° Rohöl schwächelt / langfristige Lage bleibt sehr angespannt
Der Markt für Rohöl beginnt aus saisonalen Gründen zu schwächeln – Die Versorgungslage bleibt unter langfristigen Aspekten sehr angespannt
(04.02.2004) Der Preis für Rohöl gerät zunehmend unter Druck. Ein wahrer Ausverkauf kann in den nächsten Wochen nicht ausgeschlossen werden. Der Winter auf der nördlichen Halbkugel neigt sich langsam seinem Ende zu. Die kommerziellen Marktteilnehmer können jetzt abschätzen, dass die vorhandenen Vorräte einigermaßen ausreichen, um den Bedarf bis zum Eintreffen milderen Wetters zu decken.
Auf der technischen Seite ist von Bedeutung, dass die Fonds an den Terminmärkten für Rohöl und Destillate trotz umfangreicherer Liquidationen noch immer über beachtlich hohe Kaufengagements verfügt. Hier liegt die Gefahr eines Ausverkaufs, der alle heutigen Preisvorstellungen in den Schatten stellen kann.
In diesem Zusammenhang ist interessant, dass gerade in jüngster Zeit viele Analysten ihre Preisprognosen für die überschaubare Zukunft angehoben haben. Die „herrschende Meinung“ scheint wieder einmal ins Messer des Marktes laufen zu wollen.
Ein denkbarer Preisverfall darf aber in keinem Stadium Gedanken daran aufkommen lassen, dass alle Versorgungsprobleme vom Tisch seien. Zwar wird die Nachfrage nach dem Ende des Winters wie immer zurückgehen, doch das dann vorhandene Angebot wird dringendst benötigt, um die Vorräte zunächst für den Mehrbedarf besonders an Benzin während des Sommers und dann für den Winter 2004/05 wieder auf ein akzeptables Niveau aufzubauen.
Die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) tagt am 10. Februar. Wie die Dinge heute liegen, wird entgegen früheren Ankündigungen keine Produktionssenkung beschlossen. Das Kartell würde sich andernfalls der Lächerlichkeit preisgeben, denn es muss zunächst einmal die wieder notorisch werdende Überproduktion im eigenen Kreis herunterfahren. Die offizielle Fördermenge liegt bei 24,5 Millionen Barrel am Tag, doch es werden seit Monaten rund 26 Millionen Barrel oder mehr produziert.
Ferner wird für die Opec langsam die Frage akut, wie mit dem Irak umgegangen werden soll. Er stellt den Anspruch, wieder zum aktiven Mitglied des Kartells zu werden. Wenn dies geschieht, erhält er wieder eine Förderquote, die aber zu Lasten anderer Mitglieder gehen muss. Damit ist ein heftiger Streit innerhalb der Opec vorgezeichnet, zumal einige Mitglieder, darunter Algerien und Nigeria, höhere Quoten verlangen. Es ist durchaus vorstellbar, dass das Kartell an einem solchen Streit zerbricht oder völlig neu formiert werden muss.
Das Hauptrisiko, das nun einem saisonal bedingten Preisrückgang entgegensteht, ist unverändert die innenpolitische Lage in Venezuela. Dort kann es jederzeit zu einem weiteren Generalstreik kommen, weil große Teile der Bevölkerung den Staatspräsidenten Chavez aus dem Amt treiben wollen.
(Quelle: Arnd Hildebrandt, Taurosweb)