Richard Ebert
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Schweine: Chancen im Osten

Schweine: Chancen im Osten

von Matthias Kohlmüller, ZMP, Bonn

Der starke Rückgang der Schweineproduktion in den neuen EU-Mitgliedsstaaten (NMS) in den zurückliegenden Jahren scheint demnächst gestoppt zu sein. Für die meisten NMS wird ein moderates Wachstum der Bestände von 2 bis 3 Prozent bis Ende 2006 erwartet.

In Polen greift der Schweinezyklus besonders stark. Mäster und Sauenhalter stockten ihre Bestände deutlich auf. Auf die sich belebende Nachfrage nach Fleischwaren reagierte die Fleischverarbeitung bereits schon länger, in dem durch hohe Investitionen die Wertschöpfung von Fleischprodukten verbessert wird. Mit dem Einzug westlicher Produktionstechnologien gewann die Fleischverarbeitung deutlich an Fahrt. Ein Großteil des benötigten Rohstoffs wird durch umfangreiche Einfuhren gedeckt. Im Jahr 2005 erhöhten sich die Importe von Schweinefleisch gegenüber 2004 in Polen, der Slowakei, Ungarn und Litauen um über 50 Prozent. Tschechien, lange Zeit ein Selbstversorger beim Schweinfleisch, verlor stark an Boden.

Oftmals kommen die Haupteinfuhren der genannten Länder aus Deutschland. Im Jahr 2005 erhöhten sich die gesamten deutschen Schweinefleischausfuhren um rund 20 Prozent auf 1,1 Mio. t. Damit führt Deutschland hinter Dänemark (1,8 Mio. t) in der Rangliste an zweiter Stelle der führenden Exporteure in der EU und belegt auch im Weltmaßstab eine Spitzenposition. Die NMS werden auch in den nächsten Jahren einen Importüberschuss beim Schweinefleisch haben. In Ungarn erhöhten sich die Einfuhren von Schlachtschweinen 2006 voraussichtlich um 15 Prozent, wodurch dort jedes siebte Schlachtschwein ausländischer Herkunft sein wird. Ungarn importiert neben Schlachtschweinen auch große Mengen von günstigem Verarbeitungsfleisch und exportiert weltweit hochwertige Verarbeitungsprodukte wie Salami. Die neuen EU-Staaten Rumänien und Bulgarien weisen ebenfalls einen hohen Importbedarf mit jährlich über 200.000 t und 50.000 t Schweinefleisch respektive aus und das mit steigender Tendenz. Im ersten Halbjahr 2006 führte Rumänien 14 Prozent mehr Schweinefleisch ein als im Vorjahr. Mit der EU Mitgliedschaft und der Übernahme von EU Verordnungen wird Rumänien die Einfuhr amerikanischen und kanadischen Schweinefleisches zu Gunsten anderer Lieferanten verändern.

Im Gegensatz zu Westeuropa gibt es in Russland und den Anrainerstaaten mehr Rinder als Schweine. Grund dafür ist die geringe Milchleistung pro Tier und die wenig entwickelte Schweinefleischerzeugung. Dieser Trend könnte sich langfristig umkehren. Im Gegensatz zur Schweineproduktion ist die Wirtschaftlichkeit der Rindfleischerzeugung schlechter. Investitionen in die Schweineerzeugung versprechen eine höhere Rendite. Die Bedeutung der Schweinefleischerzeugung steigt sowohl auf dem Balkan als auch in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Da sich speziell in der Schweine- und Geflügelmast Investitionen schneller amortisieren und man innerhalb kurzer Zeit beachtliche Produktionszuwächse hat, wird die Schweineproduktion in einigen Staaten forciert. Investitionen in die Schweineproduktion versprechen besonders in Russland und der Ukraine eine hohe Rendite, sofern moderne Technologien und leistungsfähige Genetik eingesetzt werden. Marktbeteiligte bezeichnen die Investition in die Schweineproduktion als eine der perspektivreichsten im Agrarbereich. Im Absatz sind interessante Spannen zu erzielen. Die Erzeuger können in Russland und der Ukraine mit Preisen von über 1,50 Euro je kg Lebendgewicht pro Schwein fast 50 Euro mehr erzielen als ihre Kollegen in Westeuropa. So engagieren sich finanzstarke Investorengruppen in der Schweineproduktion und bauen vertikale Strukturen auf. Besonders stark entwickelt sich die Konzentration in der Nähe von Ballungsräumen. Das trifft vor allem auf die Schweinefleischerzeugung zu. Interessante neue Entwicklungen vollziehen sich in jüngster Zeit in Russland und der Ukraine. Mit der Bildung von Agrarholdings, an der in der Regel branchenfremde Unternehmen aus der Öl-, Gas-, oder Getreidebranche, Investmentfonds, Sparkassen und Banken als Kapitalgeber beteiligt sind, entstehen territorial weitgefasste Verbände, die alle Stufen der Produktion, der Verarbeitung, des Absatzes und des Transportes umfassen. In der Nähe der Ballungsgebiete sind die Agrarholdings vor allem auf die Erzeugung und Verarbeitung von Fleisch, Milch und Eiern spezialisiert. Im Jahr 2004 sind eine Reihe von Investitionen begonnen worden, die 2005 und danach zu einem Zuwachs der Fleischerzeugung führen werden. Hier entstehen Anlagen mit mehreren zehntausend Sauenplätzen und Mastkapazitäten von bis über 50.000 Plätzen.

Fast jedes Jahr werden von russischer Seite Importstopps gegenüber brasilianischen, polnischen oder anderen europäischen Fleischlieferungen nach Russland verhängt. Grund dafür sei nach Information der russischen Regierung ein Schutz vor Tierseuchen und nicht einwandfreien Lebensmitteln. So wurde Mitte Dezember 2005 die Einfuhr von brasilianischem Fleisch je nach Region für die Dauer von einem halben bis einem Jahr gesperrt. Dem ging ein Stopp von polnischen Fleischeinfuhren aufgrund fehlerhafter Veterinär- und Herkunftszertifikate voraus. Mitten im Erdgasstreit zwischen der Ukraine und Russland wurden im Januar 2006 alle Fleischimporte aus der Ukraine gestoppt. Die Begründung dafür war die Verletzung tierärztlicher Vorschriften. Brasiliens Schweinefleischexporte, von denen 70 Prozent für Russland bestimmt waren, verbuchten im Jahr 2006 auf Grund der tierseuchenbedingten Handelsrestriktionen deutliche Exporteinbrüche von mehr als einem Drittel. Auch Polen und Weißrussland litten unter den Einfuhrbeschränkungen Russlands. Hingegen profitierten Schweinefleischlieferungen aus der EU. Die Ukraine will sich zukünftig frei von Importen machen, indem die Inlandserzeugung gefördert wird. Davon wäre zum Großteil der polnische Export betroffen. Obwohl die Inlandserzeugung in Russland forciert wird und in Rumänien und Bulgarien diese langsam steigt, haben diese Länder auch in den nächsten Jahren einen großen Einfuhrbedarf an Rind-, Schweine-, und Geflügelfleisch. In Russland dürften laut russischer Prognosen auch im Jahr 2010 ein Fünftel des Verbrauchs an Schweinefleisch – etwa 500.000 t – und die Hälfte des Rindfleischverbrauchs nur durch Importe in einer Größenordnung von etwa 750.000 t gedeckt werden können. Russische Marktexperten hoffen ab dem Jahr 2012 durch Großinvestitionen in die industriemäßige Schweineerzeugung kaum noch auf Schweinefleischeinfuhren angewiesen zu sein. Fraglich bleibt jedoch, in wie weit das Know-How und Management ausreichen wird, die Produktion in Richtung des gewünschten Wachstumsziels zu steuern. In Rumänien erhöhten sich im Jahr 2005 die Schweinefleischeinfuhren – rund 200.000 t – mit weiter steigender Tendenz. Der stufenweise Abbau der Handelsbeschränkungen im Zuge des EU-Beitritts wird einen weiteren Anstieg der Importe nach sich ziehen. Ausländische Investoren sehen in Rumänien interessante Wachstumschancen und investieren dort.

Der Pro-Kopf-Verbrauch an Schweinefleisch von 14 kg ist in Bulgarien gegenüber 43 kg in der EU-25 relativ niedrig. Laut Schätzungen dürfte der Fleischverbrauch in Bulgarien pro Jahr um 3 bis 5 Prozent wachsen. In Russland aber auch in der Ukraine erlangte die Tierproduktion seit dem vergangenen Jahr einen höheren Stellenwert. Die jahrelang vernachlässigte tierische Erzeugung soll in breit angelegten Förderprogrammen so forciert werden, dass der Einfuhrbedarf an tierischen Rohstoffen wie Milch- und Fleisch verringert wird bzw. nicht noch weiter ansteigt. In der Milcherzeugung hat Russland das Ziel, die Produktion in den kommenden Jahren zu stabilisieren. Dazu will Moskau allein im aktuellen Jahr über 50.000 Zuchtrinder (vorwiegend hochtragende Färsen) zur Verbesserung der Milchleistung einführen. Allein über 8.000 Tiere wurden seit Februar des aktuellen Jahres aus Deutschland eingeführt. Marktkenner bemängeln jedoch das oftmals fehlende Know-How und die entsprechenden Bedingungen in der Tierhaltung und Fütterung, um die versprochenen Tierleistungen auch tatsächlich erreichbar werden zu lassen.

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