Kartoffeln: Nasskaltes Wetter verzögert Auspflanzungen
Neuer Frittenrohstoff erst im Juli
Der späte Winter unterbricht in Mitteleuropa die Auspflanzungen von Kartoffeln. In allen Frühkartoffelregionen wurden zwar schon zeitig Speisekartoffeln unter Folie gepflanzt, für die Aussaat von Verarbeitungsrohstoff war allerdings noch kein geeignetes Wetter. Nach den vielen Regenfällen der letzten Tage kann frühestens Anfang April wieder gepflanzt werden.
Die Verarbeiter sind mit Kartoffeln aus der letzten Ernte nur bis Ende Juni versorgt. Um eine lückenlose Rohstoffversorgung mit Frühkartoffeln sicherzustellen, müssten deren Auspflanzungen Ende März abgeschlossen sein. Bisher hat der deutsche Niederrhein allerdings noch gar nicht damit begonnen. Auch in Belgien, dem zweitwichtigsten Produzenten für frühen Verarbeitungsrohstoff in Europa, ist man nur wenig weiter. In den nächsten 100 Tagen benötigen wir ununterbrochen optimale Wachstumsbedingungen, um noch fristgerecht genügend große Knollen mit ausreichend Stärke zu ernten. Da das wenig realistisch scheint, haben die Verarbeiter bereits damit begonnen, ihre Produktvorräte aufzustocken. Nun ist auch das Interesse an vertragsfreiem Rohstoff der letzten Ernte erstmals seit Wochen angestiegen. Gleichzeitig versucht man den per Vorvertrag gesicherten Rohstoff auf spätere Abnahmetermine zu verschieben. In Holland sind einige Käufer sogar bereit, dafür das damit einhergehende Qualitätsrisiko zu übernehmen.
Sollten sich die Pflanzarbeiten noch weiter in den April verschieben, könnten die Maßnahmen zur Rohstoffsicherung sogar Auswirkungen auf die kurzfristige Preisentwicklung haben. An der Terminbörse notiert der Juni-08-Kontrakt auf Veredelungskartoffeln wieder um die 10 €/dt. Zuletzt hatten sich die Kassapreise bereits stabilisiert; der RMX-Frittenindex blieb bei 7 €/dt ebenfalls stabil. Absortierungen und geweigerte Speisekartoffeln, sowie unverkäufliche Pflanzkartoffeln ergänzen das Angebot für die Herstellung von Granulaten. Die Kartoffelverarbeiter nutzen den preiswerten Rohstoff, um die Vorräte aufzustocken.
Auf diese Weise verschwinden hierzulande die Überhänge, wegen derer noch vor kurzem noch ein Preisverfall befürchtet wurde. Wie groß diese tatsächlich sind ist schwer zu schätzen, denn Konsumkartoffeln aus konventioneller Lagerung werden zurzeit an mehreren Stellen gleichzeitig angeboten, sodass der Eindruck eines Überangebots entsteht. Daneben sind Knollen mit bester Qualität weiterhin knapp sind. Die Preisschere geht immer weiter auf. Qualitativ hochwertige Rohstoffe für die Fritten- oder Chipsproduktion können allerdings nur bedingt aus Überhängen anderer Verwertungsrichtungen bezogen werden.
Die Fabriken sind also auf geeignete Vorräte angewiesen, die eigens als Rohstoff für Kartoffelprodukte erzeugt wurden. Wie groß die Produktbestände der Verarbeiter sind, gehört zu den großen Geheimnissen der Branche. Der Absatz von Kartoffelprodukten auf dem Weltmarkt ist trotz des teuren Euros seit Monaten schon ausgezeichnet. Der Bestandsaufbau in den Tiefküllägern kam in diesem Frühjahr nur schleppend voran, obwohl immer wieder Sonderschichten eingelegt wurden. Kommt es allerdings zu weiteren nennenswerten Verzögerungen bei der Frühjahrsbestellung durch Kälte, Nässe und Unbefahrbarkeit der Böden, dürften selbst volle Kühlhallen kaum ausreichen, um eine Versorgungsengpass im Frühsommer zu überbrücken.
Die großen fünf europäischen Kartoffelnationen (NL, B, F, GB und D) benötigen rund ums Jahr jede Woche 220.000 Tonnen Rohware in ihren eigenen Fabriken. Da die Ausbeute am Ende der Saison abnimmt, müssen die Produktläger jetzt aufgefüllt werden. Den Verarbeitern kommt entgegen, dass freier Rohstoff derzeit preiswerter ist als die vertragsgebundene Ware. Für die auf spätere Termine geschobenen Vertragskartoffeln müssen die Verarbeiter zwar Lagergelder zahlen, diese sind aber besser zu kalkulieren, als ein möglicher Preissprung beim freiem Rohstoff.
Da die Rohstoffversorgung in diesem Jahr bislang als reichlich eingeschätzt wurde, haben Landwirte jede Absatzchance genutzt. Spekulativ zurückgehaltene Kartoffeln wie im Vorjahr gibt es wohl kaum. Die jüngste Entwicklung kommt also für alle Beteiligten recht überraschend und niemand ist auf eine Verknappung der Rohstoffe vorbereitet. Ganz im Gegenteil: Allem Anschein nach wird die Anbaufläche insbesondere von frühem Verarbeitungsrohstoff sogar signifikant eingeschränkt. Die Frühkartoffel-Erzeugerpreise waren im letzten Jahr zu schlecht und es gibt genügend gute Anbaualternativen.
Jeder Tag im April, an dem nicht gepflanzt werden kann, verursacht also in Mitteleuropa einen zusätzlichen Eigenbedarf von knapp 40.000 Tonnen geeigneten Rohstoffs aus der alten Ernte. Bei anhaltend schlechtem Wetter muss man damit möglicherweise bald wirtschaftlicher umgehen.
Joachim Tietjen
HANSA Terminhandel GmbH
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