Richard Ebert
Mitglied seit 11 Jahre 2 Monate

° Rohöl: Längerfristig drohen Verknappungserscheinungen

(04.04.2003) Der Ölmarkt hat nach seinem schweren Einbruch von Mitte März bisher nur wenige überzeugende Erholungsansätze vollbracht. Dies ist durchaus verständlich, denn er kann zu diesem Zeitpunkt als gut versorgt bezeichnet werden.

Dieser Zustand kann sich über das gesamte zweite Quartal bis ins dritte hinein erstrecken, wenn nichts Unerwartetes dazwischen kommt. In dieser Zeit werden die Weltvorräte nach dem zurückliegenden und vor dem nächsten Winter wieder aufgestockt. Doch das hat nichts Beruhigendes, denn es ist unbedingt erforderlich und saisonal üblich.

Trotz des vorgezeichneten Wiederaufbaus der Vorräte kann aber heute schon ohne großes Risiko vorausgesagt werden, dass es nicht gelingen wird, die Bestände bis zum Spätherbst auf das Niveau zu erhöhen, das erforderlich ist, um ohne Besorgnis über neuerliche starke Preissteigerungen auf den kommenden Winter blicken zu können. Eine Erholung der Weltkonjunktur, die den Bedarf an Öl zunehmen ließe, würde die Situation im Herbst noch brisanter gestalten.

Dies ist das große Bild, das unserer Ansicht nicht aus den Augen verloren gehen darf.

Doch nun zu den eher kurzfristigen Aspekten. Zur gegenwärtigen technischen Lage am Ölmarkt in New York erklärt Richard McCabe, der Cheftechniker von Merrill Lynch, die vorhandene Stützung und die Dynamik des Marktes sprächen für eine Fortsetzung der auf den scharfen Einbruch hin entstandenen Erholung. Sollte jedoch die inzwischen 18 Monate alte Aufwärtstrendlinie unterschritten werden, würde dies bedeuten, dass der Markt zur Korrektur der gesamten, bis November 2002 zurückzuverfolgenden Hausse ansetzen könnte.

Die Lage in Nigeria, wo Unruhen eine Senkung der Produktion um 800 000 Barrel am Tag erzwungen haben, bleibt unübersichtlich und angespannt. Es kann durchaus sein, dass sich dieses als eher kurzfristig eingestufte Phänomen zu einem längerfristigen auswächst. Im November finden in Nigeria nämlich Wahlen statt.

Das Land verfügt über eine Förderkapazität von 2,3 Millionen Barrel täglich, wovon unter normalen Bedingungen rund 2 Millionen Barrel exportiert werden, davon etwa die Hälfte in die USA. Das nigerianische Öl ist sehr begehrt, denn es lässt sich ohne großen Aufwand zu Benzin raffinieren. Anhaltende Lieferausfälle können große Bedeutung für den unterversorgten Benzinmarkt in den USA haben, wo die Nachfrage bald aus saisonalen Gründen stark zunehmen wird.

Und zum Schluss wieder ein langfristiger Aspekt. Hoffnungen auf eine baldige, nennenswerte Steigerung der Ölproduktion im Irak nach dem Ende der Kampfhandlungen über das zuletzt normale Niveau hinaus hat das britische Royal Institute of International Affairs jetzt gedämpft. Es vermutet, dass sich die dann mit der Förderung betrauten Ölgesellschaften bei den erforderlichen massiven Investitionen in den ersten Jahren der Nach-Saddam-Ära sehr zurückhaltend zeigen dürften. Sie wüssten ganz einfach nicht, ob die dann von den USA zu installierende Regierung den angestrebten Erfolg haben werde. Selbst unter günstigen Umständen sei erst nach fünf Jahren mit einer deutlich höheren irakischen Förderung zu rechnen.

(Quelle: Taurosweb)

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Rohölfutures über 1.000 Barrel werden an der Nymex in New York und über das elektronische Handelssystem gehandelt. Ein Anstieg oder Rückgang um 1 Dollar entspricht 1.000 Dollar Gewinn oder Verlust.

Ein weiterer Terminkontrakt auf Brent Crude Oil wird an der IPE in London gehandelt, einige Banken bieten darauf Call- und Put-Optionsscheine an.

Geschrieben von Richard Ebert am
Richard Ebert
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gautama2
Mitglied seit 11 Jahre 2 Monate

"Sie wüssten ganz einfach nicht, ob die dann von den USA zu installierende Regierung den angestrebten Erfolg haben werde."

Das ist ein interessanter Punkt. Ein Laie wie ich hätte gedacht, daß die Amis mit Hurra hineinrasen und die Regierungsaufträge abarbeiten, bzw. das Öl so schnell wie möglich fördern werden, damit den Ölpreis drücken und ihre Wirtschaft unterstützen. Wenn das nicht so einfach wäre, dann wüsste das die US Ölindustrie doch nicht erst seit gestern, und somit wäre der Kriegsgrund nicht das Öl, wie ich es bisher angenommen habe.

Meines Erachtens versuchen die Amerikaner und Briten mit diesem Krieg wieder die Kontrolle zu bekommen, die sie zwischen den Weltkriegen über dieses Gebiet hatten. Immerhin haben die Engländer damals den ersten irakischen König ernannt (der hiess übrigens Hussein) und hatten mit den Amis ein Abkommen über die Verwertung der Ölvorkommen. Alles schien unter Kontrolle, bis der WK2 und nicht zuletzt die Türkei ihnen eine Strich durch die Rechnung gemacht hat. Wie sich die Geschichte wiederholt :)

Politik ist eine sehr langfristige Angelegenheit. Zweifel an zukünftiger Zurückhaltung der Ölleute im Irak habe ich auch, weil man ja auch in Nigeria fördert, obwohl die Regierung anscheinend nicht besonders gut unter amerikanischer Kontrolle ist und in dieser Analyse ebenfalls als recht unsicher dargestellt wird. Nimmt man da nicht eher eine vorläufig sichere Regierungssituation, unter amerikanischer Kontrolle als willkommene Gelegenheit, um hier schnellstens soviel Öl wie möglich abzuzweigen?

Solange die Investitionen schnell genug amortisiert sind, kann es doch egal sein, ob sich die Übergangsregelung langfristig bewährt, und Regierungsgelder fließen sicher genug. Je eher man anfängt umso schneller hat man sein Geschäft gemacht, bevor es wieder unsicher werden könnte. Die US Kräfte ziehen sich aber nicht so schnell aus der Ecke zurück. Nicht nochmal die Kontrolle verlieren. Es wäre zu peinlich, wenn der Aufwand am Ende nichts gebracht hätte.

So empfinde ich es als recht einfach gestrickter Mensch, was dieses Thema betrifft. Wie sehen das die Ölprofis unter uns? Vielleicht bin ich auch zu langfristig in meinen Überlegungen. Aber wenn Bush jetzt seine Wirtschaft anschiebt und einen Boom erzeugen kann, wird er bestimmt, wie Reagan, wiedergewählt. Dazu muss er noch nicht mal ein überzeugendes Programm haben. Er hat das Ruder herumgerissen und nur das zählt dann in dem Moment.

Er wird sicher alles tun, um die Firmen hineinzulocken, wenn diese Vorbehalte tatsächlich bestehen. Dann gibt es bestimmt irgendwelche Garantien und Hilfen, so wie er momentan die Fluggesellschaften auch nicht hängen läßt. Solange sich noch Terrorismusbekämpfungsgelder aus dem Haushalt quetschen lassen, kann die "notleidende" Industrie sicher sein. Langfristig gesehen, hat auch in den Zeiten größter Überproduktion immer ein Geschrei geherrscht, daß die Vorräte knapp werden.

"Dies ist das große Bild, das unserer Ansicht nicht aus den Augen verloren gehen darf" Es gibt auch noch langfristigere Bilder.

Viele Grüße

gautama2
Mitglied seit 11 Jahre 2 Monate

Kleine Korrektur: Dieser erste irakische König hieß Feisal und war der dritte Sohn von Hussein, dem Scherifen von Mekka. Die Engländer haben Hussein damals angestiftet, einen Aufstand gegen die Türken anzuzetteln, um dem osmanischen Reich den Rest zu geben und Hussein und seine Söhne sollten daraufhin die ehemaligen Provinzen des osmanischen Reichs "übernehmen" dürfen.

Zuerst haben die Engländer Feisal auf den syrischen Thron gesetzt, aber die Franzosen haben ihn dann wieder runtergeschmissen. Daraufhin machte ihn Churchill zum König von Irak. Das hielt dann etwas länger. Ein anderer Sohn wurde König von Transjordanien, wie es damals noch hieß. Also das war alles schön verteilt und geriet dann leider außer Kontrolle.

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