° Von Jackson Hole zu Greenspan's Hole ? / US-Geldpolitik
Von Jackson Hole zu Greenspan's Hole ? - Der Fed-Präsident und seine nicht ganz so überzeugenden Gedanken zur Geldpolitik
(01.09.2003) Jackson Hole, der wunderbare Ort hoch in den Bergen von Wyoming, gerät in Gefahr, zum Synonym für das Stricken monetärer Pauschal-Entschuldigungen und Legenden zu werden. Jedenfalls, was Alan Greenspan, den Präsidenten der amerikanischen Notenbank (Fed) angeht, der dort regelmäßig als Redner beim traditionellen Jahressymposion der Federal Reserve Bank of Kansas City auftritt.
Im vergangenen Jahr hatte Greenspan versucht, die Untätigkeit der Fed beim Entstehen der spekulativen Blase an der Wall Street zu erklären (siehe "Greenspan schießt Eigentore", Editorial vom 2.9.2002, im Archiv)
In diesem Jahr folgte eine philosophische Betrachtung über die sich ständig wandelnden Bedingungen, mit denen eine Geldpolitik fertig werden muss. Greenspan trug hier, wie immer wohlformuliert, letztlich nur Trivialitäten vor. Wie Ende August vergangenen Jahres, so bekannte er auch jetzt wieder im Kern, dass Geldpolitik nur der Versuch sein kann, Dinge zu richten, die aus dem Ruder gelaufen sind oder zu laufen drohen. Wen im illustren Kreis des Publikums hat das wohl nicht gelangweilt?
Greenspans offizielles Thema lautete "Monetary Policy under Uncertainty", was, etwas frei übersetzt, bedeutet "Geldpolitik im Zeichen der Ungewissheit". Mehrfach fiel die Bemerkung, Geldpolitik sei Risiko-Management einer Notenbank. Auch Risiko-Management, möchten wir anmerken und damit präzisieren.
Greenspan wollte wohl mitteilen, dass Geldpolitik auch schief gehen kann. Diese Feststellung ist, bei allem Respekt, banal. Vielleicht wollte Greenspan aber auch sagen, dass Geldpolitik mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit schief gehen kann. Das wäre dann schon eine Botschaft gewesen.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass er auf die russische Schuldenkrise vom Herbst 1998 einging und erklärte, seinerzeit habe die Fed trotz einer zufriedenstellenden Verfassung der Wirtschaft in den USA die Geldschleusen geöffnet, um der erklärtermaßen als gering eingeschätzten Gefahr zu begegnen, dass eine Zahlungsunfähigkeit Russlands nicht nur die amerikanischen, sondern auch die internationalen Finanzmärkte mit massiven widrigen Folgen für die Wirtschaft in den USA in Turbulenzen stürzen könnte.
So weit, so gut. Die Fed stand seinerzeit mit ihrer massiven Liquiditätsspritze nicht allein. Doch sie hat es versäumt, nach angemessener Zeit und Eintritt von Ruhe wenigstens einen ansehnlichen Teil des in die Märkte gedrückten Geldes wieder abzuschöpfen. Damit erlaubte sie eine Fehlleitung der Liquidität, was mit dazu beitrug, dass die spekulative Blase an den Aktienmärkten mit all ihren noch immer nicht ausgestandenen Folgen entstehen konnte.
Das von Greenspan in Jackson Hole dargelegte Risiko-Management hätte noch durch weitere, etwa zeitgleich mit den russischen Problemen aufgetretene Fälle, wie den des Hedge-Fonds Long-Term Capital Management (LTCM) und den der Finanzkrise in Asien, ergänzt werden können.
Der Punkt ist aber, dass die Fed mit dem, was Greenspan als Risiko-Management beschrieb, das konkrete, zugegebenermaßen geringe Risiko zwar beseitigen half, mit ihren Liquiditätsspritzen jedoch andere Risiken geschaffen hat. Das geschah nach dem Prinzip, ein neues Loch aufzumachen, um ein altes zu schließen.
Da wir gerade bei Löchern sind, fällt uns dazu ein alter amerikanischer Spruch ein: Schaufele nie ein Loch so tief, dass du nicht mehr herauskommst! Ob Alan Greenspan den wohl kennt?
(Quelle: Arnd Hildebrandt, Taurosweb)