Kartoffeln: 30 € - Grenze geknackt
Vorsicht vor der Bärenfalle
In den ersten Rotterdamer Notierungen des Jahres 2007 stiegen die Preise für Frittenrohstoff deutlich an. Die oberen Notierungen weiß- und gelbfleischiger Sorten durchbrachen erstmals die 30€ - Grenze. Diese zuletzt hart umkämpfte Linie bestätigten dann auch die Regionalbörsen, in denen sich eine rückblickende Marktbeobachtung widerspiegelt. 31€/dt werden insbesondere für die Sorte Innovator bezahlt, während Lagerhalter für die Sorte Bintje ca. 27€/dt erzielen. Das Rotterdamer Mittel für die 40mm+ Sortierungen steht nun auf 29,13€/dt.
Das extrem warme Winterwetter beeinflusst den Kassamarkt für Kartoffeln in Mitteleuropa wesentlich. Schlechte Lagereignung durch vielfach zu niedrige Stärkegehalte in Verbindung mit einem hohen Prozentsatz glasiger Knollen sorgt immer noch für eine außerordentlich hohe Abgabebereitschaft. Dass die Kassapreise in diesem Umfeld dennoch ansteigen ist ein Ausdruck für die sehr knappe Marktversorgung überall in Europa. Bei der hohen Abgabebereitschaft wäre es für den Handel ein Leichtes, die Preise um einige Euros zu drücken. Daran sind die Kaufleute aber gar nicht interessiert, denn sie rechnen damit, dass bereits in Kürze aufgrund geräumter Scheunen erste Lieferengpässe entstehen.
Deshalb können die Disponenten der Packstationen es kaum abwarten, dass die ersten Importe aus dem Mittelmeerraum nun tatsächlich eintreffen. Die dortigen Produzenten haben sich auf diese Situation auch gut vorbereitet: Die ZMP erwartet, dass die EU in den kommenden Monaten mit cirka 530.000 to rund 20 % oder 90.000 to mehr Frühkartoffeln aus Drittländern einführen wird. Angesichts der um mehrere Millionen Tonnen verfehlten Bedarfsdeckung können die erhöhten Importmengen nur für eine geringe Abmilderung der prekären Marktlage sorgen. Die Offerten verteilen sich zudem auf einen insgesamt sehr aufnahmefähigen Gesamtmarkt, denn auch in Osteuropa gibt es eine wohlhabende Käuferschicht, die sich in den großen Handelsketten mit Lebensmitteln versorgt.
In dieser Situation verwundert es den Beobachter schon sehr, dass die Kartoffelnotierungen der Terminbörse in Hannover seit Jahresbeginn um ca. 12 % nachgaben. Sicherlich liegen Kurse von 40 €/dt für den April-07-Termin noch zehn Euro über den aktuellen Rotterdamer Spitzenpreisen und in der 17. Kalenderwoche wird es auch zur Konvergenz der Preise kommen. Aber die Zeit des höchsten Bedarfs liegt noch vor uns und die Lagerbestände sind so niedrig, wie noch nie. Und so könnte sich der Kursrückgang an der Terminbörse lediglich als temporäre Schwäche entpuppen.
Lagerhalter und Händler die auf fallende Preise setzen (Baissiers) und nun ein Verkaufssignal erkennen, könnten in die so genannte Bärenfalle tappen. Dieser Terminus bezeichnet unter Börsianern den Tatbestand, dass ein Baissier, der sich der technischen Analyse bedient, eine Fehlentscheidung trifft.
Britische Marktbeobachter wollen erkannt haben, dass nun die Spekulanten den Markt verlassen und ihre Kaufpositionen wieder abgeben. Dafür spricht der Tatbestand, dass sich der Kontraktbestand von knapp 4.000 auf 3.750 Lots reduziert hat. Dazu gehört aber auch, dass die Shorthedger ihre Positionen glattstellen. Entweder haben sie ihre Kartoffeln mittlerweile verkauft oder sie erwarten schon bald wieder steigende Preise.
Teure Importe dürften auch in diesem Jahr dafür sorgen dass auch heimische Speisekartoffeln weiter ansteigen. Die ersten „Marokkaner“ kosten in Frankreichs Großmärkten mehr als 75 €/dt und viel billiger werden auch unsere Großmärkte zunächst nicht an die Ware herankommen. Im direkten Preisvergleich wird sich der Verbraucher dann eher den vielleicht nicht ganz so hübschen Knollen aus der Heimat zuwenden. Außerdem dürfen die Speisekartoffeln auch nicht billiger als der Verarbeitungsrohstoff sein, denn sonst werden sie schnell in den Friteusen der großen Verarbeiter verschwinden. Und so ist damit zu rechnen, dass die Rotterdamer Notierungen eine Preisleitfunktion auch für Speisekartoffeln aus Niedersachsen hat.
Erst im April werden nennenswerte Mengen aus dem Süden Europas erwartet, das heißt, wenn alles gut geht. Die Pflanzungen in Spanien sind in diesen Tagen unter optimalen Bedingungen erfolgt, aber das Wetterrisiko für die Kartoffeln ist dort enorm hoch. Frost und Starkregen können die Vegetation stark schädigen. Auch in der Pfalz will man bereits die ersten Knollen in den Boden stecken. Wenn es keinen Winter mehr gibt, mag das Unterfangen ja auch gelingen. Gelingt es nicht, sind auch noch die knappen Pflanzkartoffeln vernichtet.
Joachim Tietjen
HANSA Terminhandel GmbH