Kartoffeln: Kartoffelbauern zunehmend genervt

Notierungskommissionen sollen Arbeit früher aufnehmen, der Markt sucht Orientierung

Die Haupternte hat gerade begonnen und schon muss sie wieder abgebrochen werden. Selbst auf einigen Sandstandorten behindert Staunässe den Fortgang der Ernte. Außerdem entsprechen die Preise längst nicht den Erwartungen der Erzeugerstufe. Bei einem Auszahlungspreis von 16 €/dt für gute Speisekartoffeln und dem schon fast obligatorischen 20 % Qualitätsabzug kommen noch nicht einmal 13 €/dt bei den Bauern an. Frittenrohstoff kostet zum Teil noch weniger. Wegen der deutlich kleineren Ernte sind die Erlöse gerade noch kostendeckend, angesichts hoher Preiserwartungen im Winter ist die Bereitschaft, Kartoffeln einzulagern sehr groß.

Dafür muss aber das Wetter besser werden. Bei derart nassen Böden, entstehen schnell weitere Ernteverluste. Diese werden in den Niederlanden bereits mit fünf Prozent beziffert. Als wäre die Gesamternte nicht schon klein genug.

Die deutsche Gesamternte wurde nun mit 9,5 Mio. Tonnen festgestellt. Damit liegt die offizielle Zahl noch unter den bisherigen Schätzungen und selbst unter der Erntemenge im Jahr 2006. Damals kostete der Frittenrohstoff zeitweilig bis zu 30 €/dt. Dieses Ziel vor Augen, wollen die Bauern ihre Ernte so schonend wie möglich bergen, aber nahezu alle Partien haben Haltbarkeitsprobleme. Viele Knollen sind bereits infiziert und weisen Fäule auf. Der allgemein niedrige Stärkegehalt ist ein Indiz dafür, dass es mit der Haltbarkeit ohnehin nicht weit her ist. Per heute sollen 20 bis 40 % der deutschen Spätkartoffeln geborgen sein.

Die LEH-Werbeaktionen haben die Nachfrage nach frischen Speisekartoffeln kaum belebt. Der günstige Abgabepreis reizt die Verbraucher nur wenig. Kartoffeln werden immer häufiger wie Gemüse gesehen und dabei kommt es auf einen Euro/kg mehr oder weniger kaum noch an. In Fachkreisen wird es schon als Erfolg gewertet, wenn der Verbrauch konstant bleibt; mit weiterem Konsumrückgang muss aber gerechnet werden. Dagegen baut die deutsche Kartoffelwirtschaft ständig den Export sowohl von frischen Speise- und Saatkartoffeln als auch den Absatz von Kartoffelprodukten aus. Im letzten Wirtschaftsjahr exportierte Deutschland bereits 5,2 Mio. Tonnen Rohstoffäquivalent. Der Export dürfte auch in diesem Wirtschaftsjahr die Absatzschiene sein, die die entscheidenden Impulse für den Markt liefert.

Den größten Teil der deutschen Exporte bestreitet so auch die Kartoffeln verarbeitende Industrie. Dieser Eindruck mag zurzeit durch die vielen Anfragen osteuropäischer Kunden überdeckt werden, die bereits bis weit ins nächste Frühjahr hinein mehr als 20 €/dt für frische Kartoffeln bieten, womit eine Unterkante bei den Preisen markiert ist.

Die enorme Nachfrage der Kartoffeln verarbeitenden Industrie zieht also den größten Teil des Rohstoffs an sich und wird damit wieder die Leitfunktion bei der Preisfindung übernehmen. Im europäischen Kartoffelgürtel spielen vier Länder die Hauptrolle: Das sind die Niederlande, Belgien, der Nordosten Frankreichs und der Nordwesten Deutschlands. Folgerichtig bilden auch die Kassapreise in dieser Region den Leitmarkt für alle anderen Regionen Europas. Das hat sich auch die Börse in Frankfurt zunutze gemacht, denn sie hat einen Index entwickelt, der aus den bedeutendsten Kassapreisen dieser vier Nationen oder Regionen gespeist wird. Das ist auch der Abrechnungspreis der Terminkontrakte.

Auffällig ist, dass seitdem diese vier Notierungen in den Eurex-Kartoffelindex einfließen, die gegenseitige Beobachtung der Notierungskommissionen dazu geführt hat, dass Ausreißer bei den Meldungen schnell als unhaltbar entlarvt wurden. Aber nicht alle Notierungen stehen rund ums Jahr zur Verfügung. Die meisten Kommissionen starten ihre Arbeit erst mit Vermarktungsbeginn der Haupternte. Ausnahme Belgien: die Belgapom notiert bereits seit der Frühkartoffelvermarktung und geht dann lückenlos in die Bintje-Saison über.

Da die Belgapom zurzeit alleine die Leitmarktfunktion übernimmt, kommt ihr eine Bedeutung für die Preisfindung in ganz Zentraleuropa zu. Einige Beobachter kritisieren diese vorübergehende Übermacht und fordern die anderen Kommissionen auf, ihre Arbeit früher aufzunehmen. Aktueller Anlass: Die Belgapom hatte ihre Notierung gestern auf 11 €/dt stehen lassen, obwohl im Kassamarkt auch bis zu 15 €/dt bezahlt wurden. Das wäre wohl kaum passiert, wenn z.B. Frankreich, Deutschland oder die Niederlande bereits ebenfalls Preise veröffentlicht hätten.

Nachdem die deutsche Ernte nun offiziell mit nur 9,5 Mio. Tonnen festgestellt ist, haben sich die Börsennotierungen wieder in Richtung 25 €/dt bewegt. Das Wochenplus liegt bei immerhin 1,2 €/dt. Dass die Kurse nicht noch höher steigen, wird mit der disziplinierenden Wirkung des Index bzw. seiner einzelnen Komponenten begründet.

Joachim Tietjen
HANSA Terminhandel GmbH

Geschrieben von HANSA Terminhandel am
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