Kartoffeln: EU-Kommission rechnet mit einem Ertragsrückgang von 6,6 %
Bintje und Co. entwickeln sich gut
Bis zu 100 Liter Regen im Kartoffelgürtel Nordwesteuropas kamen in den letzten Tagen für den späten Frittenrohstoff der Sorten Bintje, Felsina oder Agria gerade noch rechtzeitig. Proberodungen in den Hauptanbauregionen deuten darauf hin, dass in Benelux vielfach sogar die hohen Hektarerträge des Vorjahres erreicht werden können.
Die spätreifen Sorten in den niederländischen Poldern weisen zu Beginn der 32. Kalenderwoche einen Ertrag von gut 47 Tonnen/ha aus, was ungefähr 12 % über dem dortigen 10-Jahres-Mittel liegt. In einer Woche wuchsen knapp 5 Tonnen/ha hinzu. Der Anteil der 50 mm+ Knollen liegt aktuell bei rekordverdächtigen 65 % (Vj. 56,8%). Die letzten Tests wurden im Vorjahr in der 37. KW durchgeführt und brachten es auf 65 t/ha.
Die belgische Fiwap erklärte ebenfalls zu Beginn der Woche, dass in Wallonien und Flandern bisher durchschnittlich 32 t/ha herangewachsen seien. Dort liegt man zum Stichtag noch 6 t/ha hinter dem Vorjahresvergleich zurück. Um das letztjährige Endergebnis mit durchschnittlich 47 t/ha zu erreichen, müssen noch 15 t/ha hinzukommen. Aufgrund der hohen Knollenzahl pro Staude ist das Potentail durchaus gegeben. Da allerdings viele Flächen bereits jetzt in die Abreife gehen, glaubt aber eigentlich keiner mehr daran.
In Deutschland gibt es noch keine systematischen Auswertungen der Proberodungen. Einzelbeobachtungen zeigen aber, dass vielfach eine unterdurchschnittliche Knollenzahl mit zu vielen Übergrößen herangewachsen ist. Die Erträge bei den späteren Sorten sind im Allgemeinen durchschnittlich gut. Nun geht es darum, alles für den Qualitätserhalt zu tun. Die starken Niederschläge der letzten Tage haben vielfach die Dämme abgespült und Knollen freigelegt. Es kommt bereits jetzt immer häufiger zu erhöhten Verleseabgängen, die die netto verfügbare Menge empfindlich schmälern.
Anders als in Holland, Belgien und Frankreich sind in der östlichen EU von der Mitte Deutschlands an die Ertragserwartungen meist deutlich niedriger. Dabei war Polen wohl am stärksten von der frühsommerlichen Trockenheit und der anschließenden Hitzeperiode betroffen. Die dort sehr früh gemeldete offizielle Ernteschätzung von 10,6 Mio. Tonnen (Vj. 11,22 Mio. Ton-nen) wird deshalb wohl nach unten revidiert werden müssen.
Das besagt zumindest die Prognose der EU-Kommission, der „Crop-Yield-Forcast“, die am Donnerstag in Brüssel der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Insbesondere in Polen, aber auch in Deutschland, Griechenland, Rumänien, Estland und Finnland werden in diesem Jahr weniger Kar-toffeln geerntet, so die EU-Prognose. Der durchschnittliche Hektarertrag in der gesamten EU wird danach mit 26,5 t/ha 1,1 % unter dem Fünf-Jahres-Mittel oder 6,6 % unter dem Ergebnis des Vorjahres liegen. Berücksichtigt man die reduzierte Anbaufläche, errechnet sich für dieses Jahr die bisher kleinste Kartoffelernte der EU (27) von 56,5 Mio. Tonnen. Dieser Wert liegt sogar noch knapp unter der Erntemenge vom Hochpreisjahr 2006.
Die von der EU angewendete Erhebungsmethode unterscheidet sich wesentlich von den klassischen Proberodungen, von denen vorher die Rede war. Sie basiert nämlich vielmehr auf der integrierten Nutzung statistischer Analysen, Pflanzenwachstumssimulationsmodellen sowie auf Klimabeobachtungen, die mit Hilfe Fernerkundungssystemen (Satelliten) gewonnenen wurden. Sie wurde unter der Annahme erstellt, dass während des Rests der Saison keine weiteren Extremereignisse mehr auftreten, die Auswirkungen auf die Kultur haben. Die Vorhersagedaten stammen vom 05.08.08 und basieren auf Erkenntnissen vom 31.07.08.
Für die weitere Marktentwicklung wird also von großer Bedeutung sein, wie sich die starken Regenfälle der letzten Tage oder mögliche andere Wetterereignisse auf den Ertrag und die Qualität der Kartoffelbestände, bzw. die später eingelagerten Kartoffeln auswirken werden. In britischen als auch in holländischen Kommentaren wird seit einigen Tagen sowohl von deutlichen Ertragssteigerungen, als auch von zunehmenden Qualitätsbedenken berichtet. In den ersten Beständen wurden Erwinia und Nassfäule entdeckt. Es gibt sogar lokale Schäden durch Überflutungen, schreibt die Firma Weuthen unter Markt-News auf seiner Website http://www.weuthen-gmbh.de.
Bei sehr extrem unterschiedlichen Ertragserwartungen und einer reduzierten Anbaufläche wird der Rohstoff Kartoffeln in diesem Jahr nach Berechnungen der Brüsseler Kommission wieder einmal nur knapp ausreichen. Wir müssen uns also erneut auf hohe Preisschwankungen einstellen.
Joachim Tietjen
HANSA Terminhandel GmbH