Kartoffeln: Mitteleuropa pflanzt bei optimalen Bedingungen
Spekulanten zahlen gewinnträchtige Preise
Noch bis zum Ende der kommenden Woche wird das außerordentlich sonnige und trockene Wetter anhalten, so die Wetterdienste. In dieser Zeit werden die Kartoffelbauern hierzulande und auch in den anderen maßgeblichen Anbauregionen der EU die Pflanzarbeiten abgeschlossen haben. Es spricht also vieles dafür, dass bereits Mitte April nahezu alle Kartoffeläcker in Mitteleuropa bestellt sein werden. So optimale Startbedingungen gab es selten.
Mittlerweile sind auch die schweren Böden in den Poldern Hollands oder in der Magdeburger Börde so weit abgetrocknet, dass nun auch dort beste Bodenstrukturen vorgefunden werden. Sandige Böden waren ohnehin schon seit längerer Zeit trocken genug. Die intensive Sonneneinstrahlung sorgte zudem für eine rasche Erwärmung der Böden. Aus heutiger Sicht spricht also vieles dafür, dass nicht nur frühe Sorten, sondern auch die Anschlussorten und sogar Lagerkartoffeln genügend Zeit für die Vegetation haben werden, um gute Erträge hervorzubringen.
Das vorherrschende trockene Wetter lässt darüber hinaus noch keine weiteren Rückschlüsse auf den Vegetationsverlauf bei Kartoffeln zu. Spekulationen sind erlaubt, entbehren zurzeit aber noch jeglicher Grundlage. Die Mutterknollen haben für die Keimung genügend Saft und Kraft und können sich zunächst selber versorgen. Für die Wurzelbildung reicht anfänglich auch wenig Bodenfeuchte. Unter trockenen Bodenverhältnissen dringen die Wurzeln zudem in tiefere Bodenschichten vor und schützen sich damit gegen anhaltende Trockenheit. Außerdem besitzen zumindest in Deutschland die meisten Kartoffelbauern bereits Beregnungsanlagen, wofür nach dem nassen Winter gut aufgefüllte Grundwasserbestände zur Verfügung stehen.
Trotzdem entwickeln sich in diesen Tagen bereits erste Wetterphantasien, wie die Spekulationen an den Terminbörsen zeigen. An der RMX in Hannover schossen die April-08-Notierungen für Veredelungskartoffeln in der zurückliegenden Woche von 13 auf 15 Euro €/dt hoch. Immerhin gut 15% binnen fünf Tagen. Die Preisrally im letzten Jahr Ende Juni ist den Anlegern noch frisch in Erinnerung. Und so füllt der Spekulant sein Portfolio schon jetzt mit Kaufpositionen auf und hofft, an weiter steigenden Preisen zu profitieren. Die aktuelle Klimadebatte heizt die Gemüter genauso an, wie das vorherrschende sommerliche Wetter. Auf diesem Preisniveau dürften die großen Kartoffelverarbeiter jedoch wohl kaum damit beginnen, sich gegen steigende Preise abzusichern, denn sie bieten ihren Vertragspartnern derzeit immer noch Forwards an, die rund fünf Euro/dt billiger sind, als die Börse notiert.
Die Landwirte bleiben trotz allen Enthusiasmus mit ihrem Börsenengagement noch ganz ruhig. Sie sicherten sich die hohen Preise bislang nur für eine Teilmenge ihrer erwarteten Erntemenge. Schließlich hat sich im letzten Jahr das Abwarten auch gelohnt. Es gab zeitweilig Notierungen von mehr als 40 €/dt; soviel wie in dieser Saison bisher noch nicht bezahlt wurde. Spekulativ überzogene Preise sind an der Terminbörse indes nichts Außergewöhnliches. Und die Erfahrung zeigt: wer seine Verkaufspositionen vor einer Rally eingenommen hatte, musste lange Zeit große Mengen an Bargeld vorhalten, bis entweder die Börsenkurse wieder fielen oder die teuren Kartoffeln bezahlt wurden.
Fest steht allerdings auch, dass die vermeintlich kleine Ernte aus dem Jahr 2006 bis heute noch ausreicht und Trockenheit nicht wirklich das Thema war. Die Schäden an den Kartoffeln, die die Preise zum Steigen brachten, entstanden vielmehr erst in der Julihitze. Ob wir aber im kommenden Sommer wieder derart hohe Temperaturen bekommen und auch alle anderen Umstände so verquer laufen wie im Vorjahr, wird sich erst im Hochsommer oder später herausstellen.
Man darf gespannt sein, wohin die Spekulanten die Börsenkurse diesmal treiben werden. Kommt bereits beim ersten Regen der nächste Kurseinbruch oder steigen die Notierungen bereits jetzt weiter? An der Börse ist alles möglich bzw. nichts auszuschließen. Die Fachleute sollten aber ihre Chancen begreifen, nämlich dass hier die Anleger bereit sind, den Bauern auch Gewinne auszuzahlen. Die Verarbeiter hingegen können ihren Lieferanten bisher nur Preise bieten, die gerade mal die Kosten der Produktion abdecken. Trotzdem haben viele Landwirte derartige Verträge abgeschlossen – für eine gute Vertragspartnerschaft verzichten sie auf den Gewinn. Ich frage mich, wie lange noch?
Joachim Tietjen
HANSA Terminhandel GmbH