° Visionen werden dahinschmelzen wie Eis in der Sommersonne !
Die Finanzmärkte haben Leimruten ausgelegt – Wehe dem, der auf sie kriecht !
(21.08.2003) „Eine Belebung der Wirtschaft in den USA ist im wesentlichen noch immer nur eine Prognose, nicht aber eine Realität.“ Das erklärt Credit Suisse First Boston. Und die Investmentbank steht damit nicht einsam da. Vom Euroraum wollen die meisten mit Blick auf eine Erholung überhaupt nicht reden, zumal Frankreich gerade an der Schwelle zur Rezession steht. In ganz Westeuropa befinden sich Deutschland und Italien neben den Niederlanden und der Schweiz bereits im Keller.
Die Finanzmärkte, allen voran die Aktienbörsen, verhalten sich aber, als befänden sich die USA bereits inmitten eines kräftigen, dauerhaften Aufschwungs und als stünde Westeuropa kurz vor einem solchen. Die Märkte machen genau das, was sie immer getan haben, wenn eine längere konjunkturelle Flautephase zu Ende zu gehen schien. Geradezu mechanisch folgen sie historisch vorgezeichneten Mustern. Einige Konjunkturdaten reichen ihnen offenkundig aus, um das ganze zyklische Programm in Gang ablaufen zu lassen.
Auf die Aktienmärkte wollen wir nicht weiter eingehen. Die Umsätze sind allerorten viel zu gering, als dass von einer wirklich repräsentativen Kursbildung gesprochen werden könnte. Das Argument, dies sei ein jahreszeitlich bedingtes Phänomen, hilft da wenig. Seriöse Käufer sind einfach nicht im Urlaub.
Die Anleihemärkte locken die Optimisten zuhauf auf den Leim. Sie stehen im Ruf, besonders konjunktur- und inflationssensibel zu sein. Ihre Signale, die sie mit kräftig gestiegenen Renditen beziehungsweise mit steil gesunkenen Kursen erteilen, lassen viele Anleger aller Klassen reagieren wie der legendäre Pawlow’sche Hund.
Dabei müsste eigentlich zum einen auffallen, dass die Kapitalmarktzinsen im Euroraum weit genug gestiegen sind, um der strauchelnden Wirtschaft zusätzlich zuzusetzen. Zum anderen kann immer weniger bestritten werden, dass die Ursachen für den massiven Anstieg der Kapitalmarktzinsen in den USA, wie an dieser Stelle mehrfach dargelegt, überwiegend marktechnischer Natur sind.
Und da ist auch noch die Erholung des US-Dollar besonders gegenüber dem Euro. Wieder sind es Anleger aller Klassen, darunter offenbar auch Zentralbanken, die dem Dollar wegen der vermeintlich so positiven Konjunkturperspektiven viel zutrauen. Bedauerlich nur, dass damit das Problem der horrenden Leistungsbilanzdefizite für die USA nicht gelöst, sondern verschlimmert wird.
Im Euroraum ist unterdessen wegen des schwächeren Euro Jubel ausgebrochen. Man glaubt nach einer kurzen enttäuschenden Exportsträhne hier, dass der billigere Euro die Ausfuhren aus dem Stand heraus wieder kräftig wachsen lässt. Dabei wird in vielen Kommentaren und vor allem in der Berichtserstattung der Medien regelrecht unterschlagen, dass es aller Erfahrung nach mindestens sechs, eher aber noch neun bis zwölf Monate dauert, bevor sich nennenswerte Wechselkursveränderungen auch im realen Exportgeschäft niederschlagen. Aber was kann sich in diesen Zeiten bereits ins sechs Monaten alles ändern!
Fazit: Was jetzt in so rosigem Licht dargestellt wird, sind überwiegend Hoffnungen, bestenfalls Erwartungen. Und das Üble daran ist, dass es viel schlimmer wird, wenn diese Visionen dahinschmelzen wie Eis in der Sommersonne. Dann verbleiben nur Schulden, Schulden und nochmals Schulden. Dann wird man auch wieder über die frühzeitig in den Winterschlaf versunkene Deflation sprechen müssen, und zwar intensiver als bisher.
(Quelle: Arnd Hildebrandt, Taurosweb)