Kartoffeln: Befürchtungen zur Haltbarkeit bestätigen sich
Die Preissicherung nicht vergessen
In Deutschland ist die Konsumkartoffelernte zu knapp 90 % eingelagert. Holländische Medien berichten, dass gut 50 % und in Belgien erst rund 20 % der spätreifen Sorten im Lager sind. Der aktuelle Bedarf wird wohl in den nächsten Wochen weiterhin durch frische Kartoffeln vom Feld bedient. Unterdessen bestätigen sich in den genannten Ländern die Befürchtungen, dass viele Partien wohl kaum für die Langzeitlagerung geeignet sind. Niedrige Unter-Wasser-Gewichte (UWG) und so genannte Treiber sowie eine späte Phytophtora-Infektion gefährden viele Bestände.
So unterschiedlich die Reaktion der Landwirte auf die Qualitätsherausforderungen ist, so unterschiedlich reagieren auch die Märkte. In Deutschland konnte in diesem Jahr die Einlagerung ohne Unterbrechungen und in einem sehr kurzen Zeitraum vorgenommen werden. Erfahrungsgemäß beginnt die Ernte in Holland viel später und dauert auch länger, weil deren meist spätreifen Sorten ihr Wachstumspotential noch voll ausschöpfen sollen. Aber auch dort geht es jetzt zügig voran, denn die Tage werden kürzer und auf den schweren Böden in den Poldern könnte ein starker Niederschlag kaum noch verdunsten. Die Belgier sehen das ähnlich, aber dort sind die Partien aufgrund von Durchwuchs so heterogen und gleichzeitig faulig, dass an eine baldige Einlagerung kaum zu denken ist. Man geht lieber das Risiko ein, die Flächen nicht mehr befahren zu können, als dass man im Lager einen Totalvelust erleidet.
Derart schwierige und gefährdete Partien werden vergleichsweise billig angeboten. Man nimmt lieber 10 €/dt sofort, als dass man das Lagerrisiko eingeht. Die an der Börse notierten 30 €/dt für Veredelungskartoffeln im April 2007 können sich nur diejenigen sichern, deren Kartoffeln im Frühjahr nächsten Jahres auch in entsprechender Spezifikation verfügbar ist. Aber selbst Landwirte in Deutschland und Holland, die ihre Ernte bereits eingelagert haben, zögern noch mit der Preissicherung, denn die vielen Meldungen über den Zusammenbruch von Lagerware könnte auch sie treffen. Falls sie davon verschont bleiben, so wird spekuliert, könnten derart hohe Preise wohlmöglich auch ohne Absicherung gezahlt werden.
Es ist schon außerordentlich, dass Belgien bei der Ernte zum Schlusslicht Europas werden könnte, schließlich werden dort in erster Linie als Frühkartoffelland angebaut. Die große Anzahl von Verarbeitern konnte stets auch im Winterzeitraum auf preiswerten belgischen Rohstoff hoffen. Davon profitiert sie zurzeit auch, denn die Bauern haben aus besagten Gründen wenig Neigung, Kartoffeln einzulagern, weshalb es auch noch in den nächsten Wochen viele billige Partien geben wird. Die Verarbeitungszahlen der holländischen Industrie zeigen an, dass die Fabriken die Situation nutzen: Während man im Juli aufgrund der hohen Frühkartoffelpreise mit 214.200 to (Vgl. zu 2005 –13%) recht wenig Rohstoff einsetzte, kehrte sich das Bild im August komplett um. Man produzierte gut 10 % mehr als im Vergleichsmonat in 2005. Auch im September ist die Verarbeitungsquote außerordentlich hoch, was einzig auf die Qualitätssituation zurückzuführen ist. Die knapp gefüllten Produktläger werden dennoch nur langsam voller, weil die Absortierungen glasiger Knollen extrem hoch sind.
Belgien war wegen seiner Infrastruktur und der Nähe zum Tiefseehafen in den Wintermonaten auch immer wieder gut für Exporte nach Osteuropa oder nach Russland. Die mäßigen Qualitäten meist sehr grob fallender Kartoffeln fanden dort stets dankbare Abnehmer. Wenn nun aber weniger Vorräte angelegt werden, muss das Kaufinteresse aus dem Ausland von anderer Stelle bedient werden. Holland, Deutschland und Frankreich fordern schon jetzt mindestens das Doppelte von dem was in Belgien bezahlt wird. Wann die Käufer aus dem Osten in diesem Jahr kommen und ob Sie die hohen Preise zahlen könne oder ob sie vielleicht z.B. in der Türkei oder an anderer Stelle fündig werden, kann den weiteren Marktverlauf in Europa mehr beeinflussen, als wir heute ahnen. Die Erfahrung zeigt, dass Preise von 30 €/dt die Phantasie der Käufer stark anregt und nach Alternativen suchen lässt. Es müssen ja nicht unbedingt Kartoffeln sein, wovon sich die Menschheit ernährt.
Noch gibt es allerdings ein normales Kaufverhalten: Die Werbeaktionen kommen zwar spät, laufen aber erstaunlich gut. Wenn die Anbieter sich jetzt allerdings so verhalten, als gäbe es schon bald keine Kartoffeln mehr, laufen sie Gefahr, dass sich der Pro-Kopf-Verbrauch noch viel weiter zurück entwickelt. Eine Verweigerungshaltung spielt nur den ausländischen Anbietern zu. In Frankreich z.B. ist die Ernte gut und die Partien sind homogener, als hierzulande.
Joachim Tietjen
HANSA Terminhandel GmbH Farven
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