Psychologie: Werwölfe, Mondholz und schlechte Börsenkurse
Werwölfe, Mondholz und schlechte Börsenkurse - Wissenschaftliche Studie
Von Hanno Beck
Frankfurter Allgemeine Zeitung, FAZ (25.11.06) - Er ist schon ein armer Sündenbock und muß als Erklärung für viele Dinge herhalten: Mehr Geburten, Verkehrsunfälle, Verbrechen, Werwölfe, auch Selbstmorde - stets wird die Schuld dem Mond gegeben. Zahllose Ratgeber werben für ein Leben nach dem Mond: Zahnarztbesuche, das Schlagen von Mondholz bei Vollmond, Kochen, Gartenarbeit und viele andere Dinge des täglichen Lebens sollen von der Mondphase abhängig gemacht werden oder davon, in welchem Tierkreiszeichen der Mond gerade steht. Und zu allem Übel wird der arme Mond nun auch noch beschuldigt, für schlechte Börsenkurse verantwortlich zu sein - streng wissenschaftlich untermauert.
„Are Investors moonstruck?“ heißt das Forschungspapier dreier Ökonomen der Universität Michigan, die der Frage nachgegangen sind, ob der große weiße Geselle am Firmament auch für lausige Börsenkurse verantwortlich gemacht werden kann. Aus zahlreichen Studien wisse man, daß Gefühle und Emotionen auch Investmententscheidungen beeinflußten, argumentieren die Ökonomen. Auch aus anderen Studien wisse man, daß Mondphasen Stimmungen beeinflußten - dann müßte der Mond auch Einfluß auf die Börsenkurse haben. Rund 50 Prozent der Amerikaner glauben daran, daß der Mond Einfluß auf die Menschen hat; fragt man Mitarbeiter psychiatrischer Kliniken, steigt dieser Wert auf 75 Prozent - da muß doch etwas dran sein, oder?
Ein Vollmond ist schlecht für die Aktienkurse
Also haben sich die Ökonomen aufgemacht und die Wirkungen des Mondes anhand von 48 Ländern untersucht, mit einem eindeutigen Ergebnis: Vollmond ist schlecht für Aktienkurse. Um das festzustellen, hat man das Verhalten der Kurse während eines Zeitraumes von sieben Tagen vor und nach dem Vollmond untersucht. Das macht insgesamt einen Zeitraum von 15 Tagen - sieben Tage jeweils vor und nach dem Vollmond sowie der Vollmondtag selbst -, den man auf die Entwicklung der Aktienkurse hin untersucht hat.
Dabei zeigt sich für die Börsen von 23 entwickelten Ländern, daß die Erträge am Aktienmarkt sich in diesem fünfzehntägigen Band um den Vollmond herum negativ entwickeln. Unter den übrigen 23 Schwellenlandbörsen weisen immerhin 20 diesen börsenmondsüchtigen Zusammenhang aus. Will heißen: In den meisten Fällen fallen die Kurse in einem Zeitraum von sieben Tagen vor und nach dem Vollmond. Die Wahrscheinlichkeit, ein solches Ergebnis zu erhalten, liegt den Autoren der Studie zufolge nahe Null. Auch für ein Fenster von sieben Tagen um den Vollmond herum findet sich dieses Ergebnis.
Überprüfung durch ein gleichgewichtetes Portfolio
Und es ist ein kostspieliger Mond, der da am Himmel steht: Die Erträge an den Aktienmärkten in den Fünfzehn-Tages-Vollmondphasen fallen auf Jahresbasis im Durchschnitt um 6,6 Prozent niedriger aus als an den 15 Tagen um den Neumond herum. Im Sieben-Tages-Fenster sind es sogar 8,3 Prozent. Dabei fällt der Vollmondeffekt in den Schwellenländern stärker aus als an Börsen entwickelter Länder. Um ihre Hypothese zu untermauern, haben sich die Autoren angesehen, wie sich die Aktienkurse im Verlauf einer Mondphase verhalten. Das Ergebnis: In einem Zeitraum von 29,3 Tagen - das entspricht ungefähr der Länge des Mondzyklus - erreicht der Mondeffekt seinen Höhepunkt bei Vollmond und sinkt dann in Richtung Neumond - das klingt in der Tat nach einem zyklischen Mondeffekt.
Um ihre Ergebnisse zu überprüfen, haben die Autoren ein gleichgewichtetes Portfolio mit 48 Länderindizes zusammengestellt, das sie je nach Mondphase variierten. In Neumondphasen kauften sie die Indizes, in Vollmondphasen wurden die Indizes verkauft. Immerhin: Die Rendite des Portfolios beläuft sich auf 4,2 Prozent. Dabei zeigte sich auch, daß der Mondeffekt bei kleinen Werten, die nicht so sehr den automatisierten Handelsentscheidungen großer institutioneller Investoren unterliegen, stärker ist - möglicherweise, weil sie den mondsüchtigen Stimmungen der Investoren stärker ausgesetzt sind?
Daten in den Topf werfen und kräftig umrühren
So gut das klingt, so viel Skepsis verdienen solche Ergebnisse: Naturwissenschaftler halten nichts von Mondtheorien, aus einem einfachen Grund: Der Einfluß des Mondes auf den menschlichen Organismus ist zu gering. Ein Mensch wiege bei einem direkt über ihm befindlichen Mond 0,000035 Prozent mehr als bei Neumond, rechnet der Physiker Paul Quincey vor - bei einer Mahlzeit nehmen wir rund ein Prozent zu, bei einem Wetterumschwung sind es 0,33 Prozent. Das macht den Einfluß des Mondes auf den Menschen marginal. Und die Gezeitenkräfte, die durch den Mond entstehen?
Auch das verneinen Wissenschaftler: Vereinfacht gesagt, ist der Einfluß der im Zuge der Mondphasen veränderten Gravitation auf der Erde deswegen sichtbar, weil die Ozeane groß genug sind, um diesen Effekt sichtbar zu machen. Bei so kleinen Objekten wie Menschen sei dieser Effekt vernachlässigbar gering. Diese Argumente legen nahe, daß die Studie auch Resultat des sogenannten Data-Mining sein könnte: Man wirft eine Menge Daten in den Topf, rührt mit ein paar statistischen Methoden kräftig durch und bekommt irgendein Ergebnis, das man dann interpretiert, bis man irgendeine Erklärung gefunden hat.
(Quelle: http://209.85.135.104/search?q=cache:1z9aZTIwEW4J:http://www.faz.net/s/Rub034D6E2A72C942018B05D0420E6C9831/
Doc~EFFCCF56DC4CE424AAF141D44DFFCBD4C~ATpl~Ecommon~Scontent.html+werw%C3%B6lfe,+mondholz&hl=de&gl=de&ct=clnk&cd=1)