Anleihen, Aktien oder Rohstoffe ?
Vermögensverwalter denken bei Anleihen um
Handelsblatt, Frankfurt - Pessimistische Aussichten für die Weltwirtschaft, schrumpfende Unternehmensgewinne und die Zinspause der US-Notenbank zwingen Fondsmanager, ihre lang gehegte Abneigung gegen Anleihen zu überdenken. Das ist das Ergebnis der monatlichen Umfrage der Investmentbank Merrill Lynch unter weltweit mehr als 200 Vermögensverwaltern.
Während im Mai fast die Hälfte der professionellen Vermögensverwalter Bonds für überteuert hielt, teilen inzwischen nur noch 22 Prozent der Befragten diese Meinung. Außerdem wollen nur noch 46 Prozent Anleihen untergewichten. Zum ersten Mal seit drei Jahren ändert sich damit die Einstellung gegenüber Anleihen grundlegend.
(Quelle und ausführlich weiter lesen: http://www.handelsblatt.com/news/Default.aspx?_p=200729&_t=ft&_b=1122303)
Interview Sean Corrigan, Chefstratege von Diapason Commodities
„Als Anleger kann man nicht auf Rohstoffe verzichten”
17. August 2006 Die amerikanische Zentralbank hat so etwas wie eine Zinspause angedeutet und schon boomen nach „milde” ausgefallenen Preisdaten die Börsen und die Rentenmärkte, als ob die „beste aller Welten” mit deutlichem Wachstum und vernünftiger Preisentwicklung zurückkäme.
Allerdings gibt es auch kritische Stimmen. Zum Beispiel die von Sean Corrigan, Chef-Investment-Stratege beim Vermögensverwalter Diapason Commodities. Er hält die Preisentwicklung für alles andere als „zahm”, die Geldpolitik der Zentralbanken sei zu locker und damit inflationär. Aus diesem Grund würde er als Anleger nicht in Anleihen investieren und gleichzeitig dem Depot unbedingt Rohstoffe beimischen.
Die amerikanische Zentralbank deutet so etwas wie eine Zinspause an. Wieso zeigen sich die Finanzmärkte trotzdem so nervös?
Das ist, weil die bisherigen Sicherheiten, auf deren Grundlage sie sich so lange so positiv entwickelt haben, nun hinterfragt werden - allerdings nicht auf die richtige Art. Die Märkte werden stark von Kreditfinanzierung dominiert, so daß die Prognose der Leitzinsentwicklung entscheidend geworden ist für eine erfolgreiche Geldanlage. Die möglichen „Zinspfade” sind nun nicht mehr so transparent wie bisher und werden es sehr wahrscheinlich für einige Zeit auch nicht mehr werden.
Da sich die amerikanische Zentralbank in ihrer Analyse nicht so richtig sicher zu sein scheint und unverhohlen zugibt, ihre Entscheidungen von kurzfristigen Daten abhängig zu machen, können wir ein Wechselbad der Gefühle erwarten. Auf der einen Seite mag das Gefühl bestehen, die „Zinspause” sei das Vorspiel für Zinssenkungen im kommenden Frühjahr - ein Szenario, das von den Terminmärkten schon vorweggenommen wurde -, auf der anderen gibt es Bedenken, daß die Zentralbank ihre Lageeinschätzung widerwillig und deutlich könnte revidieren müssen, wie es die Bank of England in den vergangenen Tagen getan hat.
„Die Finanzmärkte wurden in den vergangenen Monaten schwankungsanfällig, weil die Zentralbanken restriktiver geworden sind”, argumentieren manche Experten. Sind sie tatsächlich restriktiv?
Nein, nicht wirklich. Das Kreditwachstum ist immer noch stark und die realen Zinsen sind beinahe überall noch tief, wohin man auch blicken mag. Die Kreditvergabe amerikanischer Banken legte im laufenden Jahr auf Jahresbasis um etwa zwöf Prozent zu, in Europa verbuchten die Kredite an den privaten Sektor in Plus von 13,3 Prozent in der ersten Jahreshälfte, in Großbritannien entwickelt sich das M4-Lending doppelt so schnell wie im vergangenen Jahr, in China liegt das Kreditwachstum auf einem Zweijahreshoch von etwa 15 Prozent, in Indien bei knapp 30 Prozent und selbst in Japan nimmt es zum ersten Mal seit acht Jahren zu. Diese Reihe ließe sich beinahe beliebig fortsetzen.
Gleichzeitig bewegen sich die realen Zinsen kaum. Der Realzins in Amerika liegt am kurzen Ende, bereinigt um den durchschnittlichen Konsumentenpreisindex der vergangenen drei Monate, in diesem Quartal bei 75 Basispunkten - das ist genau das Niveau, auf dem er schon im Juni des vergangenen Jahres bei einem Nominalzins von drei Prozent lag. Am langen Ende liegen die realen Renditen amerikanischer BAA-Anleihen so tief, wie sie zuletzt vor Paul Volckers* Antiinflationspolitik lagen.
Was wäre eine wirklich restriktive Geldpolitik und was würde sie bedeuten für die amerikanische und die Weltkonjunktur?
Die Geldpolitik kann man nicht dogmatisch an quantitativen Kriterien festmachen. Man blickt auf die Trends der Geldaggregate, auf die Kreditvergabe der Banken, Stimmungsumfragen und die Aktivitäten an den Finanzmärkten. Gleichzeitig muß man bedenken, daß es für „heißes Geld” kaum Grenzen gibt. Ginge die Geldmenge in Amerika zurück, so könnte dieser Effekt leicht durch eine Expansion in Europa wettgemacht werden. Außerdem ist es einfach, den Kauf von Gütern oder Vermögenswerten in einer Region durch Kredite in einer anderen zu finanzieren.
Obwohl eine hohe Liquiditätsversorgung das A und O einer Inflation ist, hängt alles vom Verhalten der individuellen Personen ab. Hätten sie plötzlich das Bedürfnis, eingenommenes Geld unmittelbar nach dem Eingang auszugeben oder zu investieren, so könnte das die Preise nach oben treiben, obwohl sich die Geldmenge nicht verändert hat.
So ist die geldpolitische Restriktion sehr wahrscheinlich daran erkennbar, daß sich Anleger in großem Stile von riskanten Anlageformen zurückziehen. Unter der Bedingung, daß es nicht zu einer kurzen Panik kommt, die die Zentralbanken in der Vergangenheit so oft zu Gegenmaßnahmen gezwungen hat. Die japanische Zentralbank hat beispielsweise erst im Mai-Juni-Kollaps wieder Reserven injiziert, um die Nerven der Anleger zu beruhigen.
In einem restriktiven Umfeld würden sich Konsumenten und Unternehmen nur noch widerwillig verschulden. Für manche Schuldner wäre es schwierig oder unmöglich, bei Banken oder Anleihekäufern frisches Geld zu erhalten.
Ist eine restriktive Geldpolitik nicht nötig, um einen Boom- und Baissezyklus zu vermeiden, wie ihn Japan von 15 bis 20 Jahren erlebte und um die Weltwirtschaft besser ins Gleichgewicht zu bringen?
Es ist zu befürchten, daß es dafür schon zu spät ist. Die angelsächsischen Häusermärkte und die industriellen Überkapazitäten in China sind nur zwei Beispiele für kreditinduzierte Fehlinvestitionen. Die aus dem Boden schießenden Hochhäuser, Terminbörsen und künstlichen „Strandgewächse” im Nahen Osten können ein weiteres sein. Volkswirtschaftliche Gleichgewichte dürften schwer erreichbar sein, da die Politik von Wahl zu Wahl denkt und deswegen die notwendigen Schritte immer weiter in die Zukunft verschiebt.
Wir sahen in Amerika bisher ein eindrucksvolles Wachstum, wir sehen es auch in Asien und selbst Europa und Japan scheinen dynamischer zu werden. Ist das real, oder lediglich eine Geldillusion, da steigende Preise die Bilanzen der Unternehmen und die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung aufblasen?
Wir müssen unterscheiden zwischen steigenden Ausgaben und realem ökonomischem Fortschritt. Das keynesianische Konstrukt des Sozialprodukts ist eine schlechte Methode, um das zu tun.
Bis vor kurzem hing das amerikanische „Wachstum” in nie da gewesener Weise von der Belastung der Kreditfähigkeit der Konsumenten und dem unverantwortlichen Umgang mit den Staatsfinanzen ab. Das gilt auch für Großbritannien. Selbst aber nach den eigenen, umstrittenen Kriterien läßt das amerikanische Wachstum in jüngster Zeit nach, bei höheren Preisen und bei weit geringeren Gewinnen aus den nicht-finanziellen Aktivitäten als bisher angenommen. Das heißt, die Nation war weniger vital und die Produktivität war geringer, als lange Zeit unterstellt wurde. Enorme Handelsbilanzdefizite, der faktische Bankrott von Pensions- und Sozialsystemen und der Kauf von nicht-produktiven Vermögenswerten bei einer immer höheren Verschuldung sind symptomatisch dafür.
Auf der anderen Seite gab es auch „echte” Fortschritte. Dazu zählen die internationale Arbeitsteilung, die Urbanisierung der dritten Welt und der Fall des Eisernen Vorhangs. Die Ausweitung unternehmerischer Aktivitäten führt zu mehr Wohlstand, auch wenn Steuerchaos, die Regulierungswut, der Sicherheitswahn und der Malthusianismus der Umweltschützer Sand ins Getriebe streuen.
Was heißt bedeutet das für die Finanzmärkte und den Privatanleger? Ist zum Beispiel im Rohstoffsektor - Diapason investiert in diesem Bereich - nach einer überzogenen Spekulationswelle nicht eine deutliche Korrektur überfällig?
Es ist sehr gut möglich, daß wir schon einen großen Teil dieser Korrektur gesehen haben. Allerdings kann man nicht ausschließen, daß anhaltend volatile Aktienkurse im vierten Quartal auch auf die Renditen bei Rohstoffen durchschlagen können.
Blickt man auf den RICI-Index, so lag das Trendwachstum seit dem Jahr 2002 bei 25 Prozent jährlich. Seit Januar des Jahres 2004 gibt es einen „langsameren Subtrend” mit einem Plus von 14 Prozent. Bisher lagen die Korrekturen im Rahmen der historischen Erfahrungswerte und haben die Aufwärtsbewegung nicht gefährdet.
Grundsätzlich kann man sich die Frage stellen: Sind Rohstoffe wirklich so teuer, wenn Rohstoffunternehmen alles an Aktien, Anleihen und auch liquide Mittel in den Ring werfen, um es gegen nachgewiesene Vorkommen und Produktionskapazitäten einzutauschen, wie sie das im Rahmen der laufenden vertikalen und horizontalen Branchenkonsolidierung tun?
Welche Argumente sprechen für ein Investment in Rohstoffe generell?
Hohe Rohstoffpreise machen die Unternehmensgewinne volatil. Unterschiedliche Firmen werden in unterschiedlichen Phasen mit höheren Kosten belastet und können sie ganz, teilweise oder überhaupt nicht an ihre Kunden weitergeben. Das haben die Ergebnisse der vergangenen Wochen schon gezeigt.
Volatile Ergebnisse führen in einer kurzsichtigen Welt zu einer niedrigeren Bewertung und zu deutlichen Kursverlusten, wo die Prognosen verfehlt werden. Das läßt sich an den Kurs-Gewinn-Verhältnissen in Amerika und Europa ablesen, obwohl die Übernahmespezialisten lauern. Das gegenwärtige Umfeld führt dazu, daß diese Gewinne auf aggregierter Ebene zu den Energie- und Rohstofförderern und ihren speziellen Zulieferern transferiert werden. Aus diesem Grund sollten Rohstoffe gegenüber Aktien als Anlageklasse bevorzugt werden.
Durch das Zusammentreffen von jahrelang vernachlässigten Investitionen mit einer zunehmenden Nachfrage verstärkt sich die Knappheit. Das zeigt sich alleine schon an der Verteilung der Preiszuwächse, die zudem nur sehr verzögert von steigenden Leitzinsen begleitet werden.
Gleichzeitig belasten viele Regierungen die Produzenten und subventionieren die Konsumenten gleichzeitig. Auf diese Weise wird der ausgleichende Preismechanismus gehemmt, der simultan das Angebot erhöhen und die Nachfrage senken würde. Das erschwert die Aufgabe der Zentralbanken zusätzlich. Als ob das nicht alles wäre, kosten die verdeckten oder offenen Subventionen mehr, als die relevanten Steuern einbringen. Das belastet den Ausblick auf die sowieso schon überstrapazierten Staatsfinanzen zusätzlich.
Das ist kaum ein Umfeld, das zum Kauf von Rentenpapieren einlädt. Entweder werden die Renditen steigen und die Preise von Anleihen fallen oder die Kupons und das Kapital werden von einer inflationären Entwicklung real aufgezehrt. Dazu kann man die Exzesse bei hochverzinslichen Anleihen rechnen. Ein Blick auf die enormen Ausschüttungen und die schuldenfinanzierten Fusionen und Übernahmen genügt in Verbindung mit den zunehmenden Gewinnvolatilität, um eine häßliche Entwicklung mit deutlich steigenden Spreads in diesem Bereich denkbar werden zu lassen. Kann man als Anleger in diesem Umfeld auf eine Investition in Rohstoffe verzichten?
Aus FAZ:
http://www.faz.net/s/Rub42AFB371C83147B795D889BB33AF8404/Doc~E09E460CEFA5947EA99230E7CDE73E387~ATpl~Ecommon~Sspezial.html