Kartoffeln: Riesige Exportpotentiale bleiben ungenutzt

90 % der Ausfuhren der deutschen Lebensmittelindustrie werden an die direkten Nachbarländer geliefert und verbleiben also in der EU, stellt die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) in einer Studie fest, die in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde. Lediglich vier Prozent der Produkte gelangen in die Boomregionen Asiens. Dort schlummerten aber die größten Wachstumschancen kritisiert Gerd Bovensiepen, Leiter des PwC-Industriebereichs Handel und Konsumgüter, das mangelnde Engagement der deutschen Ernährungsindustrie.

Dabei gibt es ein vielfältiges Angebot der staatlichen Außenhandelsförderung vom Bundesministerium Ernährung Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), die die Erschließung neuer Auslandsmärkte zum Ziel hat. Diese Förderung sei der Industrie allerdings zu wenig bekannt und wird deshalb nur selten in Anspruch genommen. Die meisten mittelständischen Unternehmen (70 %) nutzen stattdessen die CMA Exportberatung. 75 % von ihnen trauen sich allerdings nicht über West-, Mittel- und Südeuropa hinaus. Man folgt dabei in der Regel den Urlauberströmen der eigenen Landsleute. Dabei ist festzustellen, dass sich besonders die modernen Asiaten den westlichen Verzehrgewohnheiten schnell anpassen. Dort schlummert ein sehr großes Marktpotential für die deutsche Lebensmittelindustrie, denn während der Absatz unserer Ernährungsprodukte dorthin um jährlich sechs Prozent stieg und nun 21% der Gesamtproduktion ausmacht, konnte der Maschinen- und Anlagenbau seine Exportquote bereits auf 74% steigern.

Trotzdem muss man der deutschen Nahrungsmittelindustrie bescheinigen, dass sie sich auf dem Weltmarkt für Lebensmittel vergleichsweise gut behauptet. Immerhin ist Deutschland bei Lebensmitteln Exportweltmeister. Die Entwicklung der niedersächsischen Agrarwirtschaft liest sich zum Beispiel wie eine Erfolgsgeschichte: So stellte der BVA-Präsident (Bundesverband Agrar) Bruo Fehse in einem Pressegespräch am vergangenen Donnerstag in Algermissen fest, dass die gesamte Wertschöpfungskette Agrar inklusive aller Vor- und Nachgelagerten Bereiche in diesem Jahr erstmals die Automobilbranche vom ersten Platz verdrängt habe.

Einen nicht ganz unwichtigen Teil dieses Erfolges kann auch die niedersächsische Kartoffelwirtschaft für sich in Anspruch nehmen, werden hier doch rund 50 % aller in Deutschland produzierten Kartoffeln erzeugt. Der Absatz von Kartoffelprodukten wie Pommes-Frites, Granulaten und Chips läuft seit Jahren schon auf Hochtouren. Die verfügbaren Verarbeitungskapazitäten werden derzeit nahezu zu vollständig ausgelastet und Experten erwarten keinen Produktionsstillstand bis zum Ende der Vermarktungssaison.

Um die aktuelle Erfolgsserie nicht abreißen zu lassen und darüber hinaus weitere Marktchancen zu erschließen, benötigt man eine konstante Kartoffelanbaufläche bei stabilen Erträgen. Die Industrie buhlt schon seit geraumer Zeit um die Gunst der Bauern, respektive deren Ackerflächen, ist dabei allerdings wegen der stark angestiegenen Getreidepreise bislang nur wenig erfolgreich. Für die Einkäufer der Kartoffeln verarbeitenden Industrie kommt noch erschwerend hinzu, dass in diesem Jahr die Frischkartoffelpreise für die Versorgung der privaten Haushalte deutlich höher als die des Verarbeitungsrohstoffs angesiedelt sind. Die Packer frischer Kartoffeln wollen der Herausforderung eines rückläufigen Pro-Kopf-Verbrauchs durch eine Qualitätsoffensive begegnen, für die sie den Bauern besser entlohnen müssen. In diesem Jahr bleibt der Verzehr von Frischkartoffeln erstmals signifikant unter dem Wert des Rohwareneinsatzes für Kartoffelprodukte; Frischkartoffeln haben im LEH teilweise schon den gleichen Status wie Gemüse. Zudem erschließen sich auch beim Export frischer Kartoffeln neue Absatzchancen. Wegen des hohen Wassergehalts oder des niedrigen Warenwertes ist der Absatzradius dafür allerdings begrenzt.

Will man also die Chancen der Globalisierung auch für die Kartoffelindustrie nutzen, so bleibt nur die Veredelung des Rohstoffs zu hochwertigen Produkten, die in den Boom-Regionen dieser Welt offensichtlich gefragt sind. Angesichts enormer brachliegender Exportpotentiale erscheint es mir unverständlich, weshalb man sich mit den Forderungen der Landwirte nach einer besseren Entlohnung für ihre Leistung so schwer tut.

Joachim Tietjen
HANSA Terminhandel GmbH

Ich wünsche meinen Lesern ein frohes Weihnachtsfest und einen Guten Rutsch ins Neue Jahr. Mein nächster Marktkommentar Kartoffeln erscheint am 05.01.2008.

Geschrieben von HANSA Terminhandel am
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