° Über den Dollar, den Euro, Kapitalmarktzinsen und Kompromisse
Beim Treffen der G-7 in Boca Raton prallen unvereinbare Interessen aufeinander
Über den Dollar, den Euro, die Kapitalmarktzinsen und einen wahrscheinlich geheimen Kompromiss
(06.02.2004) An diesem Wochenende treffen sich die Finanzminister und die Notenbankchefs der sieben führenden Industrieländer (G-7) in Boca Raton. Der Platz im amerikanischen Bundesstaat Florida ist für die Jahreszeit gut gewählt: nicht zu heiß, nicht zu kalt.
Doch bei diesem Treffen wird es heiß zugehen, denn es prallen extrem unterschiedliche Interessen aufeinander. Den Teilnehmern geht es um deren Durchsetzung, wie denn auch bei Gesprächen und Verhandlungen selbst zwischen befreundeten Ländern keine Sentimentalitäten und Tugenden eine Rolle spielen, sondern nur die jeweiligen Interessen. Können sie nicht auf Kongruenz getrimmt werden, enden solche Treffen ergebnislos.
Und das könnte auch das Schicksal dieser G-Tagung sein. Aber nur vielleicht. Sie ist Routine und seit langem geplant, obgleich manche Medien den Eindruck erwecken, als handele es sich um ein unter dem Druck der Dollar-Schwäche zustande gekommenes Nottreffen. Die Erwartungen sind publizistisch hochgespielt worden, was man schon daran erkennen kann, dass dieser Tagung ein so hoher Rang eingeräumt wird wie dem legendären Plaza- und dem Louvre-Treffen. Diese Bezeichnungen stehen für Entscheidungen der G-7, die wirkliche Wirtschaftsgeschichte geschrieben haben.
Doch wie die Dinge im Augenblick stehen, wird jedenfalls Boca Raton nicht in diese Spitzenklasse gelangen. Dies dürfte einer späteren Tagung an einem anderen Ort vorbehalten bleiben.
Wenn wir nun einmal betrachten, worum es geht, ist es sinnvoll, mit dem zu beginnen, was wir wirklich wissen:
1) Die Finanzmärkte befinden sich in einem aufgewühlten Stadium. Sie wissen nicht, wie es mit dem US-Dollar und den Zinsen weitergehen soll. In diese wirtschaftlich schädliche Unruhe hat der Arbeitsmarktbericht aus den USA für den Januar zusätzliche Bewegung gebracht.
2) Die USA benötigen einen nachhaltig schwachen Dollar, um ihre Leistungsbilanzprobleme auch nur einigermaßen in den Griff bekommen zu können. Der schwache Dollar soll zudem über zunehmende Auslandsnachfrage nach US-Erzeugnissen sehr konkret die Konjunktur fördern. Die US-Regierung hat sich nur in wirklich akuten Phasen um den Dollar gekümmert. Und das geschah immer nur dann, wenn ihr Leidensdruck hoch genug worden war. Ihr Interesse kann in der gegenwärtigen Lage nur dahin gehen, der Dollar-Schwäche freien Lauf zu lassen. Der Leidensdruck sitzt an anderer Stelle, wie unten noch dazulegen sein wird.
3) Europa, und hier vor allem der Euroraum, sieht in der Kehrseite der Dollar-Schwäche, nämlich der Aufwertung des Euro und des Pfund Sterling, eine Behinderung des Exports mit Verlust von Anteilen am Weltmarkt. Der schwer angeschlagenen Wirtschaft im Euroraum kann eine fortschreitende Aufwertung des Euro nur schaden. Der Leidendruck der europäischen Politiker ist zwar schon spürbar, aber es ist noch nicht massiv genug, um das zu bewirken, was letztlich unabdingbar ist: Bis auf die Knochen gehende Reformen. Andernfalls würde das Ausscheiden des Euroraums aus dem Rennen der Großen in der Weltwirtschaft drohen. Die Europäer werden daher in Boca Raton nicht glaubwürdig erscheinen, wenn sie jammern und ein konzertiertes Ende der Dollar-Baisse verlangen sollten.
Die Interessen der Japaner decken sich weitgehend mit denen der Europäer.
Das ist also, was wir über das große Bild oder die Interessenlage wissen. Sollen wir vor diesem Hintergrund einmal raten, was in Florida passiert?
Nichts bis wenig, wenn da nicht doch noch ein handfestes Interesse der Amerikaner wäre. Sie müssen im gegenwärtigen Stadium ihrer Wirtschaftslage steigende Kapitalmarktzinsen fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Höhere Kapitalmarktzinsen würden die hoch verschuldeten Verbraucher in den USA in die Knie zwingen, und dies zu einem Zeitpunkt, da die Wirtschaft noch nicht einmal halbherzig zu investieren beginnt.
Eine unkontrollierte weitere Abwertung des Dollar ließe die Kapitalmarktzinsen in den USA von einem nicht mehr weit entfernten Punkt an steigen, weil das internationale Kapital eine wachsende Risikoprämie fordern würde, um sich überhaupt in die USA zu bewegen und die Defizite dort zu finanzieren. Folglich muss das Interesse der Amerikaner darauf gerichtet sein, die unabdingbare Abwertung des Dollar in kontrollierten Bahnen verlaufen zu lassen. Hier müssen sie, wenn es erforderlich werden sollte, nachgeben und einen Kompromiss eingehen.
Wie ein solcher Kompromiss konkret aussieht, wird die offizielle Erklärung zu diesem Treffen der G-7 nicht offenbaren, denn dieses Gremium will die Akteure an den Finanzmärkten gewiss nicht dazu einladen, ihre Pläne zu durchkreuzen.
Sollten aber wider Erwarten doch konkrete Vorhaben bekannt gegeben werden, wäre dies wohl ein eindeutiges Zeichen dafür, dass es bereits unter dem Dachstuhl brennt.
Es wird spannend, vielleicht sogar turbulent. Bleiben Sie angeschnallt!
(Quelle: Arnd Hildebrandt, Taurosweb)
Gleitende Durchschnitte: 13 und 52 Wochen
Es sind doch schon länger die G8-Staaten. Wer fehlt denn in Florida?
"Der G8-Gipfelzyklus wird 2003 in Frankreich erneut beginnen, gefolgt von den Vereinigten Staaten (2004), dem Vereinigten Königreich (2005), Russland (2006); Deutschland (2007), Japan (2008), Italien (2009) und Kanada (2010)."
http://www.bundesregierung.de/dokumente/Artikel/ix_86307.htm
Die Russen fehlen.
'1991 kam es erstmalig zu einem Nachgipfeldialog mit dem russischen Präsidenten. Sich der politischen Bedeutung Russlands bewusst, veranstalteten die G7 Mitglieder seit 1994 nach jedem regulären Gipfelmeeting ein politisches achter Treffen.'
http://www.weltpolitik.net/sachgebiete/wirtschaft/article/1625.html
G8 treffen sich erst im Sommer.
gruss hans