieben wurde. Haben Hedge Funds eine stabilisierende Funktion für die Börsen, oder sind sie ein Risikofaktor?
Die Auswirkungen auf das Finanzsystem sind sehr schwer zu evaluieren. Es ist unbestritten, dass von den Hedge Funds gewisse Risiken ausgehen. Aufgrund der ausgeprägten Heterogenität dieser Funds sind aber auch gewisse stabilisierende Einflüsse vorhanden. Beim von China ausgehenden Sell Off im Februar zum Beispiel waren die Hedge Funds wohl nicht die treibende Kraft. Die Tatsache aber, dass die Verkäufe in den USA und Europa noch zwei, drei Tage andauerten, macht klar sichtbar, dass gewisse Hedge Funds ihre Positionen glattstellten, um die Performance vom Februar zu retten. Sie denken heute nicht mehr in Jahren, sondern in Monaten – jeder Monat zählt, man will jeden Monat eine positive Performance ausweisen. Wenn am 26. Februar ein Gewinn von 1,8 Prozent vorliegt und die Märkte weiter fallen, verkauft man eben, um den Gewinn über das Monatsende zu retten.
Politisch-wirtschaftlich verflochtene Szenarien haben ja oft auch etwas Zynisches. Wie stark spielen für den Hedge-Funds-Verantwortlichen aber die politischen Entwicklungen eine Rolle?
Politische Entwicklungen haben zum Teil signifikanten Einfluss auf Finanzinstrumente sämtlicher Anlageklassen. Man denke zum Beispiel an die Entwicklung des Ölpreises in Abhängigkeit von gewissen Vorkomnissen im Nahen Osten. Demnach sind politische Entwicklungen für sämtliche Anleger relevant. Für sogenannte Makro-Hedge-Funds, die ihre Investment-Stategien unter anderem aus makroökonomischen Analysen ableiten, trifft dies besonders zu.
Hedge Funds werden je länger, desto mehr zu einem Machtfaktor innerhalb strategischer Entscheidungen. So setzt TCI die ABN Amro massiv unter Druck. Ist das eine Ausnahmeerscheinung, oder wird das langsam die Regel?
Druck gab es immer, auch von anderen Anlegern. Hedge Funds repräsentieren lediglich eine neue Art von Anlage-Vehikel. Solche Strategien werden vor allem von den sogenannten Activist Funds ausgeübt. Diese Art zu investieren wird zukünftig vermehrt zu beobachten sein.
Es gab ja auch Fälle, wo Staat oder Notenbank mit Milliardenbeträgen stützend eingreifen mussten, damit es nicht zu einem Zusammenbruch kam, wie vor einigen Jahren in den USA. Sind Hedge Funds demnach nicht ein relatives Risiko für ganze Volkswirtschaften?
Das offensichtlichste Problem ist Leverage. Das war auch in den USA bei der in der Frage angesprochenen LTCM so. Dort wurden Long-Short-Positionen in Bonds genommen und diese wiederum mit dem Faktor 50 oder 100 geleveraged. Als sich aber diese Bond-Preise lange entgegen den Erwartungen der Manager bewegten, bekamen diese die ersten Margin Calls. Das heisst, die Banken verlangen mehr Nachschuss als Sicherheit für die Short-Geschäfte. Die Professoren und Nobelpreisträger, die den LTCM-Fund damals verwalteten, hatten grosses Pech beim Timing. Die Kursverläufe liefen lange gegen sie, die Russlandkrise verstärkte diese Trends weiter. Mit der Zeit konnten sie den Margin-Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Hätten die Kredit gebenden Banken um jeden Preis auf die Erfüllung der Margin Calls bestanden, wäre die Katastrophe um einiges grösser geworden. Dies sah auch lange so aus, bis sich der Staat einschaltete. Unter Federführung staatlicher Institutionen erarbeiteten die involvierten Banken eine ansprechende Lösung. Die potenziellen Gefahren von heute sind ähnlich gelagert, es kommen allerdings noch einige Faktoren dazu: komplexe Kreditderivate, illiquide Kreditstrukturen oder exotische nicht handelbare Finanzinstrumente werden in Kombination mit Leverage bei einigen Managern höchstwahrscheinlich wieder zu hohen Verlusten führen.
Würden Sie mehr regulative Einwirkung auf die Hedge Funds befürworten?
Weitere Regulierungen sind unumgänglich. Es ist allerdings sehr schwer, sinnvolle Regeln zu implementieren; schliesslich sind die Probleme äusserst heterogen und komplex. Das spezifische Know-how der regulatorischen Behörden ist immer zwei bis drei Schritte hinter dem Markt. Die Anziehungskraft solcher Behörden auf intelligente und talentierte Arbeitnehmer ist klein. Schliesslich bieten Hedge Funds oder Banken ein viel interessanteres Arbeitsumfeld und die finanziellen Anreize sind nicht vergleichbar.
Früher betrachtete man die Hedge Funds auch in den Wirtschaftsmedien eher als innovative, kreative Angelegenheit, heute ist man zurückhaltender, Hedge Funds werden schwerfälliger. Ist die Zeit der Hedge Funds abgelaufen, kommt etwas Neues?
Gesamthaft gesehen ist die Anzahl der Hedge Funds immer noch enorm im Steigen begriffen, während die Durchschnittsqualität eindeutig sinkt. Allerdings werden auch immer wieder neue Anlage-Möglichkeiten von Hedge Funds genutzt beziehungsweise entwickelt, das heisst, sie sind teilweise tatsächlich innovativ und kreativ. Die Art und Weise, wie die Hedge Funds Geld verwalten, ist innerhalb der Finanzindustrie nicht mehr wegzudenken und wird auch in Zukunft eine immer dominantere Stellung einnehmen. Es kann durchaus sein, dass sich zukünftig anders strukturierte Investment-Vehikel etablieren, die nicht Hedge Funds genannt werden. Aufgrund der Tatsache, dass Hedge Funds mittlerweile in allen möglichen Strategien und Anlageklassen von Immobilien bis zu Katastrophen- und Wetterderivaten vertreten sind, werden allfällige neue Investment-Vehikel vermutlich eine Ableitung der heutigen Hedge Funds sein.
Sollte sich der durchschnittliche Anleger, zumindest mit einem Teil seines Geldes, auf Hedge Funds einlassen, und an wen sollte er sich wenden, um seriös beraten zu werden?
Hedge Funds machen in jedem Portfolio allein schon aufgrund des Diversifikationseffektes Sinn. Als aussenstehender Anleger sollte man sich auf sogenante Fund of Hedge Funds konzentrieren, das sind Portfolios, die aus 15 bis über 100 Hedge Funds bestehen. Diese sind in der Regel äusserst stabil. Man kann davon ausgehen, dass die von den Banken angebotenen Fund of Hedge Funds seriös sind. Ob sie allerdings gut sind, ist eine andere Frage. Um den Kunden keine zusätzlichen Gebühren belasten zu müssen, bieten Banken ein Produkt nur an, wenn sie vom Manager einen Teil seiner Gebühren in Form von Retrozessionen ausbezahlt bekommen. Dies ist nicht unbedingt verwerflich, aber viele Manager sind nicht bereit, solche mitunter hohen Retrozessionen an die Banken zu bezahlen. Deshalb werden diese Manager dem Kunden kaum empfohlen. Ausserdem sind vor allem grosse Banken darauf angewiesen, dass sie hohe Beträge in die ihren Kunden angebotenen Produkte investieren können und diese entsprechende Volumen aufweisen. Oft bieten aber gerade die kleineren und weniger bekannten Manager die interessanteren Renditenpotenziale. Es bleibt aber dem normalen Anleger gar nichts Anderes übrig, als auf seine Bank zu hören, die ihren guten Ruf zu wahren hat. Im schlechtesten Fall wird er potenziell weniger verlieren als mit traditionellen Anlagen.
Interview: Yves Kugelmann