° Rohöl: Die Opec hat den Markt fest im Griff
Der Preis für Rohöl macht sich auf den Weg nach oben – Die Opec hat den Markt fest in Griff – Die IEA erweist sich mit ihren Lagebeurteilungen immer wieder als blauäugig
(17.11.2003) Der Preis für Rohöl in New York scheint im Begriff zu sein, charttechnisch nach oben auszubrechen. London hinkt hinterher, doch liegt dies zum Teil daran, dass dort die Entwicklung in New York am Freitag wegen der Zeitdifferenz nicht mehr ganz nachvollzogen werden konnte. Zum Teil erklärt sich die leicht unterdurchschnittliche Preisentwicklung auch damit, dass die Spekulation am Terminmarkt in New York wesentlich aktiver ist als in London.
Händler legen übereinstimmend dar, dass der jüngste Preisschub wesentlich auf der Abdeckung spekulativer Baisse-Positionen beruhte. Der jüngste amtliche Bericht über die Aufteilung der offenen Positionen nach dem Stand vom 11. November sagt nicht mehr viel über die Realität aus, die am 14. November herrschte. Es kann jedoch mit einiger Zuverlässigkeit vermutet werden, dass die Fonds beim Aufbau neuer Kaufengagements ihr im üblichen Rahmen liegendes Potential bei weitem noch nicht ausgeschöpft haben.
Folglich besteht aus rein technischer Sicht eine gute Chance für einen neuen Preisschub, der die Notierungen dann eindeutig nach oben ausbrechen lässt.
Auch auf der fundamentalen Seite wird steigenden Preisen nicht viel entgegenstehen. Aus rein saisonaler Sicht weist die Tendenz ohnehin nach oben.
Der neue Monatsbericht der Internationalen Energie-Agentur (IEA) zeigt, dass der Markt mehr Öl aus dem Opec-Bereich benötigt, um den wachsenden Bedarf ohne krasse Preissteigerungen decken zu können. Mit anderen Worten: Das Kartell hat den Ölmarkt unter Kontrolle, und das zu einer Jahreszeit, in der niedrige Temperaturen auf drei volle Monate hinaus kräftige Nachfrageschübe auslösen können.
Anzumerken bleibt, dass die IEA in kritischer werdenden Versorgungssituationen nicht eben berüchtigt ist für einen realistischen Blick. Sie neigt dazu, das Bild weicher zu zeichnen, als es in Wirklichkeit ist. Im Klartext: Sie überschätzt häufig das Angebot und unterschätzt die Nachfrage. (Siehe hierzu „Wussten Sie schon ...?“ vom 26.8.2003, im ARCHIV)
Doch neben einer Fehleinschätzung der Versorgungslage schwelen noch andere Gefahren, die die Situation schlagartig zum Schlechteren wandeln können. Hier ist vor allem Venezuela zu nennen. Bei diesem Opec-Mitglied handelt es sich unverändert um einen hochgradigen, in der öffentlichen Debatte aber wenig beachteten Unsicherheitsfaktor für die Versorgung mit Rohöl besonders des amerikanischen Marktes.
Im Lande rumort es, denn breite Schichten der Bevölkerung streben unbeirrt nach der Ablösung von Staatspräsident Chavez. Jederzeit können Unruhen ausbrechen, wie sie Anfang Dezember 2002 einsetzten. Die monatlang unterbrochenen beziehungsweise gedrosselten Ölexporte dieses Landes sind rein rechnerisch zu einem guten Teil für die noch immer extrem geringen Ölvorräte in den bedeutenderen Verbraucherländern verantwortlich.
Es ist noch immer nicht klar, welche Mengen Venezuela derzeit wirklich exportiert. Niemand glaubt amtlichen Angaben aus Caracas, nach denen die Förderung bei 3,3 Millionen Barrel am Tag und damit auf dem Niveau liege, das vor Ausbruch der Unruhen vor zwölf Monaten herrschte.
Frühere Mitarbeiter das staatlichen Ölkonzerns Petroleos de Venezuela (PDV) behaupten, die Produktion bewege sich eher bei 2,6 Millionen Barrel täglich. Händler sind geneigt, den geringeren Schätzungen zu folgen. Die amtlichen Behauptungen sollten nicht nur den Eindruck von Normalität vermitteln, sondern auch für Ruhe bei den Gläubigern Venezuelas sorgen, denn dieses Land sei hoch verschuldet, heißt es.
(Quelle: Arnd Hildebrandt, Taurosweb)