Richard Ebert
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° Auf Hoffnungen lässt sich keine Strategie gründen

Von der Irrationalität zum großen Sündenfall – Ein gedanklicher Streifzug durch Abgründe – "Auf Hoffnungen lässt sich keine Strategie gründen"

(06.10.2003) Wir wissen nicht, was die Märkte am Freitag dazu bewogen hat, den Bericht über die Lage am amerikanischen Arbeitsmarkt im September zu feiern. Wir ahnen nur, dass dies eine ihrer vielen irrationalen Entscheidungen war. Am frühen Montag haben sie denn auch die Quittung für diesen Überschwang zunächst aus Asien und dann auch Europa erhalten. Nur der US-Dollar setzte seine Korrektur fort. Doch das kann, wenn man die zurückliegende, fast kometenhafte Erholung betrachtet, nur gesund sein.

Zu den Zahlen vom Arbeitsmarkt in den USA bleibt festzuhalten, dass kaum ein offizieller Bericht von dort so häufig und so substantiell im nachhinein revidiert werden muss, wie dieser. Auf diese Zahlen zu bauen, gleicht daher eher einer Wette als einer rationalen Entscheidung.

Wir stellen fest, dass die Finanzmärkte inzwischen weit genug demoralisiert sind, um sich fast nur noch an Strohhalme zu klammern. Mehr noch: Da werden schnell einmal bestenfalls neutrale Meldungen in positive umgedeutet. Hoffnungen werden ohnehin schon lange zu scheinbar konkret begründeten Erwartungen aufgewertet. Aber wir wissen schon lange, dass man auf Hoffnungen keine Strategie für die Märkte gründen kann.

Da wir schon bei Hoffnungen sind und den Dollar fest im Auge behalten wollen: Wim Duisenberg, der inzwischen abgelöste Präsident der Europäischen Zentralbank, wird mit der Äußerung zitiert, eine Abwertung des US-Dollar sei unvermeidlich, doch er hoffe, dass der Prozess langsam und graduell verlaufen werde. Wenn Duisenberg gesagt hätte, er erwartete dieses, hätte es wie eine Forderung geklungen, nicht aber wie eine berechtigte Annahme.

Berichte, wie die über den Arbeitsmarkt in den USA, lenken trotz ihrer bekannten Fehlerhaftigkeit davon ab, wie sich das große Bild entfaltet. Aber das zeigt nur, wie wichtig der Arbeitsmarkt nicht nur dort ist, um die bereits vorhandenen Ungleichgewichte nicht noch weiter wachsen zu lassen.

Das große Bild wird geprägt von diesen Ungleichgewichten, die sich ins Unerträgliche steigern. In ihrem Zentrum steht die hochdefizitäre Leistungsbilanz der USA. Ihre Schieflage verstärkt sich fast von Monat zu Monat.

Die Regierung Bush hat erkannt, dass weiter wachsende Defizite nur durch eine Abwertung des Dollar zu verhindern sind. Sie soll die Importe verteuern und die Exporte fördern. Es ist einer der Wege, auf dem sie die höchst labile Konjunktur zu stützen hofft. Vom Erfolg hängt vieles ab, darunter die Wiederwahl Bushs im nächsten Jahr.

Bush ist nicht zimperlich bei der Wahl der Mittel. Er hat bereits jene asiatischen Länder, die ihre Währungen mehr oder minder stark an den Dollar gebunden haben, unter Druck gesetzt. Sie sollen ihre Valuten aufwerten.

Und er beginnt nun auch massiv in den internationalen Handel einzugreifen, um den USA, wie er und seine Parteigänger offensichtlich vermuten, Vorteile zu verschaffen. An sich ist es nur legitim, eigene Interessen zu vertreten. Doch was sich in Washington tut, kann zum großen Sündenfall des Jahrhunderts werden.

Es begann im vergangenen Jahr mit der Einführung von Importzöllen auf Stahl, um die maroden heimischen Stahlproduzenten zu schützen. Jetzt liegen dem Kongress Anträge vor, die auf eine Minderung der Einfuhren aus China abzielen.

Doch das ist nur die Hälfte eines Rundumschlags. Auch Europa ist im Visier der Protektionisten. So sollen europäische Zulieferer der amerikanischen Waffenhersteller aus dem Geschäft verdrängt werden. Andererseits steht gen-modifizierter Mais, den Amerika exportieren, die Europäische Union jedoch nicht importieren will, auf der Tagesordnung.

Protektionismus ist das Instrument, das noch auf der Liste der Folterinstrumente gefehlt hat, mit denen die Weltwirtschaft in Grund und Boden geritten werden kann.

Wie sind wir eigentlich vom amerikanischen Arbeitsmarkt auf Protektionismus gekommen? Ganz einfach, die Dinge sind komplex und so eng miteinander verwoben, dass man nur irgendwo anfangen muss, um immer beim gleichen Kern zu landen, nämlich den Ungleichgewichten, deren Zentrum wegen unmäßigen Schuldenmachens tief in den USA verwurzelt ist. Das werden auch die Märkte eines Tages auf angemessene Weise zur Kenntnis nehmen.

(Quelle: Arnd Hildebrandt, Taurosweb)

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