Richard Ebert
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° Der Mißfelder-Effekt und die Entsorgung unserer Alten

Der Mißfelder-Effekt und über die Entsorgung unserer Alten – Es geht nur noch um den Kies

(08.08.2003) Das Sommerloch an der Nachrichtenfront hat, wohl in Verbindung mit den üblicherweise hohen Temperaturen, schon immer irre Phantasien, Visionen und Ideen hervorgebracht. So das Ungeheuer von Loch Ness sowie die Fahrradfahrer- und die Katzensteuer. Solange es der reinen Unterhaltung dient, ist nichts gegen die Verbreitung solcher Dinge an herausragender Stelle einzuwenden.

Doch wenn die Medien merken, dass jemand aus den hinteren Rängen der Politik das Sommerloch nutzen möchte, um sich mit provozierenden Thesen zu profilieren, sollten die Verantwortlichen hier besonders vorsichtig sein. Dies wäre im Falle des Vorsitzenden der Jungen Union, Mißfelder, angebracht gewesen. Aber vielleicht war die Verbreitung der Thesen dieses Jungpolitikers (23 Jahre) auch hilfreich, denn es könnte eine ehrlichere Diskussion darüber entstehen, was wirklich ist.

Wir, nicht zuletzt die Politiker, wissen seit langem, dass nicht nur die Gesellschaft in Deutschland unweigerlich auf einen schweren Generationenkonflikt zutreibt. Es war immer nur eine Frage der Zeit, bis er mit Macht ausbricht. Mißfelder hat das Sommerloch genutzt, um die Initialzündung zu besorgen.

Wir würden das Thema hier nicht behandeln, wenn mit den Äußerungen des Jungpolitikers nicht der Kern des Problems, nämlich die Finanzen, auf drastische Weise zutage getreten wäre. Es geht nicht um Humanität oder Caritas im moralisch-ethischen Sinne, sondern ganz trivial und obszön um den Kies.

Wer sich erschrocken oder bestürzt darüber zeigt, ist entweder ein Heuchler oder ein blinder Idealist. Andere Länder sind bei der Be- und Verarbeitung des Generationen-Themas schon viel weiter. Und es zeigt sich auch, dass der Gewöhnungseffekt bei dem, was in Deutschland noch als Reizthema wahrgenommen wird, eine bedeutende Rolle spielt. Was heute noch als unglaublich empfunden wird, kann morgen eine Selbstverständlichkeit sein.

So wurde in Großbritannien schon Ende der achtziger Jahre in medizinischen Fachzeitschriften offen darüber diskutiert, welche Behandlungen man Patienten von einem gewissen Alter an nicht mehr zukommen lassen sollte, um das Gesundheitssystem finanziell nicht unnötig zu belasten.

Etwa zur gleichen Zeit bemühte sich die Regierung in Japan, ein "Volk ohne Raum", Land in Neuseeland zu erwerben, um dort Refugien für seine Alten schaffen zu können. Man könnte auch sagen: "um seine Alten zu entsorgen". Die Neuseeländer winkten seinerzeit ab.

Gerade in diesen Tagen hat der japanische Finanzminister, Shiokawa (selbst 81 Jahre alt), nach einem Reuters-Bericht einen neuen Vorstoß in dieser Sache unternommen. Diesmal waren die Philippinen das Ziel. Shiokawa würde die japanischen Rentner gerne in Altersheimen des Inselstaates unterbringen, um das eigene Gesundheitssystem zu entlasten. Dies käme seiner Darstellung nach dem philippinischen Arbeitsmarkt zugute, denn dann würden Pflegekräfte benötigt, die aus dem großen Potential junger Menschen dort geschöpft werden könnten. Die Regierung in Manila hat dem fürs erste entgegnet, Japan solle seinen Arbeitsmarkt für philippinische Kräfte öffnen.

Irgendwann wird das beharrlich vorgebrachte Ansinnen der Regierung in Tokio wegen der Verlockung des Geldes irgendwo auf "Einsicht" stoßen, und dann beginnt die Deportation der Alten. Und irgendwann wird jeder Deutsche aus dem Internet erfahren können, was er in seinem konkreten Alter noch an medizinischen Reparaturarbeiten zu erwarten hat, wenn er von Leistungen des öffentlichen Gesundheitswesens abhängt.

Dies alles ist wohl nicht mehr aufzuhalten. Man mag darüber in tiefe Traurigkeit oder in Depressionen versinken, aber es wird sich wieder einmal zeigen, dass Humanismus, Ethik und Moral der normativen Macht des Faktischen, nämlich dem Mangel an Kies, nicht standzuhalten vermögen. Wir alle müssen uns noch auf einiges gefasst machen.

Und wie war das noch mit Alf, dem kuriosen Alien in der beliebten, so viele unliebsame Wahrheiten transportierenden Fernsehserie? Von seiner irdischen Gastfamilie befragt, wie denn das Leben auf seinem Stern zu Ende gehe, antwortete er: "Bei uns weiß jeder genau, wann er stirbt. Zwölf Monate vorher werden ihm seine Kreditkarten abgenommen."

(Qulle: Arnd Hildebrandt, Taurosweb)

Geschrieben von Richard Ebert am
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