Kartoffeln: Hollands Vorräte 33 % kleiner als im Vorjahr
Das Ergebnis der BAI zur Bestandsschätzung in Holland bestätigt die knappe Marktversorgung mit Kartoffeln aus der Ernte 2006. Eine repräsentative Umfrage unter den 396 maßgeblichsten Lagerhaltern ergab, dass zum Stichtag 15. April insgesamt nur noch 0,6 Mio. Tonnen Konsumkartoffeln in den Scheunen der niederländischen Erzeugerstufe lagerten. Im Vergleich zum Vorjahr sind das 33% weniger. Davon waren allerdings bereits 0,4 Mio. Tonnen bereits verkauft, nur noch 0,2 Mio. Tonnen sind frei verfügbar. Das ist gegenüber dem gleichen Stichtag im Vorjahr sogar ein Minus von 44%.
Diese Meldung löste am Markt jedoch kaum eine Reaktion aus. Bauern mit freier Ware fühlen sich in ihrem Verhalten bestärkt und pokern weiter um höhere Preise, andere bekommen zunehmend Probleme mit dem Qualitätserhalt. Die sommerlichen Temperaturen der letzten Tage zwingen dazu, einmal geöffnete klimatisierte Scheunen komplett zu räumen, Restpartien würden zu schnell verderben und die ausgehandelten Preise würden durch erhöhten Sortierabgang und Beanstandungen relativiert. Deshalb waren die Verhandlungen zuletzt nicht einfacher geworden. Die Einkäufer müssen sich entscheiden, denn der Landwirt liefert entweder alles oder nichts.
Aufgrund der vielen Feiertage im Mai benötigen die Fabriken jedoch relativ wenig Rohstoff. Man greift vorrangig auf Festpreisverträge zurück, der Handel mit freier Ware ist aus diesem Grunde in den letzten Tagen fast zum Erliegen gekommen. Allerdings kommen immer wieder Restpartien an den Markt, die ausreichen würden, das Preisniveau unter Druck zu setzen. Die meisten Marktbeteiligten inklusive der großen Verarbeiter sind allerdings nicht an einem Preisdruck interessiert. Viele Einkäufer haben nämlich im Laufe der letzten Monate für Liefertermin April/Mai auf einem höheren Niveau eingekauft und würden mit nun fallenden Preisen in Erklärungsnot kommen. Fallende Preise hätten außerdem eine negative Signalwirkung auf Produktpreise. Bis zum Ausverkauf der alten Ernte dürfte sich an der Preisfront deshalb nicht mehr viel tun. Restliche Partien werden nun ausschließlich individuell ausgehandelt.
In wenigen Wochen kann die Industrie bereits Rohstoff aus der neuen Ernte einsetzen. Ab Mitte Mai wird nämlich aus Spanien geliefert und auch die Pfalz kann Ende Mai schon mit erstem Rohstoff für die Chipsindustrie aufwarten. Das Preisniveau für diese Herkünfte wird allerdings weit über dem liegen, was derzeit für heimischen Rohstoff angelegt werden muss. Der erhöhte Schälabfall rechtfertigt aber den Unterschied und so dürften die Offerten neuer Kartoffeln auch sehr schnell vom Markt absorbiert werden.
Die Umstellung von „Alt auf Neu“ ist in den letzten Tagen nun auch bei den Frischkartoffeln für den LEH erfolgt. Französische Herkünfte gibt es kaum noch und wurden zuletzt auch nicht mehr wirklich gewünscht, denn die Packer beklagten einen rasanten Qualitätseinbruch. Von dieser Entwicklung konnten nun endlich die Importeure ägyptischer und israelischer Kartoffeln profitieren. Zuvor sah man sich bereits genötigt, mit Preiszugeständnissen zu werben, nun aber steigen die Forderungen wieder, nachdem es derzeit kaum Alternativen für den LEH gibt. Bei einem täglichen Bedarf von 3.700 Tonnen Speisekartoffeln der deutschen privaten Haushalte wird die verfügbare Menge rasch abgerufen. Dann ist es allerdings mit der Ruhe am Kartoffelmarkt vorbei, denn die folgenden Lieferanten aus Spanien und im Anschluss auch deutsche Lieferregionen liefern nur erntefrische Ware. Rohstoffvorräte gibt es dann bis zum Herbst nur noch auf dem Acker.
Man muss also im weiteren Verlauf das Wetter sehr genau beobachten, davon hängt nämlich die Verfügbarkeit von Kartoffeln ab. Zum einen müssen die Knollen vermarktungsfertig sein, um sie überhaupt anbieten zu können. Spanien steht unmittelbar vor dem Saisonstart und auch die Pfalz möchte bereits Ende Mai beginnen. Zum anderen muss aber das Wetter bei der Ernte auch mitspielen. Regen kann zu Verzögerungen führen, aber genauso kann anhaltende Trockenheit zu Ertragsdepressionen führen, die die Landwirte mit längeren Vegetationszeiten versuchen werden, zu kompensieren. Letztendlich müssen dann die Preisanreize so attraktiv gestaltet werden, dass die Ware trotzdem fließt.
Fachleute befürchten bereits heute, dass es wegen dem außerordentlich trockenen Frühjahr erneut Auswirkungen auf den Kartoffelertrag geben wird. Außerdem, und das geht aus dem BAI-Bericht dieser Woche hervor, wird es wohl wiederum eine Einschränkung der Anbauflächen in Holland von bis zu drei Prozent geben. Die April-08-Notierungen an der Terminbörse in Hannover haben bereits zum Höhenflug angesetzt.
Joachim Tietjen
HANSA Terminhandel GmbH