Kartoffeln: Alterntiger Rohstoff in Belgien bald verbraucht
Qualitätsnot bei Lagerhaltern verhindert Preisanstieg
Seit Monaten laufen die Anlagen in den belgischen Fabriken aber auch an anderen Orten in Mitteleuropa auf Hochtouren. Zum Ende der Saison steigert sich das Verarbeitungstempo noch einmal, denn die Produktvorräte sind angeblich viel kleiner als in anderen Jahren. Die Verzögerung der neuen Ernte könnte die Verkäufer schon bald in Bedrängnis bringen, denn mit Beginn der Fußballweltmeisterschaft und dem bevorstehenden Sommer wird der Bedarf für Kartoffelprodukte seinen Saisonhöhepunkt erreichen. Dennoch hört man von den Verarbeitern, dass in der zurückliegenden Woche ein ausgeglichener Rohstoffmarkt vorherrschte.
Man versorgt sich neben der Vertragsware weiterhin mit dem freien Angebot. Sprach man zuvor noch davon, dass sich die Qualitäten erstaunlich gut präsentieren, so hörte man zuletzt immer häufiger von Zurückweisungen, weil der Rohstoff nicht mehr verarbeitungswürdig sei. Diesem Umstand ist wohl auch geschuldet, dass die Abgabebereitschaft groß ist, denn die Alterung der Kartoffeln schreitet bei steigenden Temperaturen schnell voran. Die Lagerhalter stehen oft vor der Wahl zwischen einem unbefriedigenden Gebot der Fabriken oder der Exporteure und dem nahenden Totalverlust ihrer Restbestände.
Nach den Verunsicherungen in der Vorwoche beim Export nach Russland, laufen die Lieferungen dorthin wieder besser. Der aktuelle Wertverlust des Euro gegenüber dem US Dollar oder dem Rubel beschleunigt den Außenhandel mit Kartoffeln und Kartoffelprodukten sogar noch. Unsere Gemeinschaftswährung notiert gegenüber dem US Dollar so tief wie zuletzt vor vier Jahren.
Die verbliebenen Vorräte aus einer großen Ernte in 2009 werden nach Expertenmeinungen schon in wenigen Tagen endgültig verwertet. Alleine in Belgien wurden nach letzten Zahlenkorrekturen belgischer Agrarverwaltungen im Vergleich zu 2008 350.000 Tonnen mehr Kartoffeln erzeugt und nun bereits sechs Wochen vor dem eigentlichen Saisonende frühzeitig verbraucht. Die Fabriken wollen vorher noch soviel wie möglich aus der eigenen alten Ernte nutzen und teilen dafür wieder Wochenendschichten ein. Höhere Preise muss man dabei aber gar nicht bieten, denn aus der Qualitätsnot heraus gibt es ein stetiges Angebot. Allerdings öffnet sich die Preisschere weiter. Für bessere Qualitäten steigt der Preis, während Partien in grenzwertiger Qualität noch einmal billiger bewertet wurden.
Landwirte vor Ort erhalten frachtfrei Fabrik in Belgien zwischen 8,0 und 9,5 €/dt. Gleichzeitig bezahlt man ab holländischen Verladestation schon heute 9,0 €/dt. Kalkuliert man hierauf Margen und Logistikkosten, kommt man schon auf 12 €/dt frei belgischer Fabrik. Dort hofft man darauf, dass die neue Ernte ab Mitte Juli zur Verfügung steht. Bis dahin dürfte sich die Spannung am Markt aber nicht mehr verbergen lassen. Einige Beobachter erwarten deshalb schon in Kürze den Ausbruch der Preise oder gar das Abschalten von Fabriken wegen fehlendem Rohstoffangebot. Bevor es dann zu Preisreaktionen kommt, muss die Verbrauchernachfrage aber noch steigen. Ohne diesen Druck wird niemand mehr ausgeben.
Ein ähnliches Bild, wenngleich auf einem wesentlich höheren Preislevel, finden wir im Speisekartoffelmarkt vor. Ein deutlich kleineres Angebot aus dem Süden Europas erzielt in Erwartung einer Nachfragesteigerung schon bis zu 60 €/dt und ein früher Einstieg in die neue heimische Ernte verhindert die Ausschöpfung der Ertragspotentiale. Bevor man über neue Kartoffeln verfügen kann, sind sie schon verkauft und es sind kaum noch Vorräte aus der alten Ernte vorhanden. Zurzeit greifen deutsche Packstationen wieder vermehrt auf französische Herkünfte zurück und müssen da-für steigende Preise in Kauf nehmen.
An der Börse wird dies alles noch mit einiger Gelassenheit verfolgt. Die Kurse auf dem April-11-Termin tendierten sogar wieder etwas schwächer, nachdem in der kommenden Woche auch in Holland Regen erwartet wird. Dort war es, wie in vielen Teilen Norddeutschlands bislang auch, viel zu trocken, was den Beständen aber noch keinen Schaden zugeführt hatte. Aber die Wasservorräte im Unterboden sind gering und die kalten Temperaturen haben die Bestandsentwicklung 2-3 Wochen verzögert. In der Folge gab es auch Auflaufprobleme, die zurzeit von Fachleuten systematisch erfasst und ausgewertet werden.
Joachim Tietjen
HANSA Terminhandel GmbH