Richard Ebert
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° Rohöl: Werden kommende Versorgungsprobleme unterschätzt ?

Der Rohölmarkt bewegt sich auf einem schmalen Grat - Viele Analysten unterschätzen oder ignorieren die Versorgungsprobleme

(04.07.2003) Es ist schon verwunderlich, wie stur tatsächliche und vermeintliche Experten behaupten, dass der Preis für Rohöl überzogen hoch sei und dass er eher früher als später steil einbrechen werde. Dies wird gerade jetzt wieder einmal deutlich, da die Preisprognosen für das zweite Halbjahr und auch für 2004 neu formuliert wurden.

Die Saga von fallenden Ölpreisen hält sich offenbar deshalb so hartnäckig, weil alle akuten Gründe, die das gegenwärtige Niveau rechtfertigen könnten, ausgeräumt zu sein scheinen. Der Streik in Nigeria und mit ihm verbundenen Unruhen werden bis jetzt noch als vorübergehendes, das Angebot nicht nennenswert berührendes Ereignis gewertet.

Vielerorts scheint es an der Fähigkeit zu mangeln, das große Bild des Ölmarktes richtig zu sehen oder zu deuten. Dies ist schon daran zu erkennen, welche Bedeutung die Kommentatoren den wöchentlich erscheinenden Bestandszahlen des American Petroleum Institute (API) zuschreiben. Dabei müsste jedem klar sein, dass die Zahlen stark von Zufällen geprägt werden. Es wird sogar behauptet, sie würden mitunter aus opportunistischen Gründen "etwas geglättet".

Die Unzuverlässigkeit der Daten des API, einem mächtigen Interessenverband, ergibt sich schon daraus, dass sie häufig im nachhinein stark revidiert werden. Das eigentliche Interesse sollte den Zahlen der staatlichen Energy Information Agency (EIA) gelten, die am Tag nach der Bekanntgabe der Daten des API erscheinen. Über sie wird in der Regel aber gar nicht gesprochen.

Doch das ist nur ein keiner Exkurs, der deutlich machen soll, wie unsinnig und gefährlich es ist, kurzfristige Zahlen zu deuten und sich aus ihnen ein Bild von der Lage am Ölmarkt zurechtzuzimmern.

Wirklich wichtig ist, dass sich die Ölbestände in den Ländern der OECD nach wie vor erheblich unter ihrem zu dieser Jahreszeit verzeichneten langjährigen Durchschnitt befinden. Wichtig ist ferner, dass alle Hoffnungen auf baldige umfangreiche irakische Exporte auf Sand gebaut sind. Von Bedeutung ist ferner, dass Unterbrechungen der Förderung und des Exports, wie sie jetzt in Nigeria drohen, weiter an den Beständen zehren, die so dringend erforderlich sind, um den nächsten Winter ohne Versorgungsprobleme und steil steigende Preise zu überstehen. Nicht vergessen werden darf auch, dass es auch in Venezuela weiter rumort. Neuerliche Lieferausfälle von längerer Dauer dieses besonders für die USA bedeutenden Produzenten wären ein Desaster.

Neben anderen Aspekten bleibt noch Iran zu erwähnen. Es wird immer deutlicher, dass Präsident Bush in der Region richtig aufzuräumen gedenkt. Wenn der Sommer mit seinen hohen Temperaturen zu Ende geht, könnte die Propagandamaschine in Washington wieder auf volle Touren gebracht werden, um diesmal militärische Aktionen gegen Iran und seine nuklearen Vorhaben anzukündigen. Nicht auszudenken, was dies ausgerechnet vor dem Winter für den Ölmarkt bedeuten würde.

Alle diese Aspekte rechtfertigen die herrschenden Ölpreise, gemessen an den nahen Terminkontrakten, ohne weiteres. Wenn die entfernteren aufzuholen und die Spreads schwinden, wäre dies ein untrügliches Zeichen dafür, dass auch die Zweifler und Ignoranten zu begreifen beginnen, welche Versorgungsprobleme noch drohen könnten.

(Quelle: Arnd Hildebrandt, Taurosweb)

Geschrieben von Richard Ebert am
Richard Ebert
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