Kartoffeln: Belgien auf der suche nach billigem Rohstoff
Taktische Spielchen
Im belgischen Handelsverband Belgapom herrscht offensichtlich große Unsicherheit über die weitere Marktentwicklung. Am Freitag der Vorwoche wurde die wöchentliche Notierung von 28,25 €/dt für 35 mm+ sortierten Frittenrohstoff zur Überraschung vieler Marktteilnehmer um 1,75 auf 26,50 €/dt zurückgesetzt. Das verursachte einen starken Preisrutsch an der Terminbörse in Hannover. Gestern wurde diese Preiskorrektur wieder zurückgenommen. Offensichtlich hat diese Maßnahme nicht zum erhofften Erfolg geführt. Das Angebot aus der Landwirtschaft wurde nicht größer sondern kleiner. In der Branche ist allgemein bekannt, dass gerade Belgiens Kartoffelverarbeiter noch einen hohen Zukaufbedarf an freier Ware haben.
Trotz der zuletzt ruhigen Nachfrage nach freiem Verarbeitungsrohstoff herrscht unter den Besitzern von unverkauften Kartoffeln noch immer eine positive Grundstimmung vor. Sie sind sich sicher, dass sie später noch besser verkaufen können. Schließlich sind gerade in Belgien, von wo im April und Mai regelmäßig viel freier Rohstoff exportiert wurde, in den letzten Jahren stets weitere Verarbeitungskapazitäten entstanden. Mittlerweile benötigen die dortigen Verarbeiter aber schon gut 2 Mio. Tonnen Kartoffeln als Rohstoff, den sie zu edlen Produkten verarbeiten und in alle Welt verladen. Das steht in einem krassen Unverhältnis zur eigenen Anbaufläche. An einen umfangreichen Rohstoffexport aus Belgien ist in dieser Saison ohnehin nicht zu denken, denn die Sommerhitze in 2006 hatte gerade dort den größten Schaden angerichtet. Nirgends in Europa waren die Ausfälle durch Glasigkeit und daraus resultierender Fäulnis so groß wie hier.
Bis zum Anschluss an die neue Ernte dürfte deshalb der Zukaufbedarf belgischer Verarbeiter noch enorm sein. Anders als in Holland und Deutschland haben die meisten belgischen Fabriken traditionell einen viel geringen Anteil von Festpreisverträgen in den Büchern. Während deutsche Verarbeiter meinen, aufgrund ihrer Festpreisverträge den Anschluss bis zur neuen Ernte übersehen zu können, hängt also die belgische Rohstoffversorgung viel mehr von den frei verfügbaren Kartoffeln ab. So waren es auch die Belgier, die bereits im Januar die teuersten Vertragspreise von bis zu 35 €/dt für April- und Mailieferungen abgeschlossen haben.
Die Preisschwäche im März ließ nun den Verdacht aufkommen, dass wohl doch genügend Kartoffeln verfügbar sind. Die Produktverkäufer sahen sich schon dem Vorwurf der Preistreiberei ausgesetzt, denn die hohen Pommespreise wurden mit einer Rohstoffknappheit begründet, die bisher nicht eingetreten ist. Insbesondere eine Schätzung von holländischen Lagerbeständen, worin ein Minus von „nur“ 17 % Lagervorräten dokumentiert wurde, verleitete zur Annahme, dass es genug Kartoffeln gibt.
Daraufhin brach die Verkaufszurückhaltung vieler Lagerhalter – insbesondere in Deutschland. Der Markt wurde fortan mit freier Ware so gut versorgt, dass die Preise unter Druck gerieten. In dieser Situation sicherten sich deutsche Verarbeiter weiteren Rohstoff für April- und Mailieferungen zu festen Preisen. In Deutschland sollen deshalb nur noch wenige freie Kartoffeln verfügbar sein. Dagegen spekulieren viele holländische Lagerhalter vielfach weiter.
Klimatisierte Langzeitläger gibt es dort auch mehr als hierzulande. Sie sehen beste Chancen nach Belgien auch zu höheren Preisen liefern zu können. In diesen Tagen beobachtet man den dortigen Markt deshalb ganz genau. Das Preisgeplänkel der letzten Wochen wird von vielen Holländern als taktisches Manöver bewertet. Es soll die Standhaftigkeit der Lagerhalter auf die Probe stellen. Da nun bei fallenden Preisen kein größeres Angebot kam, steigen die Preise wieder.
Das ganze spiegelt sich auch an der Terminbörse wider, schließlich ist die Belgapom-Notierung ein fester Bestandteil bei der Index-bildung an der RMX in Hannover. Da glücklicherweise auch noch vier andere Kommissionen melden, ist der Einfluss der Belgapom aber gering.
Die Preisrücknahme in der letzten Woche lenkte nun auch die Aufmerksamkeit osteuropäischer Einkäufer auf mitteleuropäischen Markt, deren Kaufinteresse stieg spontan an. Da der April und der Mai ohnehin die entscheidenden Exportmonate für Mitteleuropa sind, kommt dieser Impuls nun gerade recht. Sollten sich umfangreiche Geschäfte mit Osteuropa entwickeln, hat die Belgapom mit der Taktik ihren Mitgliedern einen Bärendienst erwiesen.
Joachim Tietjen
HANSA Terminhandel GmbH