Änderung des Ladenschlussgesetzes soll die Wirtschaft ankurbeln?
Das was unsere Regierung plant und wohl auch umsetzen wird, ist wieder ein Schritt Richtung amerikanische Verhältnisse. Nun am Samstag bis 20.00 Uhr damit wieder mehr gekauft wird.
Es stellt sich aber nachwievor die Frage mit was die Leute kaufen sollen. Ob ich nun um 18.00 Uhr oder 20.00 Uhr einkaufe, ich kaufe nur das was ich mir leisten kann und will. Fakt ist aber, das die armen Mitarbeiter zwar ihren Freizeitausgleich erhalten, aber das geregelte Familienleben bleibt auf der Strecke. Schön langsam kotzen mich diese Idioten in Berlin immer mehr an. Sorry über die Ausdrucksweise, aber es kommt von Herzen.
gruß
@ Walter
Trifft Ihre Argumentation nicht auch auf Gaststätten, Restaurants, Bars und ähnliche Betriebe zu ?
Warum sollten die 'armen Mitarbeiter' dort nach 18 Uhr arbeiten und gelegentlichen Freizeitausgleich erhalten ?
Bleibt dort das 'geregelte Familienleben' nicht auch auf der Strecke ?
Was würden Sie sagen, wenn alle diese Betriebe um 18 Uhr 'dicht machen', damit die Mitarbeiter zu ihrem Familienleben kommen ?
@ Walter
Das mit dem Ladenschluss ist ein häufig wiederkehrendes Missverständnis: Es geht nicht so sehr um die Ankurbelung des Konsums, sondern um etwas ganz anderes. Da es immer augenscheinlicher wird, dass "wir alle in die Hände spucken müssen, um das Sozialprodukt zu steigern", d.h. die Arbeitszeiten unausweichlich länger werden, muss sich auch die Versorgungsstruktur anpassen. Wenn Büroschluss erst um 19 Uhr ist (tariflich um 18 Uhr, aber alle arbeiten "freiwillig" bis mindestens 19 Uhr), dann können NATÜRLICH die Geschäfte nicht um 18 Uhr zumachen, auch nicht um 19 Uhr, sondern frühestens um 20 Uhr. Das ist sozusagen der Anpassungsdruck auf den Einzelhandel, ob die wollen oder nicht.
Ich habe vor meiner Trading-Karriere über ein Jahrzehnt in der TV-Branche gearbeitet, eine Branche die bekannt ist ihre ungeregelten nächtlichen und Wochenend-Arbeitszeiten. Ein Grossteil meiner Honorare ist draufgegangen für Tankstellen-Käufe und Essengehen, weil ich nie vor 22 Uhr zu Hause war und morgens schon wieder um 8 Uhr auf der Matte stand. Dies werde ich dem Friede-Freude-Eierkuchen-Deutschland AG-Wohlfahrtsstaat NIE vergessen, und jeder Freiberufler/Leistungsträger in diesem Land vergisst es nicht. Ein typisches Beispiel dafür, wie in diesem Land "echte" Erwerbstätigkeit (Arbeit, die die tatsächlichen ökonomischen Bedingungen dieser Welt, in der wir leben, ausdrückt) benachteiligt wird. Nur ein einziges Alltagsbeispiel. Es gibt tausend weitere.
A prospos amerikanische Verhältnisse: Ich habe zwei Jahre lang in NY gelebt, und 6 Monate in Hongkong. Was ich da erlebt habe bzgl. NOTWENDIGER VERSORGUNGSDIENSTLEISTUNGEN würde dieses Forum hier über zehn Seiten füllen. Nicht das ich Arbeitsfetischist bin, aber - sorry - das lange Arbeiten macht einfach mehr Spass wenn man nicht das Gefühl hätte, dafür bestraft zu werden (siehe oben).
@ Herrn Ebert
Ich will noch ergänzen, dass wir eine Gesellschaft sind, in der das zusammenbrechende Familienleben tagtäglich alarmierend diskutiert wird. Gleichzeitig scheint es so zu sein, dass in kapitalistischen marktliberalen Systemen (Extremfall USA) das sog. geregelte Familienleben WENIGER in Gefahr ist, und zwar ausgerechnet dort, wo man das nach der Argumentation von Walter befürchten müsste: Bei den Familien, wo die Eltern oder ein Elternteil viel arbeiten muss.
Ich kann nur sagen: Ich arbeite viel, meine Frau arbeitet viel, wir haben zwei kleine Kinder, aber wir haben nicht das Gefühl, dass das geregelte Familienleben leidet. Im Gegenteil: Die gemeinsamen Familienzeiten werden intensiver und schöner.
Ich entschuldige mich für diese ausufernden Ausführungen, aber "Ladenschluss" ist mein rotes Tuch.
Gruss,
Berliner
Unter dem Vorwand der Flutkatastrophe wurde in Sachsen (bzw. hier in Leipzig) bis Jahresende von der Landesregierung das Ladenschlussgesetz aufgehoben (Im Leipziger Hauptbahnhof gibt es bereits ein paar Jahre seit dem Neubau eine Sonderregelung, 7 Tage die Woche bis 22 Uhr.). Jeder Händler konnte 7 Tage die Woche, 24 h/Tag öffnen. Natürlich hat das niemand umgesetzt. Man konnte seinen Lebenmitteleinkauf teilweise bis 22 Uhr tätigen (das einkaufen konnte man fast als „entspannend“ bezeichnen), die großen Einkaufszentren sowie die Innenstadt hatte Samstag bis 20 Uhr und Sonntags 13-17 Uhr geöffnet. Obwohl es heißt, die Leute hätten kein Geld zum Kaufen waren jedes Wochenende, Samstag und Sonntag so unwahrscheinlich viele Menschen unterwegs und „einkaufsbummeln“ wie sonst nie. Sicher spielen hier auch jahreszeitlich bedingte Gegebenheiten eine Rolle.
Natürlich haben sich vereinzelte Mitarbeiter des Einzelhandels bei der Stadt beschwert. Und natürlich hat die hiesige Regierung wenig Rückrat bewiesen und den Beschluß vor 3 Wochen wieder aufgehoben. Die Einzelhändler hatten sich bereits bis Jahresende darauf eingerichtet und auch damit gerechnet.
Daß Familienleben aufgrund verlagerter Arbeitszeiten leiden, kann nicht der Grund sein. Auch ich hatte in meinem früheren Leben zeitweise 16 h Tage einschl. Wochenende. Ja, und bei mir ging dadurch privat vieles kaputt, aber die Gründe liegen doch woanders.
Ob die Aufhebung bzw. Lockerung des Ladenschlussgesetzes die Wirtschaft ankurbelt sei dahingestellt, es wäre jedenfalls ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.
Notorische Meckerer, Neider und Querulanten wird es besonders in Deutschland immer geben (nicht persönlich gemeint). Wir leben am Beginn einer Dienstleistungsgesellschaft. Das Modell der geregelten Vollbeschäftigung des vorigen Jahrhunderts ist ausgelaufen, war historisch einmalig und wird es wohl auch nicht mehr geben. Unter diesem Aspekt verstehe ich auch nicht das Gerede über die leidigen Arbeitslosenzahlen der Regierung anstatt gesellschaftspolitisch fortschrittliche Wege zu gehen.
gruß Pio
Hallo Pio,
es stellt sich bei Deinem Beitrag die Frage:
Hat die Änderung des Ladenschlussgesetzes in Ostdeutschland den auch etwas für den Umsatz im Einzelhandel gebracht ?
Ich kann mir vorstellen, dass diese veränderte Ladenschlusszeit bis 22 Uhr die Verbraucher nur dazu veranlasst, ihre Käufe in einer grösseren Zeitspanne zu tätigen. Die gesamte Kaufkraft ist eine feste Grösse und wird sich gerade in der heutigen Zeit (sparen ist angesagt) eher nach unten bewegen.
Daher kann ich persönlich keinen Sinn in dieser Aktion sehen, aber lasse mich gerne eines besseren belehren.
mfg
Bigpig
Was BigPig schreibt sehe ich eben genauso. Natürlich ist es für die Leute angenehmer und es ist viel mehr los am Abend usw., aber in letzter Konsequenz wird dadurch keine Mark mehr ausgegeben.
Was mich ebenfalls stört, das die einst zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Erde immer die vermeindlichen Ideale aus den USA anstrebt und als das einzig richtige ansieht. So wie die sozialen Verhältnisse in den USA gestrickt sind, möchte ich beim besten Willen nicht leben. Wir gehen immer von unseren persönlichen Verhältnissen aus, und die liegen wohl in diesem Forum anders als beim Durchschnittsbürger. Viel wichtiger als Geld und Macht ist in unserer Gesellschaft ein soziales Miteinander und die Verantwortung und Erziehung unserer Kinder. Was haben denn ihre Kinder wenn sie 12-14 Stunden arbeiten müssen? Meine Eltern waren nicht reich, sondern normale Durchschnittsbürger mit ihren Sorgen und Nöten, aber Sie waren tolle Eltern und waren stets da um sich um uns zu kümmern. Gerade in den ersten Jahren werden die jungen Menschen durch ihr soziales Umfeld für den Rest ihres Lebens geprägt.
Warum sagen denn viele Paare, das sie in diese Welt keine Kinder setzen möchten ? Ich möchte mir viel lieber etwas gönnen und leben. Aussagen dieser Art sind eben ein Produkt unserer Gesellschaft mit den vermeindlichen tollen Werten. Ein Kunde von mir hat mir vor Jahren einmal gesagt, Kinder machen Lärm, Dreck und kosten Geld. Vor 4 Jahren starb seine Frau und heute sitzt er allein unterm Weihnachtsbaum und jammert. Erst jetzt nach 70 Jahren hat er kapiert was wirklich wichtig ist im Leben.
gruß
Die Idee der neuen Regelung für die Ladenschlusszeiten kann nur dann Sinn haben, wenn die Arbeitgeber in die Pflicht genommen werden, eine zweite Schicht einzuführen. Denn die längeren Öffnungszeiten sollen schließlich auch die Arbeitslosenzahlen reduzieren. Durch neue Arbeitsplätze würde auch neue Kaufkraft entstehen, was für die Konsumindustrie auch von Vorteil wäre. Mehr Arbeitsplätze heißt auch mehr Sozialeinnahmen der Gemeinden und weniger Sozialfälle in den Gemeinden. Die neuen Arbeiter würden auch die Krankenkassen und Arbeitsämter durch ihre Beiträge entwas entlasten. Der Staat hätte mehr Steuereinnahmen und könnte eventuell die Neuverschuldung etwas senken.
In den meisten Haushalten müssen sowieso beide Partner arbeiten, um sich etwas Luxus leisten zu können. Das Problem wäre der zweite Arbeitsplatz; dieses Problem wäre durch die Schaffung der neuen Schicht erheblich kleiner. Die Büroangestellten und andere Schichtarbeiter hätten dann mehr Zeit für den Einkauf und wären dann zu den anderen Mitmenschen etwas freundlicher.
Der Staat müßte die Arbeitszeiten selbst kontrollieren und es nicht auf andere Organe (z.B. Betriebsrat, etc.)übertragen. Den es gibt immer einen Grund, den Betriebsrat zu entlassen. Ein staatliches Kontrollorgan kann der Arbeitgeber nicht verweigern, bzw. den Zutritt verweigern. Rein kalkulatorisch würde es ca. 2.4 Millionen neue Arbeitsplätze bedeuten.
Das sollte sich jeder durch den Kopf gehen lassen, bevor er gegen die Änderung des Ladenschlussgesetzes ist.
Auch die Regierung und ganz besonders die Opposition sollte sich das mal zu Herzen nehmen.
Hallo Francowoiwood!
Kaufen Sie mehr ein, wenn Sie bis 22.00 Uhr einkaufen dürfen ? Wohl kaum, da Sie Ihr Budget haben. Gehen Sie öfter zum Essen, obwohl die Gaststätten bis 22.00 Uhr offen haben? Es mangelt an Kaufkraft und nicht daran Sie unters Volk zu bringen.
Wenn die Arbeitgeber wirklich neues Personal einstellen, dann sind ihre Überlegungen wohl richtig. Da Sie aber keine höheren Umsätze erreichen, werden Sie die Mehrarbeit auf das bestehende Personal umwälzen = mehr Arbeit bei gleichen Lohn. Diverse Lücken werden durch unqualifiziertes Personal gedeckt.
Der Umsatz im Einzelhandel hat sich in keiner Weise durch die bisherigen Veränderungen der Ladenschlusszeiten geändert. Dieses sind Fakten. Der Arbeitgeber muß dadurch seine Kostenstrukturen verändern. Obige angeführten ökonomischen Ziele wären zwar schön, bleiben aber meiner Ansicht nach pures Wunschdenken.
Ich war vor 12 Jahren selbst an einer Discountkette beteiligt und kenne deren Kalkulationen und Spannen. Nach Ihrer Rechnung müßte sich der Personalstand somit verdoppeln (zweite Schicht). Dies ist nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und unter Berrücksichtigung der Umsätze sowie Kaufkraft völliger Schwachsinn und würde das Unternehmen unweigerlich ruinieren.
Versetzen Sie sich doch immer in die Lage eines Unternehmers. Es bedarf keines großen volkswirtschaftlichen Studiums um manche ökonomischen Zusammenhänge zu erkennen. Es genügt manchmal der gesunde Menschenverstand um zu sehen, wohin uns die Reise führt.
Noch vor 12 Jahren waren wir die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Heute sind wir nur noch der Wurmfortsatz in Europa. Es stellt sich die Frage warum wir die Pfade die uns erfolgreich gemacht haben unbedingt und mit Gewalt verlassen mussten. Was bringt uns die Globalisierung, was haben den die großen Wirtschaftsfusionen gebracht, wo sind denn die großen Vorteile geblieben ? In letzter Konsequenz haben wir nur Nachteile und keine Vorteile. Wir sind das Opfer einiger größenwahnsinnger Politiker und Wirtschaftsmagnaten.
gruß
Zitat: "Noch vor 12 Jahren waren wir die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Heute sind wir nur noch der Wurmfortsatz in Europa. Es stellt sich die Frage warum wir die Pfade die uns erfolgreich gemacht haben unbedingt und mit Gewalt verlassen mussten. Was bringt uns die Globalisierung, was haben den die großen Wirtschaftsfusionen gebracht, wo sind denn die großen Vorteile geblieben."
Welche Pfade sind denn da verlassen worden?
Der Pfad der wirtschaftlichen Tugenden ist doch seit etlichen Jahrzehnten verlassen worden. Es fing u.a. an mit der Plünderung des Juliusturms (Na, wer weiß noch was das war und was da drin war?) und wurde mit etlichen vermeintlichen sozialen Wohltaten fortgesetzt.
Ein gutes Buch darüber, warum es einigen Volkswirtschaften gut geht und anderen nicht, ist, trotz des etwas bescheuerten Titels, "Das Schwein mit dem Holzbein" von P.J.O'Rourke, einem amerikanischen Journalisten.
Schönes Wochenende
Bernd Kürbs
Ich dachte bislang, dass in diesem Forum primär Börsianer posten würden.
Wenn ich nach Art von Ex-Fidelity Magellan Fund-Manager Peter Lynch meine Umgebung beobachte, stelle ich fest, dass viele Tankstellen sich zunehmend zu kleinen rund-um-die-Uhr Supermärkten wandeln bzw. bereits gewandelt haben. Geführt im Sortiment werden Lebensmittel aller Art (sogar teilweise Tiefkühlkost!), also inzwischen alles andere als nur die klassischen Auto-bezogenen Waren wie Motoröl, Ersatz-Scheibenwischerblätter etc.
Ganz offenbar gibt es eine nicht zu unterschätzende Nachfrage vieler Kunden auch ausserhalb der bisherigen Ladenöffnungszeiten (insbesondere Sonntag oder abends nach 20 Uhr) einzukaufen. Die Preise der Tankstellen liegen bezeichnenderweise oft deutlich höher als die der klassischen Supermärkte.
Warum soll man dann gesetzlich verbieten, dass auch andere Geschäfte ihre Öffnungszeiten verlängern bzw. verschieben dürfen? Sie müssen es ja nicht, sondern in der Praxis werden sie es ohnehin nur tun, wenn von Kundenseite die Nachfrage besteht.
Gut, lieber Bernd Kürbs, die symbolische Bedeutung des Juliusturms in Spandau hab ich in diesem Zusammenhang vergessen, ich gebs zu. Musste nachschlagen. Hier die Kurzfassung der geschichtlichen Episode, die Sie meinen:
"3. u. 10.6.1878 Reichskriegsschatz
Der sog. »Reichskriegsschatz« - 120 Millionen Goldmark in 1200 Kisten, aus französischen Kriegsentschädigungen (1870/71) - wird im Juliusturm eingelagert. Diese als Kriegsentschädigung an Deutschland zu zahlenden Gelder werden im Auftrag der Französischen Regierung von der Bank Rothschild aufgebracht. Angeblich soll ein größerer Teil davon aus Investitionen Deutscher Anleger bei dieser Bank stammen. (!!!)"; Hervorhebung von mir.
"27.Mai 1919 Reparationszahlungen
Der »Reichskriegsschatz« kommt in die Reichsbank nach Berlin. Als Reparationszahlung wird er an die Siegermächte weitergegeben."
Ich nehme an, Sie wollen mit diesem Hinweis das "staatliche Nullsummenspiel zu Lasten des Bürgers" verdeutlichen. Da finde ich ein paar andere geschichtliche Querverweise zur staatlich-mentalen Struktur, in der sich auch der Ladenschluss wiederfindet, fast noch schlagkräftiger:
Wer weiss denn noch, dass die Besatzungsmacht USA den Deutschen jede Reglementierung des Wirtschaftslebens "verboten" hatte: Bildung von "Kammern" für die sog. freien Berufe (schon mal versucht mit einem Vertreter eines Freien Berufes - Notar, Architekt, Anwalt etc. - ein "freies Honorar" auszuhandeln?); Verstaatlichung und Subventionierung kultureller Einrichtungen (der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk sollte ursprünglich völlig frei von politischer Einflussnahme sein); Reglementierung (z.B. Ladenschluss) durch quasi-staatliche Körperschaften etc.
Der Parlamentarische Rat, also die Väter des Grundgesetzes, hat sich noch bis in die 50er Jahre gegen politische Einflussnahmen auf die Veränderung der Gesetzgebungen gewährt - ohne Erfolg, leider, die Parteien waren stärker (Stichwort: verfassungsmässig verbürgte Pflicht zur Wirtschaftlichkeit der Regierung: Heute ein Papiertiger).
Und warum sollte ursprünglich ein wirtschaftspolitischer Neuanfang gemacht werden in 1949? Ganz einfach - und das ist jetzt nicht zum Lachen - weil alle diese Strukturen direkt aus dem deutschen Mittelalter stammen und vom Österreicher Hitler mit neuem Leben versehen wurde. Kammern sind nichts weiter als Zünfte. Dem frisch gebackenen Gesellen war es auf Strafe verboten, seinem Meister in der Stadt Konkurrenz zu machen ("wandernde Gesellen"), die Städte (der Adel bzw. die Patrizier) hatten alle Wirtschaftsmonopole fest in der Hand.
Hitler hat es dann wunderbar verstanden, durch den Rückgriff auf diese rückständigen Traditionen das private und staatliche Leben nach 1933 gleichzuschalten. Für mich als ehemaliger Produzent schönstes Beispiel: Die Gleichschaltung aller Theater in Deutschland unter staatlicher Aufsicht (Max Reinhardt emigrierte, dafür durften die Deutschen dann das sog. Thing-Spiel sehen, ein hanebüchenes Konglomerat aus germanischer Sagenwelt und gähnender Langeweile, oberhalb des Philophenwegs bei Heidelberg kann man so eine "Thingstätte" noch bewundern). Das staatliche subventionierte Stadttheater, um das uns soviele ausländische Regisseure beneiden, weil sich so wunderbar Staatsknete abgreifen lässt, ist ein direktes Kind dieser Entwicklung und war politisch gewollt - genauso wie der Ladenschluss, ein Mittel des Machterhalts/Machterwerbs und Forum ideologischer Gefechte, damit "alles bleiben kann wie es ist". Das haben wir schon immer so gemacht, da könnte ja jeder kommen, wo kommen wir da hin?
Top Ten Buch in diesem Zusammenhang: Prof. Hans Herbert von Arnim; Das System; Droemer-Verlag.
Meine demütige bescheidene Meinung.
Schönen zweiten Advent.
Berliner
Das ist die historische Herkunft des Wortes. Siehe z.B.
http://www.pribag.de/print/dwr2000/06_00/inhalt.html#DashistorischeStichwort
Gemeint hatte ich die Verwendung in den 50er Jahren
http://www.srzg.de/ndeutsch/Presse/Spiegel/1.5.Betrogene_Generation.pdf´.
In den 60er wurde es meiner Meinung nach auch für die Schwankungsreserve der Rentenversicherung verwendet. Die war damals auch zu "hoch" und wurde deshalb geplündert.
Ich habe jedoch nur noch einen schwachen Hinweis darauf gefunden: http://www.die-tagespost.de/Archiv/titel_anzeige.asp?ID=2059
Schönes Wochenende
Bernd Kürbs
Danke für die Links.
Es gibt übrigens einen anderen Juliusturm, der geplündert wurde und wird. Das sind die Goldvorräte der Nationalbanken, die in den letzten Monaten und Jahren zu Goldpreis-Tiefstständen auf den Markt kamen.
Kennt jemand den Begriff "Fiat Money" ?
Hinweis: Hat nichts mit dem unwirtschaftlichen italienischen Autobauer zu tun, einem der ersten Opfer des Euros.
Gruss,
Berliner.
Hallo Walter
Ich lebe seit einigen Jahren in Portugal. In diesem kleinem Land öffnen die Geschäfte um 8 Uhr morgens und schließen teilweise erst um 22 Uhr und das 7 Tage die Woche.
Hier gibt es das zwei Schichten System schon seit etlichen Jahren und es klappt sehr gut.
Viele Grüße von Franco
Die Diskussion um die Ladenschlußzeiten hat sich vom Thema her in eine andere Richtung bewegt, nämlich zu den Problemen des Wirtschaftsstandorts. Mit Recht, denn Ladenschlußzeiten haben wirklich wenig Einfluß auf die Wirtschaftlichkeit unserer Unternehmen.
Anders herum. Angesichts eines Angebotes von 45 Sorten Shampoo im Laden und 14 Sorten Kartoffenchips, aber auch eines Autos aus Stuttgart, das etwa dreiviertel Million Euro kosten wird, frage ich mich manchmal, ob wir nicht gegen gewisse perverse Auswüchse des Freien Handels kämpfen müssen, statt uns mit Diskussionen um die Öffnungszeiten aufzuhalten?
Ich möchte mich gerne als Gegner der Europapolitik bekennen.
Die EU-Verwaltung verursacht eine gigantische Aufblähung der Verwaltung und der Regierungsapparate und eine Förderung der Verschwendung. Sie entmündigt die nationalen Regierungen. Ich nehme mit Staunen wahr, wie bereitwillig die nationalen Regierungen bei ihrer eigenen Kastration mitarbeiten und wie rasch das Unterschlüpfen unter die EU-Regentschaft vonstatten gehen. Die nationalen Regierungen haben einen Nutzen daraus. Sie müssen selbst nicht mehr für die unpopulären Entscheidungen geradestehen.
Die Förderungen werden zunehmend intransparenter. Die Entscheidungen, beispielsweise die Förderung für den Bau einer Forststrasse im Bayerischen Wald werden weitab vom lokalen Geschehen getroffen und führen zu unrentablen Investitionen. Die Staatsquote steigt weiter. Der Wettbewerb zwischen den nationalen Staaten findet nicht mehr auf dem Wege der Wirtchaftlichkeit, sondern auf dem Weg der besseren Beziehungen statt. Die Förderungen korrumpieren die Empfänger. Beziehungen zählen in diesem System.
Die Landwirtschaft, ein Hätschelkind aller Nachkriegsregierungen, ist in die Rolle der Goldmarie gedrängt worden. Wegen der zügellosen Produktion von landwirtschaftlichen Produkten mußten alle Regierungen der Nachkriegszeit die geringeren Erlöse durch Subventionen ausgleichen.
Es wäre wohl besser gewesen, den Markt wirken zu lassen. Die Bauern hätten bei reduzierter Fläche und knapperem Angebot höhere Preise erzielt. Die enorme Umleitung von Geldern vom Steuerzahler über die Bundesverwaltungen auf die Bauern wäre zum Stillstand gekommen. Verbraucher und Bauern wären die Gewinner gewesen. Viele Stellen in den Bundesverwaltungen wären obsolet geworden. Die Leistungsfähigkeit des Staates insgesamt hätte zugenommen.
Auch während der vielen Jahre CDU-Regierung hat die Arbeitslosigkeit stetig zugenommen. Mit Tolerierung der Regierung und Händereiben der Arbeitgeber. Man kann es versteckten Tatcherismus nennen. Mußten die Arbeitgeber doch während vieler Jahre mit Ärger feststellen, daß in ihren Betrieben nicht nur sie, sondern auch die Gewerkschaften und Betriebsräte das Sagen hatten. Ich muß nicht Fiat als sicherlich eindruckvollstes Beispiel erwähnen, wir haben auch einheimische Beispiele.
Die Exportfähigkeit der Deutschen Industrie hat für jeden sichtbar stark abgenommen. Viele Branchen, Textil, Bekleidung, Möbel und weitere Branchen, wurden mehr oder weniger aufgegeben und sind in Slowenien, Polen, Südostasien wiedererstanden. Der Maschinenbau hat seine Marktführerschaft eingebüßt. Die sogenannte neuen Technologien haben nicht die benötigten Arbeitsplätze schaffen können.
Eine gute Seite hatte die Börsenhausse und auch die Euphorie am Neuen Markt allerdings schon. Es wurden viele Sparstrümpfe geleert und Geld in den Wirtschaftkreislauf geleitet. Dies förderte eine begrenzte Zeit das Wirtschaftswachstum und führte zu vielen hoffnungsvollen Firmengründungen.
Die Globalisierung tut den Schwachen weh. Wie sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Schuhe herstellen, mit einem Betrieb in China im Wettbewerb bestehen? Kann der Arbeiter in Deutschland für einen Lohn von beispielsweise 0,40 Euro in der Stunde arbeiten? Das Ziel unserer Politik soll hoffentlich nicht die Globalisierung um jeden Preis sein.
Wenn ja, so sollen Regierungen und Parlamente bitte vorangehen und in einem Akt der Solidarität ihre Saläre ebenfalls um 95 % Prozent reduzieren. Statt Wasser zu predigen und Wein zu trinken.
Die Seitenhiebe auf die Arbeitslosen, die seit 20 Jahren sporadisch aufleben, sind unangebracht. Bei nunmehr vier Mio, weiteren geschätzten 0,5 Mio welche aus der Statistik ausgebucht wurden, geschätzten 1 bis 2 Mio Frauen, die eine Teilzeitarbeit oder Ganztagsarbeit wünschen, dies aber wegen des offensichtlichen Stellenmangels nicht weiter verfolgen, kann man schwerlich von Arbeitsunwilligkeit sprechen.
Meine Frau hatte sich um eine Sachbearbeiterstelle in einer Versicherung in einer Stadt (ca. 40 Tsd Einwohner) beworben und hatte sich gegen 95 Mitbewerberinnen durchgesetzt. Bei einer solchen Zahl von Bewerberinnen auf eine Stelle muß man wohl ebenfalls nicht von einer allgemeinen Arbeitsunwilligkeit sprechen, sondern eher von einem eklatanten Mangel an Stellen.
Wir sollte vielmehr feststellen, daß die Zahlungen an die Arbeitsuchenden die soziale Balance sicherstellen. Denn die Zahlungen an die Arbeitssuchenden sind der Preis dafür, damit diese die "noch Arbeithabenden" nicht konkurrieren und nicht kannibalisieren müssen.
Die Hektik vor den Wahlen um eine Reorganisation der Arbeitsverwaltung sind eine Randerscheinung und mögen ja nützlich sein. Die Arbeitslosigkeit werden sie um keinen Mann verringern.
Die Aussichten sind trübe. Bei weiterem globalem Wettbewerb werden in Deutschland wohl nur Dienstleister und die globalen operierenden Unternehmen überleben, sowie jene, die lokale Märkte haben. Die Währungen werden sich wohl angleichen müssen. Deutschland und die reichen Länder werden gezwungen sein, über die folgenden Jahrzehnte ihren Lebensstandard zu reduzieren. Der soziale Friede muß deswegen nicht gefährdet sein. Es ist für alle genug zu Essen da. Die weiter fortschreitende Produktivität wird dafür sorgen, daß kein Mangel auftritt.
Die nationale Wettbewerbsfähigkeit kann nur gesteigert werden durch eine radikale Verringerung der Staatsquote. Dies wird die Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Wirtschaft auch bei Nichthightech Produkten verbessern.
Entscheidungen über regionale Angelegenheiten müssen den regionalen Parlamenten überlassen werden bis hinunter zu den Gemeinden. Die Subventionen sind Flickwerk, korrumpieren, und müssen deshalb enorm reduziert werden. Investitionen, die nur durch enorme Subventionen wirtschaftlich sind, sind ein Nonsens. Das EU- Parlament sollte lediglich beratend tätig sein, sich der Einmischung in nationale Gesetzgebung enthalten und nur bei eklatanten Regelverstößen eingreifen.
Schönes Wochenende
Albert
Das hohe Niveau dieses Forums überrascht mich immer wieder auf`s neue.
@ BIGPIG
Ob die Änderung der Ladenschlussgesetze etwas gebracht hat, weiß ich nicht, kann ich zahlenmäßig nicht belegen und habe ich auch in Frage gestellt.
Der Berufsalltag wird fortlaufend stressiger, die Zeit ein immer wertvolleres Gut, dass viele Leute mitunter diese nicht mal mehr zum Einkaufen haben. Möglicherweise geben die Leute nicht unbedingt mehr aus, aber haben doch damit mehr Gelegenheit ihr Geld überhaupt auszugeben. Beim Einkaufsbummel sitzt vielen das Geld, welches sie noch haben einfach lockerer in der Tasche. Wer absolut nichts ausgeben will oder kann, wird kaum die Gelegenheiten nutzen. Da war der Andrang zu den Wochenenden schon sehr bezeichnend. Es ist auch ein Stück Belohnung vom Alltag, wenn ich mir etwas außer der Reihe leiste. Im Konsumverhalten gibt es da wahrscheinlich noch große Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschen. Über dieses Thema lässt sich trefflichst ohne Ende diskutieren. Es ging mir aber weniger um ökonomische Auswirkungen, sondern um vielleicht ein klein wenig mehr LEBENSQUALITÄT.
Sicherlich, was mich wütend macht, ist, dass der Staat mit der Erweiterung der Ladenöffnungszeiten A sagt und danach aber kein B kommt hier unterstützend zu wirken. Damit wird, wie bereits von Walter dargelegt die daraus entstehenden finanziellen Lasten der Einzelhändler und damit wiederum auf die bereits berufstätigen abgewälzt.
Der gesellschaftliche Status -Arbeit zu haben-, welcher zweifelsohne schon existiert - auch wenn „die Zahlungen an die Arbeitssuchenden die soziale Balance noch sicherstellen“ wird weiter schamlos ausgenutzt und gefördert. Solange Beschäftigung existentiell abhängig ist und die persönlichen materiellen Verhältnisse im Leben an erster Stelle stehen, wird sich das sozial gesellschaftliche Miteinander der Menschen nicht bessern.
Um die Abhängigkeit von Lohnerwerb als soziale Komponente zu verhindern, es wird nicht mehr Arbeit geben, das Gegenteil ist der Fall, muss genau hier der Staat einwirken.
Dann (@ Walter) haben vielleicht wieder mehr Menschen auch mehr Muse für Kinder und Zeit das wirklich Wichtige im Leben für sich zu erkennen. Ich achte die Menschen, die aufgrund materieller und sonst was für Gründe keine Kinder haben wollen und verachte Leute, die ihre Kinder aus mangelnder Inkonsequenz gerade in den wichtigen ersten Lebensjahren aus falschen Wertvorstellungen heraus vernachlässigen.
Kinder sind das höchste Gut des Staates und dieses gilt es zu schützen und solange dieser teilweise schon zwanghafte materielle und mediale Konsum als Lebensmaxime vorherrscht, leider lebt die Wirtschaft davon, ist das langfristig schlecht für den Staat und der Gesellschaft.
Ich hab die letzten 13 Jahre den menschlichen Werteverfall im Osten miterlebt. Diesbezüglich waren die Menschen hier schon mal weiter.
Für einen interessanten Artikel über Renten, Bürgergeld und Arbeit möchte ich auf nachfolgende Artikel verweisen:
http://www.brandeins.de/magazin/archiv/2000/ausgabe_04/realitaet/artikel2_2.html
http://www.brandeins.de/magazin/archiv/2000/ausgabe_04/realitaet/artikel3_1.html
Eine angenehme Börsenwoche.
Pio
Guten Abend zusammen,
Berliner, sie hatten die Frage gestellt, ob jemand den Begriff "Fiat Money" kennt.
Fiat Money bezeichnet Geld, welches keinen wesentlichen Wert besitzt. Ein Beispiel sind die bunten Scheinchen, welche wir jeden Tag in unserer Hand halten. Wären diese nicht als Zahlungsmittel anerkannt, wären sie wertlos.
Ich hoffe geholfen zu haben.
Grüsse
Harun
Danke Harunm. Und Fiat Money (lat. "es werde Money"), dieses Zaubergeld des Aberglaubens, das wir in den Händen halten, weil wir glauben, dass uns der Staat jederzeit einen Gegenwert dafür überlässt (welchen Gegenwert bitte schön ?), ist im Grunde genommen nichts weiter als Falschgeld, seit 1971 die Einlösepflicht in Gold aufgegeben wurde.
Daran werden wir noch denken müssen, wenn demnächst die Währungsunion auf Osteuropa und die Türkei erweitert wird. In Anlehnung an Kostolany: "Denken Sie mal über Gold (besser Silber) nach." Nachtrag zum Phänomen der Juliusturm-Plünderei.
Gruss,
Berliner
Hallo Berliner,
Muss sagen, eine sehr interessante Diskussion.
Aber hat Kostolany nicht gesagt: "Denken sie mal über Aluminium-Aktien nach."?
Kostolany war zu Lebzeiten ein absoluter Gegner vom Goldstandard. ;-)
Gruss,
Swingtrader
@ Swingtrader
Eben das hat er gesagt (in der Werbung). Deswegen meinte ich es ja auch in Anlehnung an die Werbung (missverständlich, mein Fehler).
Dass er ein Gegner des Goldstandards war wusste ich nicht, wollte ich aber auch nicht behaupten.
Gruss,
Berliner