Kartoffeln: Preise vorerst stabil
Verarbeiter sichern Rohstoff fürs Frühjahr
Nach einer ersten Preissteigerung von durchschnittlich 70 Cent/dt stagnieren nun die Kassapreise für Veredelungskartoffeln. In Belgien notierten die Verarbeiter gestern auf unveränderten 14 €/dt, die französische SNM gab sogar geringfügig nach. Der Eurex-Index wird in der kommenden Woche deshalb wohl kaum noch anziehen, sodass die verbliebenen offenen Positionen im November-10-Kontrakt nach dem letzten Handelstag am 25.11. mit gut 16 €/dt abgerechnet werden.
Die Verarbeiter hierzulande verfügen immer noch über umfangreiche Lieferungen aus der Landwirtschaft. Vom Feld kommen nur noch wenige Mengen, obwohl in Holland und Belgien noch 4 bis 5 % der Haupternte im Boden sein soll. Experten glauben aber, dass der Großteil davon noch geborgen wird. Da diese Partien aber unmittelbar verarbeitet werden müssen, sind die zu erwartenden Erlöse gering, was einem allgemeinen Preisanstieg vorerst entgegenwirkt.
Viel mehr drängen aber die qualitativ bedenklichen Partien aus den Scheunen vieler Landwirte in Mittel- und Osteuropa. Als Ursache für den Qualitätsverlust vermutet man den letzten Wachstumsschub kurz vor der Ernte. Insbesondere Kartoffeln von unberegneten Flächen waren zum Rodezeitpunkt nicht reif und die Schale blieb so dünn wie bei Frühkartoffeln. Die mengenmäßig bedeutendsten Sorten Bintje und Agria bereiten mal wieder die größten Sorgen. Diese Problempartien werden von den Verarbeitern zurzeit zügig aufgenommen. Die Ausbeute ist aber zum Teil so schlecht, dass es trotz der knappen Versorgungslage immer wieder zu Zurückweisungen kommt.
Bereits bei der Aufbereitung auf den Höfen müssen 5 bis 10 % der Mengen aussortiert werden, die dann, anders als in anderen Jahren, nicht an die Trockenindustrie geliefert wird, sondern eher auf dem Acker entsorgt werden müssen. So weit ist die Fäulnis bereits fortgeschritten. Aus diesem Beispiel wird deutlich, worin die Brisanz in diesem Jahr liegt. In Frankreich, Holland und Belgien gab es bei Konsumkartoffeln nämlich fast normale Erntemengen. Die in der Statistik ausgewiesenen Mindermengen resultieren in erster Linie aus den Einschränkungen in Stärkekartoffelproduktion. Erst die Verluste, die jetzt im Lager oder in der Fläche entstehen mindern die Verfügbarkeit im Konsumsektor. Dass die Absortierungen meist gar nicht mehr industriell verwendet werden können vergrößert die Probleme der Trockenindustrie umso mehr.
Während die Verarbeiter also vorerst Sonderschichten fahren müssen, um den knappen Rohstoff bestmöglich zu nutzen und somit auch sehr preiswert einkaufen zu können, entwickelt sich der Exportmarkt besser und besser und nimmt schon seit Wochen trockene und abgelagerte Kartoffeln für den Versand nach Süd- und Osteuropa auf.
Dafür werden Spitzenpreise bezahlt. Es bildet sich dort also ein komplett anders Preisgefüge. Während in Belgien noch immer 14 €/dt für vorgenannte Problempartien erlöst werden, bezahlt man für beste Exportqualitäten schon weit über 20 €/dt. Diese Entwicklung kann sich in den nächsten Wochen sogar noch verschärfen, denn durch die verbesserte Markttransparenz ist mittlerweile jedem Lagerhalter bewusst wie er seine Vorräte einzuschätzen hat. Vermutlich sind 2/3 aller Lagerkartoffeln so gut, dass sie für den Export geeignet wären. Umgekehrt heißt das, dass nachdem 1/3 aller Lagerkartoffeln vermarktet sind, die Preise signifikant steigen dürften. Vorher nicht!
Allerdings, wenn die Verarbeiter nicht nur Problempartien verarbeiten wollen und nicht tatenlos zusehen wollen, wie der bessere Rohstoff ins Ausland verkauft wird, müssen sie schon bald Vorsorge treffen und sich durch Vorkäufe entsprechende Mengen sichern. Vereinzelt passiert das bereits. So war zu hören, dass niederländische Verarbeiter für die Sorten Fontane und Agria für Lieferungen März-Mai 2011 bereits 21 bis 22 €/dt bieten. Für freie Bintje zur Verarbeitung noch in diesem Jahr erhalten die Anbieter allerdings kaum ein Gebot.
Mit dem Auslaufen des November-Kontrakts an der Eurex in Frankfurt verbleibt nun allerdings nur noch der April-Future zur Preisabsicherung sofern man nicht schon sofort eine feste Lieferverpflichtung mit Festpreisen eingehen will. An der Börse liegen die Preise leicht über den Geboten für die genannten Vorwärtskontrakte. Verglichen mit dem letzten Hochpreisjahr 2006/07 hält sich die Fantasie in diesem Jahr in sehr engen Grenzen. Allerdings lässt der Kontraktbestand darauf schließen, dass die Kartoffelverarbeiter den Nutzen der Börse erkannt haben und immer mehr mitmischen. Die transparente Berechnung des Index mit einer realistischen Widergabe der Marktverhältnisse trägt zur Vertrauensbildung bei.
Joachim Tietjen
HANSA Terminhandel GmbH