Richard Ebert
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° Wenn Signale von Märkten falsch verstanden werden

(17.06.2003) Die nicht zu leugnende gute Laune an den bedeutenderen Aktienmärkten in der Welt wirkt ansteckend. Sie vermittelt den Eindruck, als würden die verfahrenen konjunkturellen und monetären Verhältnisse bald wieder gerichtet. Ansatzweise drückt sich diese von Hoffnungen zu Erwartungen mutierende Stimmung auch an den Rohstoffmärkten aus.

Inzwischen genügt es, wenn in einer Serie von fünf oder sechs Konjunkturindikatoren nur einer eine positive Deutung erlaubt, um den Aktienmärkten Flügel wachsen zu lassen. Dies sagt uns, dass diese Märkte derzeit nach dem Motto leben „Mach’ es wie die Sonnenuhr, zähl’ die heit’ren Stunden nur“. Es ist der typische Fall von Verleugnung, Verdrängung oder Rationalisierung im psychologischen Sinne.

Wenn gestandene Ökonomen und Anlagestrategen jetzt fest davon ausgehen, dass die amerikanische Notenbank (Fed) ihren Leitzins in der nächsten Woche um weitere 50 Basispunkte senkt, dann wird das besonders an der Wall Street als positives Signal missverstanden.

In Wirklichkeit handelt es sich um ein unverkennbares Krisensignal. Die Fed ist sehr besorgt über die sich ausbreitenden deflationären Tendenzen in den USA. Ihr Chef, Alan Greenspan, lässt seit Wochen keine Gelegenheit verstreichen, um das „D-word“ (steht für Deflation) zu erwähnen.

Dies ist ein unmissverständliches Signal dafür, dass die Fed erkannt hat, worum es geht, und dass sie zum Handeln bereit ist. Wenn sie ihren Leitzins jetzt weiter zurücknimmt, trennt sie nur noch wenig vom Start einer „unkonventionellen“ Geldpolitik. Sobald sie erkennbar so vorgeht, wird niemand mehr leugnen können, was die Stunde geschlagen hat.

Auch die EZB scheint das Faktische nicht mehr ignorieren zu können. Ohne das „D-word“ zu bemühen, bereitet sie die Finanzmärkte inzwischen darauf vor, dass sie zu weiteren Zinssenkungen bereit ist.

Wenn das für die Aktienmärkte ein Grund zum Feiern sein sollte, müssten wir vermuten, dass dort jetzt vieles gewaltig schiefläuft. Jedenfalls können steigende Aktienkurse redlicherweise nicht als Argument dafür herhalten, dass sich die Konjunktur nachhaltig bessert und dass die Preise für Industrierohstoffe daher steigen müssten.

(Quelle: Arnd Hildebrandt, Taurosweb)

Geschrieben von Richard Ebert am
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