Richard Ebert
Mitglied seit 11 Jahre 2 Monate

° Rohöl: Kein Raum für nachhaltig fallende Preise

Am Markt für Rohöl besteht kein Raum für nachhaltig fallende Preise – Der nächste Winter wird heiß

(10.07.2003) Der Preis für Rohöl schiebt sich unter vergleichsweise geringen Schwankungen immer weiter nach oben. In New York hat er sich wieder fest über der psychologisch bedeutsamen Marke von 30 Dollar je Barrel etabliert. Der Markt widerspricht mit seiner festen Grundtendenz offenkundig den ungezählten Auguren, die seit geraumer Zeit und noch immer wesentlich niedrigere Preise ankündigen.

Auf der technischen Seite ist unter eher kurzfristigen Aspekten zu beachten, dass die spekulativen Fonds ihre Netto-Kaufpositionen im Energie-Komplex bis zuletzt immer weiter ausgebaut haben. Die Schwerpunkte des Interesses der Fonds liegen derzeit bei Rohöl und Benzin. Die hohen Kauf-Positionen sprechen für latenten Liquidationsdruck. Es fehlt nur noch der Auslöser. Die Nachricht vom Ende des Generalstreiks in Nigeria hat dazu jedenfalls nicht gereicht.

Das große Bild wird unverändert von der Vorratslage bestimmt. Die Bestände an Rohöl liegen nach wie vor deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt. Der Juli-Bericht der Internationalen Energie-Agentur (IEA) steht zwar noch aus, doch kann angenommen werden, dass sie auch diesmal wieder ausführlich auf die Vorratslage eingeht. Im Juni hatte sie die Bestandszahlen für den OECD-Bereich kräftig nach oben revidiert. Dennoch stellte sie fest, dass die Vorräte Ende April den Bedarf von gerade einmal 52 Tagen deckten.

Besonders kritisch steht es um die Ölbestände in den USA. Nimmt man die jüngsten Zahlen der American Petroleum Institute (API) und der staatlichen Energy Information Agency, so ergibt sich eine für die Wirtschaft frei verfügbare Menge von gut 280 Millionen Barrel. Dies sind rund 33 Millionen Barrel weniger als vor einem Jahr zu dieser Zeit. Ein nennenswerter Aufbau während des dritten Quartals ist sehr unwahrscheinlich. Daher werden die USA mit Vorräten in den Herbst und Winter gehen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit unter dem als gerade noch hinnehmbaren Niveau von etwa 270 Millionen Barrel liegen.

Wer glaubt, die Lage in den USA berühre das westeuropäische Angebot nicht, befindet sich auf dem Holzweg. Wenn die Preise in den USA anziehen und in Europa zunächst stabil bleiben, erhöht sich die Differenz (Spread) zwischen West Texas Intermediate (WTI) in New York und Brent-Öl in London, der sich normalerweise zwischen 1,50 und 2 Dollar je Barrel bewegt. Je mehr sich der Spread ausweitet, desto mehr Öl fließt von Europa ab oder an Europa vorbei in die USA. In der Folge ziehen auch die europäischen Preise an.

Die Wahrscheinlichkeit, dass besonders die USA mit extrem geringen Vorräten in den Winter gehen, gilt in Fachkreisen als der entscheidende Grund dafür, dass der Ölpreis nicht den Sirenentönen der Auguren gefolgt ist und den angekündigten Abstieg verweigert hat. Und dabei wird es, abgesehen von gelegentlichen Schwankungen nach unten hin, auch bleiben. Von einer weiteren Produktionssenkung der Opec am 31. Juli kann vor diesem Hintergrund keine Rede sein.

(Quelle: Arnd Hildebrandt, Taurosweb)

Geschrieben von Richard Ebert am
Richard Ebert
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