° Rohöl: Preiseinbruch ist krasse Verzerrung der Realität
Der Einbruch des Ölpreises ist eine kurze Episode – Das zyklische Hoch von 40 Dollar kann durchaus wieder erreicht werden
(16.09.2003) Der Preis für Rohöl ist scharf eingebrochen. Charttechnisch kann inzwischen kein Zweifel mehr daran aufkommen, dass die Anfang Mai entstandene Hausse gebrochen wurde. Aus dieser Sicht scheint nach unten hin alles offen zu sein.
Bemerkenswerterweise läuft der Einbruch in einer Phase ab, in der die Analysten vieler Investmentbanken ihre Prognosen zur Entwicklung des Ölpreises für den Rest des Jahres und 2004 anheben. Zuvor waren diese Voraussagen fast durchweg als viel zu niedrig angesehen worden.
Man könnte also sagen, wir erleben am Ölmarkt gegenwärtig eine Phase, in der sich Realität und Visionen einander angleichen oder sogar kreuzen. Doch vieles spricht dafür, dass dieser Prozess nicht mehr lange anhält.
Wir alle wissen, dass die spekulativen Fonds auch an den Terminmärkten für Rohöl wenigstens phasenweise eine beherrschende Rolle spielen. Daher ist es stets hilfreich, die wöchentlich erscheinenden Daten der amerikanischen Aufsichtsbehörde CFTC über die Aufteilung der offenen Positionen auf die unterschiedlichen Kategorien von Marktteilnehmern aufmerksam zu verfolgen.
Fest steht, dass die Fonds ihre zweifelsfrei sehr hohen Kaufengagements bereits deutlich abgebaut hatten, bevor der eigentliche Preiseinbruch begann. Händler vermuten, dass die Fonds sowohl bei Roh- als auch bei Heizöl inzwischen sogar netto auf der Baisse-Seite liegen. Nur bei Benzin bestehen möglicherweise noch Netto-Kaufengagements.
Wenn bei Öl nun wirklich Netto-Baissepositionen bestehen, ist dies die Saat für den nächsten Aufschwung, dem mit hoher Wahrscheinlichkeit nur begrenzte Verkaufsbereitschaft gegenüberstehen dürfte.
Der Opec kommt der Preiseinbruch gerade recht, denn sie wird sich nicht mehr argumentativ verrenken müssen, wenn sie am 24. September beschließt, ihre Fördermenge im vierten Quartal bei 25,4 Millionen Barrel am Tag zu halten.
Das große Bild zeigt unverändert einen Ölmarkt, der kurz vor Beginn der Heizperiode auf der nördlichen Halbkugel von extrem geringen Beständen in den bedeutenden Verbraucherländern geprägt ist.
Das große Bild offenbart ferner einen Markt, dessen neues Kennzeichen eine ungewöhnlich hohe Förderdisziplin der Opec ist. Manche Produzenten können die ihnen zustehende Quote aus technischen Gründen nicht ausschöpfen. Daher fallen jene, die ihre Quoten überziehen, bei der Gesamtbetrachtung nicht auf.
Im Endergebnis ist unbestreitbar, dass das Kartell den Markt wieder fest im Griff hat. Die Kontrolle wächst zunächst in dem Maße, in dem sich die Weltwirtschaft erholt und mehr Öl benötigt.
Der Einbruch des Ölpreises ist in unseren Augen eine krasse Verzerrung der Realität und damit Vorläufer eines neuen Aufschwungs, der im Winter in New York durchaus wieder auf das vor dem Irak-Krieg verzeichnete zyklische Hoch von rund 40 Dollar je Barrel zurückführen kann.
(Quelle: Arnd Hildebrandt, Taurosweb)