Der Handelskonflikt zwischen Brüssel und Moskau eskaliert
EU soll für einheitliche Dokumente sorgen
Die Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und Russland über den Importstopp für pflanzliche Erzeugnisse sind am vergangenen Montag in Brüssel gescheitert. Die Brüsseler Behörden können derzeit keine einheitlichen Pflanzengesundheitszeugnisse erstellen. Nun droht für weitere Lebensmittel aus der EU der Importbann.
Der Leiter des russischen Förderalen veterinären und phytosanitären Aufsichtsdienstes, Sergej Dankwert, kündigte im Anschluss an die gescheiterten Verhandlungen unmissverständlich an, dass die Geduld Moskaus nun zuende sei. Seit Jahren fordere man von der EU zentrale Unbedenklichkeitsgarantien für Lebensmittel-lieferungen nach Russland. Man fühle sich durch die „Doppelstandards“ der EU benachteiligt, treten bei den Lebensmittellieferungen Probleme auf, so müsse man mit jeder einzelnen nationalen Behörde verhandeln, mittlerweile seien es immerhin 25 Mitgliedsstaaten, dagegen sei für die Sicherheit Importe in die EU, allein Brüssel verantwortlich. Außerdem seien von einer Kommissionsmitarbeiterin die Einführung einheitlicher Standards zugesagt worden. Diese fordere man jetzt ein.
Nachdem bereits am 15.11.04 gegen Deutschland und Estland ein Importverbot für Pflanzen verhängt wurde, legte man am 06.12.04 nach und sperrte auch die Lieferungen aus Holland. Der überversorgte Zwiebelmarkt, ähnlich dem Kartoffelmarkt, brach daraufhin völlig zusammen. Für 100 kg Zwiebeln wurden zuletzt in Rotterdam nur noch zwischen 0,75 und 1,25 € notiert. Weitere vom Handelsstopp betroffene Erzeugnisse sind Blumen, Zierpflanzen, Getreide, Ölsaaten und Gemüse. Mit der jüngsten Sperrung wurde der Druck auf die laufenden Verhandlungen erhöht, zumal die Niederlande von den Exporten dieser Erzeugnisse besonders abhängig sind und sie zurzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne haben. Es ist davon auszugehen, dass auch noch andere EU-Länder unter Beobachtung stehen.
Aktueller Anlass für die Zuspitzung der Situation ist die „systematische Verletzung phytosanitärer Anforderungen“, so die russische Seite. Mehrere Landesbehörden hätten bei der Ausstellung von Pflanzengesundheitszeugnissen offenbar die erforderlichen Untersuchungen gar nicht durchgeführt, schreibt die Lebensmittelzeitung. Insgesamt hätten die russischen Behörden in diesem Jahr 57 Verstöße deutscher Firmen gerügt, in einem Fall ermittelt sogar die Staatsanwaltschaft gegen ein Unternehmen, das ein gefälschtes Zertifikat in Umlauf gebracht haben soll. Außerdem sollen deutsche Beamte Exporteure mit Blanko Zertifikaten versorgt haben. Das Landwirtschaftsministerium geht den Vorwürfen nach. Da sich die jüngsten Vorkommnisse auf Pflanzen- und Blumen-Lieferungen beziehen, kritisieren deutsche Obst- und Gemüseexporteure das harte Vorgehen der Russen.
Angesichts ihrer überversorgten Märkte für pflanzliche Produkte, ist die EU besonders auf Drittlands-Exporte angewiesen. Das Beispiel Zwiebeln zeigt, wie empfindlich der Markt reagieren kann. Der russische Importbedarf an Kartoffeln wird in dieser Saison auf mehr als 200.000 Tonnen geschätzt. Gerade Übergrößen, die es hierzulande in Hülle und Fülle gibt, könnte man dort gut platzieren. Da in der Regel die Pflanzenzüchter das Exportgeschäft beherrschen und gute Auslandskontakte unterhalten, ist in diesen Unternehmen die Enttäuschung besonders groß. Gerade jetzt, wo die Pflanzgutexporte nach Südeuropa auf vollen Touren laufen, fallen eine große Menge Übergrößen an, die nun in der EU verbleiben und den Druck auf die Erzeugerpreise für Konsumkartoffeln nochmals erhöhen. Nach den gescheiterten Gesprächen darf man wohl nicht mit einer schnellen Lösung des Konfliktes rechnen.
Russlands Eigenversorgung mit Kartoffeln ist nämlich nicht gefährdet und der Importbann bietet somit den dortigen Erzeugern bessere Absatzmöglichkeiten. Andererseits wird die europäische Kartoffelwirtschaft wegen „nur“ 200.000 Tonnen verpasster Absatzchancen kaum weiter unter Druck geraten, eine Erholung der absolut schwierigen Marktlage kann man sich indes auch kaum vorstellen.
Die EU-Bürokraten sind dringend aufgefordert, ihre Hausaufgaben zu erledigen. Russlands Wirtschaft boomt mit zweistelligen Wachstumsraten, der Wohlstand steigt zusehends. Das bietet den Lebensmittelproduzenten in der EU auch in der Zukunft gute Absatzchancen. Unsere Anstrengungen um gleichbleibend hohe Produktionsstandards, gefördert durch dokumentierte Qualitätsmanagementmaßnahmen, darf unter den Versäumnissen der Behörden nicht leiden.
Ihr Joachim Tietjen
HANSA Terminhandel GmbH