Kartoffeln: Vertragsrohstoff wird vorgezogen
Verbindlicher Bezug zum Börsenpreis erhöht Vertragsmengen und hält Rohstoff im Land
Trotz stetigem Angebot lagerkritischer Partien reicht der verfügbare Frittenrohstoff zurzeit kaum noch aus. Da auch freie Ware in guten Qualitäten nur sehr selten angeboten wird, beziehen die Verarbeiter in Mitteleuropa bereits Vertragskartoffeln, die eigentlich erst im kommenden Jahr geliefert werden sollten. Die gute Nachfrage nach Kartoffelprodukten kann kaum gedeckt werden.
Wegen des guten Konsums produzieren die Frittenfabriken auf Hochtouren und gleichzeitig boomt der Export. Es ist bereits jetzt ein Wettbewerb um den Rohstoff entstanden, der erst im kommenden Frühjahr erwartet worden war. Trotz der an dieser Stelle vielfach besprochenen Exporthemmnisse mit Russland finden die Exporteure immer wieder Mittel und Wege, um die sehr große Nachfrage zu bedienen. Seit wenigen Tagen ist Belgien wieder führend im Russlandexport. Man hat sich mit den russischen Behörden nämlich darauf geeinigt, dass Kartoffeln aus Nemathodenfreien Regionen nun doch ungewaschen verladen werden dürfen. Zwischendurch wurde der Export meist aus dem Niederländischen Vlissingen vorgenommen, auch wenn die Preise dort höher waren. Es wurden nämlich nicht nur holländische Kartoffeln verladen, sondern die Exporteure kauften sich überall dort, wo noch preiswerter Rohstoff aufzutreiben war etwas hinzu. Etwa in Großbritannien, wo freie Kartoffeln noch für 15 bis 16 €/dt zu haben waren.
Aber nun kommt wieder Bewegung in die Preise! Und das in einer Situation, wo immer noch Partien zusammenzubrechen drohen schnell ausgelagert werden zu müssen. Den Verarbeitern kommt dies sehr entgegen auch wenn der Sortier- und Schälaufwand bedeutend höher ausfällt als sonst üblich. Dieser Aufwand kostet aber nicht nur Geld, sondern bremst auch die Effizienz der Produktionsanlagen aus. Ob die große Produktion immer direkt verkauft werden konnte oder ob auch Vorräte in den Kühllägern angelegt wurden, bleibt wohl vorerst ein Geheimnis der Fabriken. Doch schon bald wird sich die Lage aufklären und am Einkaufverhalten der Verarbeiter ist ersichtlich, dass die Rohstoffknappheit wohl nicht von den Statistikern erfunden wurde.
Der Wettbewerb wird deshalb weiterhin vom Export bestimmt. Ins Ausland fließen nämlich bereits seit Wochen die besseren Qualitäten, während die Verarbeiter hierzulande sich vornehmlich mit schwierigen Partien herumschlagen müssen. Aber das wird sich jetzt wohl ändern. Sie kaufen jetzt offensiver ein und bieten mehr Geld als zuvor. In dieser Woche zeigten nämlich alle Pfeile wieder nach oben. Besonders auffällig war das bei der Emmeloord-Notierung am vergangenen Donnerstag. Die Preisspitze liegt dort mittlerweile bei 21 €/dt. Ein Preis, der von Fachleuten als noch zu niedrig angesehen wird. Insofern ist davon auszugehen, dass erstens andere Notierungskommissionen folgen werden und dass auch der Emmeloordpreis nicht ausgereizt ist. Der Eurex-Index wird dem zufolge am kommenden Donnerstag um ca. einen Euro/dt auf 18,4 bis 18,5 €/dt ansteigen.
Die Fantasien der Börsianer stiegen in den vergangenen Tagen mit. Die Basis zum April-Future stieg gestern sogar auf stolze 9,5 €/dt. Ob nun die Eurex-Kartoffeln auf die vielfach erwarteten 30 €/dt zuwandern, wird von den Fachleuten zwar als möglich, aber nicht als zwingend angesehen. Es bleibt nämlich abzuwarten, bis zu welchem Preis die Käufer im Ausland mitgehen, oder anders: wo ist ihre Schmerzgrenze? Man kann den Einkäufern der Fabriken unterstellen, dass sie weiterhin mit Bedacht einkaufen. Sie orientieren sich am Wettbewerb und nutzen dabei auch die Börse.
Dem Vernehmen nach haben einige holländische Fabriken den Börsenpreis als verbindliche Basis für ihre Einkäufe genutzt. Auf diese Weise haben sie umfangreiche Mengen zusätzlich unter Vertrag stellen können, womit erreicht wird, dass die Ware nicht abwandert. Ob die Verarbeiter ihrerseits den physischen Einkauf an der Börse gegen Preisverfall gesichert haben, kann beruhigt bezweifelt werden. Dazu ist der Kontraktbestand mit rund 6.600 Lots immer noch zu gering.
Aber was passiert, wenn der Börsenpreis zu überziehen droht? Vermutlich werden dann die in den Beständen der Verarbeiter befindlichen Mengen an der Börse verkauft. Da man nicht in die Gefahr kommt, liefern zu müssen, kann ihnen niemand die Ware mehr nehmen. Weil der Einkaufspreis schon beim Abschluss gefixt wurde, kann man also genau kalkulieren. Durch das Absichern auf hohem Preisniveau könnte die Handelsmarge dieser Partien optimiert werden. Außerdem kann man mit großen Verkaufpositionen an der Börse einen weiteren Preisauftrieb in Schach halten, was den Marktbeobachtern signalisiert, dass die Phantasien begrenzt sind. Spätestens dann kommt wieder freie Ware an den Markt. So lange der Vorrat reicht….
Joachim Tietjen
HANSA Terminhandel GmbH