Eine Frage der Ehre!
Oft denke ich mir, mein Gott, warum hast Du nicht einen ordentlichen Beruf erlernt, ein Handwerk, was ja bekanntlich einen goldenen Boden hat.
Sicherlich macht es Freude, wenn man mal am Tag das verdient, wozu ein anderer einen Monat arbeiten muss.
Nur stelle ich fest, das ich von Tag zu Tag introvertierter werde und mein Kontakt zu den Mitmenschen sich mehr und mehr aufs Internet beschränkt und da nur auf die Gleichgesinnten, welche wahrscheinlich auch nur diese Zeilen nachvollziehen können.
Soweit mir bekannt, bin ich wohl der einzige Vermögensberater oder Verwalter, der rein auf Erfolgsbasis honoriert wird. Wie schwierig das ist, wissen die Könner der Materie.
Setzt man mal ein paar Kröten der Kunden innerhalb eines gewissen Zeitraums in den Sand, befällt einem bereits ein sehr ungutes Gefühl im Magen. Hoffentlich ruft er mich jetzt nicht an, oder noch schlimmer, er kommt vorbei und wünscht über die Trades zu diskutieren.
Wahrscheinlich fehlt einem hier die Mentalität eines Heiko Thieme, oder eines Herrn Schramm von der Berenbergbank. Der Nabil gehört auch zu dieser illusteren Gesellschaft.
Was interessiert mich mein Geschwätz von Gestern, ist nicht mein Geld, sondern das der Kunden, und wenn ich die Kohle in den Sand gesetzt habe, mache ich halt einen neuen Fond auf. Denn eines ist klar, es stehen jeden Tag neue Schafe auf, die geschoren werden möchten.
Ich würde mich schämen, nach solchen Arbeits- und Leistungsnachweisen auch noch einmal in die Öffentlichkeit aufzutreten und mein Füllhorn der Börsenweisheiten öffentlich zu leeren. Ich habe auch keine Lust mit meiner Familie die Straßenseite zu wechseln, wenn ein geschorener meinen Weg kreuzt.
Vermutlich treiben mir deshalb obige Herrschaften die Zornesröte ins Gesicht, wenn Sie wieder einmal auftreten. Sie kommen in der Regelmäßigkeit einer ungeliebten Jahreszeit. So wie mit den Jahreszeiten, werden wir auch Künftig mit den Gurus leben müssen.
gruß
Guten Morgen
@Walter
Ihre aufgezeigten Darstellungen kann ich nur mit einem klaren "Ja" bestätigen. Zu mir hat mal ein Geschäftspartner gesagt, dass ich durch meinen Pessimismus mir einen anderen Beruf suchen sollte.
Darauf habe ich geantwortet: Als die Börsen gestiegen sind (20 Jahre Dow Hausse)hat wahrscheinlich die Masse irgendwie "gutes" Geld verdient. Das war o.k. Aber dann habe ich ihm gesagt, dass gerade jetzt die Kunden einen Berater brauchen.
Denn schließlich steigen die Börsen seit geraumer Zeit nicht mehr geradlinig.
Und zur Darstellung Pessimismus sagte ich: Kein Pessimist, sondern Realist.
"Das Positive
am Skeptiker ist,
das er alles für möglich hält."
Thomas Mann, dt. Schriftsteller (1875-1955)
Und eines habe ich für mich erkannt, wenn ich die "tollen" Prospekte der Industrie verkaufe, werden meine Kunden und als folge auch ich verlieren. Zum Prospekte verkaufen brauche ich keinen Berater.
Und wenn ich nicht richtig liegen sollte gibt es immer noch den Grundsatz:
Verluste kann ich kontollieren - mit den Gewinnen sieht es schwieriger aus.
Mfg
Hallo Walter,
Sie haben meinen vollen Respekt! Wenn alle Fond´futzis auf Erfolgsbasis arbeiten müßten, hätten wir erheblich mehr Sozialhilfeempfänger.
Ich habe jedoch den Eindruck, daß die Denke eines Dieter Bohlen viel weiter verbreitet ist, als ich/wir uns das Vorstellen.
In meinem Büro ist der Ton des Fernsehers abgestellt. Dieses Geschwätz, das zu 90 % des Tages über den Bildschirm geht halten meine Nerven nicht aus.
Gruß berny
Ein Pessimist ist im grundegenommen ein gut informierter Optimist.
Sollen wir jetzt Mitleid haben?
Es ist ja schön, dass Du rein auf Erfolgsbasis arbeitest, aber bist Du auch an den Verlusten beteiligt?
So ist es nämlich bei jedem normalen privaten Trader.
Wenn Du nicht an den Verlusten beteiligt bist sehe ich keinen Grund zum Jammern.
Wenn es nicht klappt probierst Du es halt nochmal, das ist dein Vorteil.
Wobei ich dir bei Heiko Thieme und Co natürlich Recht geben muss.
Viele Grüsse
bbakee
Hallo Walter,
das war schön und aufrichtig gesagt und spricht für Sie. Aber:
"Oft denke ich mir, mein Gott, warum hast Du nicht einen ordentlichen Beruf erlernt, ein Handwerk, was ja bekanntlich einen goldenen Boden hat."
Orgelbauer, ok. Tischler, ok. Sogar Klempner, ok. Und sonst? Was sehen Sie als ordentlichen Beruf? Sachbearbeiter in der Ausländerbehörde Berlin? Es gibt doch viel Elend in unseren Berufswelten! Unterschätzen wir nicht unsere Freiheiten (und Bürden natürlich auch), die wir haben.
"Nur stelle ich fest, das ich von Tag zu Tag introvertierter werde und mein Kontakt zu den Mitmenschen sich mehr und mehr aufs Internet beschränkt und da nur auf die Gleichgesinnten, welche wahrscheinlich auch nur diese Zeilen nachvollziehen können."
Kann ich absolut nachvollziehen. Ich hab mir einen Menschenkreis aus Fleisch und Blut aufgebaut, sonst wär's schlimm, da ich als Buchautor auch im ersten Beruf introvertiert arbeite. Auch regelmäßige Herrenabende im Sinne von "Zigarre rauchen, quatschen, Seele baumeln lassen" können helfen. (Oder "Damenabende", je nachdem wie mans braucht... ;-) )
"Ich würde mich schämen, nach solchen Arbeits- und Leistungsnachweisen auch noch einmal in die Öffentlichkeit aufzutreten und mein Füllhorn der Börsenweisheiten öffentlich zu leeren. Ich habe auch keine Lust mit meiner Familie die Straßenseite zu wechseln, wenn ein geschorener meinen Weg kreuzt."
Das spricht sehr für Sie. Leider ist diese Einstellung nicht nur unter Vermögensverwaltern selten, sondern besonders auch im Medienbereich, in mobbenden Firmen, eigentlich überall... Wir leben doch in einer egoistischen, brutalen Zeit ohne Rücksichten. Ich könnte Ihnen würde- und schamlosen Fällen aus diversen TV Sendern nennen... und ich meine dabei nicht das Fernsehprogramm :(
Kopfhoch und Serotonin Glückauf!
Gruss,
Berliner
Nun mal langsam meine Herren, die Zeiten waren immer schon gut und schlecht zugleich. Es gab früher wie heute genausoviel Betrüger, Blender, Hochstapler, etc. Mein Vater hat mich gelehrt bei Menschen auf den Charakter zu achten und da fallen eben sehr viele durch. Hält man es so sind Enttäuschungen seltener.
Aber zu Thime: Es sind die Marktschreier der Industie, die Kunden anlocken wollen. Die "Beratungsinterviews" in den Medien sind deren Markteting-Instrument und die Journalisten haben Futter zum Verwerten.
Ich kann nachvollziehen wie ihnen allen das gegen die ehrliche Haut geht, aber Männer ihr wisst auch mehr. Im übrigen müssten dann auch die Fernsehspots von Union Investment, DIT, etc., die ja mit dem Geld der Anleger bezahlt werden, ihre Kritik verdienen. Da ist doch Thieme noch harmlos, weil er das umsonst macht.
Aber ich gebe zu, wenn Herr Netzer in dem DIT Spot "auf gehts Jungs" ausruft und ich würde da sitzen, könnte ich der Versuchung schwer widerstehen, sein Geld zu vernichten.
Also nicht ärgern, geniessen Sie vielmehr Ihre Unabhängigkeit, für mich eins der höchsten Güter.
All the best and trade wise.
Hallo Walter,
fremdes Geld bedeutet Streß, wenn man Gewissen und Intelligenz hat. Das läßt sich nicht ändern. Und auch mit dickem Fell nerven die Diskussionen mit den Geldgebern und die Angst vor den Diskussionen. Einige Top-Trader in den USA haben das so zwischen den Zeilen auch eingeräumt. Ich trade deshalb nur mein eigenes Geld und das meiner Familie, lehne konsequent jedes Angebot des Tradens fremder Gelder ab. Ergebnis: Peace of mind. Den sollte man sich nicht abkaufen lassen.
Sollen wir jetzt Mitleid haben?
Mitleid bekommt man geschenkt, Neid muss man sich verdienen. Wenn Sie sich die Kratzer an meinem Jaguar anschauen könnten, würde sich die Frage erübrigen.
Nein, Du hast schon recht, die Sache war unglücklich formuliert.
Das schöne in diesem Forum ist die Tatsache, das man Themen ansprechen kann, welche sonst nirgendwo Verwendung finden. Börse ist Psychologie und viel mehr als das. Es geht um Geld, es geht um Erfolg, es geht manchmal um Schicksale.
Beim Geld neigen die Menschen manchmal dazu Dinge zu tun, die Sie im Grunde eigentlich gar nicht tun möchten. Ein jeder der sich mit Börse beschäftigt und Erfolg hat, wird damit konfrontiert oder in Versuchung geführt das Geld seiner Freunde oder Kunden oder bekannten zu Verwalten. Man ist ja schließlich Experte.
Nur viele Wissen nicht (woher auch?) auf was Sie sich einlassen, wenn Sie nicht über den Charakter ogiber Auguren verfügen.
gruß
@RolandS
Ich glaube nicht, daß es früher wie heute "gleichviel" Betrüger gab. Ich glaube zwar, es sind immer gleichviel Menschen bereit, zu betrügen, zu lügen, hochzustapeln, aber ob sie es wirklich tun, ist eine Frage des Zeitcolorits.
Wie Transparency International festgestellt hat, steigt die Korruption mit zunehmender Bürokratisierung (Deutschland!). Wir haben z.B. ein hohes Maß an Beamtenkriminalität, weil die Gesetzes- und Verordnungswut zu einer kreativen Umgehung ermuntert. Aber: weiß noch jemand, daß im Preußen vor 1918 fast jede Dienststelle ein "Profitcenter" war, d.h. der Vorsteher des Bahnhofs Luckenwalde hatte am Ende des Jahres mindestens ein ausgeglichenes Saldo vorzulegen (nur eigene Einnahmen, keine Steuereinnahmen)?
Was unsere Zeit doch auszeichnet ist, daß Leute wie Thieme etc. in unheiliger Allianz mit der vierten Gewalt als "Götter in Grün" (Dollarnote) dargestellt werden. Also, die Versuchung unehrlich zu werden, wird von einer gesellschaftsfähigen Einstellung zur Maskenhaftigkeit (Persona, Image, Selbstdarstellung) unterstützt.
Der Begriff Ehre spielt da längst keine Rolle mehr. Ehre ist vor allem ein "Empfinden an sich selbst". Man spürt relativ wenig, wenn man sich gerade eine Line in die Nase gezogen hat. Glaub ich jedenfalls.
Nur so als Einwurf.
Gruß!
Hallo
@Berliner
Ich glaube der Begriff Ehre spiegelt sehr wohl einen Sinn wieder. An der Börse gibt es tausende von Möglichkeiten, um Entscheidungen zu treffen.
Ich bin der Auffassung, das der Begriff Ehre eine Definition ist und so wie vieles in der Welt auch jeder für sich die Definition auslegt.
Ehre muss sich nicht nur durch "Drogen" herauskristallisieren. Im zweiten Weltkrieg haben deutsche Jagdflieger auch Drogen bekommen, damit sie länger Fliegen konnten. Natürlich hatten die Soldaten eine Ehre, aber nicht durch die Drogen.
Wir können froh sein, dass in dieser Gesellschaftsform auch noch Menschen gibt die ehrliche Ambitionen haben. Sonst könnte sich die Gesellschaft "abschießen".
Und das hat nicht mit sozialistischem Grunddenken zu tun.
Bis dann.
Hallo select,
wir sind völlig d'accord. Mein Text war mißverständlich weil verkürzt. Auch wollte ich nie "Ehre durch Drogen" zum Ausdruck bringen. Meine salopper Schlussabsatz war ein schlechter rhetorischer Versuch (ironische Allegorie) zur Verdeutlichung meiner Ansicht, daß heutzutage alles mögliche eine Rolle spielt bei der Bestimmung des Selbstwertgefühls, nur nicht die Ehre.
Allerdings finde ich jetzt auch beim zweiten Lesen, daß Ehre definitionsabhängig ist. Ehre wird ja vor allem von anderen zugestanden, dann ist man ein "Mann von Ehre".
Gruß,
Berliner
@alle
genau wegen diesen Beiträgen lande ich immer wieder auf dieser Seite.
einfach klasse!!!
gruß
andi
@Berliner
ich neige eher dazu, die Ehre nur einer subjektiven Bewertung zu unterziehen.
Die Gesellschaft definiert doch immer andere Vorbilder und was Kant noch als zeitlos und allgemein gültig postuliert hat muss - falls von der Gesellschaft entschieden - Moden unterworfen sein.
Ich habe einmal in einer Diskussion über den Begriff des Helden die Meinung geäußert, dass für mich ein Held ist, wer sich für andere aufopfert (z.B. ein Kind rettet und dabei selbst umkommt).
Der allgemeine Tenor war, dass solch ein Mensch ein Dummkopf sei. Held sei - Ehre habe - wer in der öffentlichen Meinung als solcher dastehe. Filmstars, Popstars, Sportkanonen und "clever" zu viel Geld Gekommene. Das Haben ist wichtiger als das Sein. Die öffentliche Meinung wird manipuliert um Verkaufszahlen zu optimieren, Vorbilder (Helden) werden "gemacht", Ehre wird "verliehen". Je weniger moralischer Anspruch, desto mehr Käufer - wenn der leicht nachzuahmende Lebensstil als besonders ehrenhaft hingestellt wird, dann fühlen sich halt auch Viele bestätigt und kaufen, kaufen, kaufen.
Respekt vor Walter. Viele die ihre Schafe scheren werden ihn für dumm halten, doch ich halte ihn für einen Mann mit Ehre.
Hannes
Hallo
In der feudalen Gesellschaft war "Ehre" ein fast dinglicher Zustand, der einem von anderen zugesprochen wurde, eine Art Respekt vor der sozialen Stellung, der unabhängig von individuellen Verdiensten war. Man konnte "Ehre" verlieren und auch wiederherstellen, z.B. durch ein Duell(Fontanes Instetten) oder durch Seppuku bei den Samurai. Was hier mit Ehre bezeichnet wird, würde ich eher als Selbstachtung oder Selbstrespekt bezeichnen, das Gefühl, dass man sich abends im Spiegel betrachten kann, ohne der Selbstverachtung zu verfallen. Ich weiss nicht, wie die Herren Nabil und Thieme damit verfahren.
Was die soziale Isolation des Traders angeht, kann ich die Aussagen nur bestätigen. Wenn ich meine Familie nicht hätte und meinen anderen Beruf, wäre ich auch schon sozial verhungert.
In letzter Zeit merke ich, dass Traden nur einen kleinen Teil des Lebens ausmachen darf, sonst wird man mit Haut und Haaren davon aufgefressen.
Mit freundlichen Gruessen
noguchi
@Hannes
Eine Sendung wie "Deutschland sucht den Superstar" (drei Lügen in einem Satz!) läßt genau das zum Ausdruck kommen: Berühmtheit aufgrund von Manipulation, aber nicht inhaltlicher ("moralischer") Beständigkeit. Gleiches gilt für die Finanzdienstleister. Berühmtheit aufgrund guten Marketings in eigener Sache, aber nicht aufgrund hervorragender Leistungen bzw. Ehrlichkeit. Der gleiche Geist durchdringt alle Geschäftsbereiche des Lebens: Der Schein ist höher anzusetzen als das Sein.
@noguchi
Die angesprochenen Ehrkonzepte sind mir vertraut, danke für die Hinweise. Man mag zum seeligen Kostolany stehen wie man will, aber ich erinnere mich an eine Stelle seiner Erinnerungen, wo er beschreibt, wie es Anfang des Jahrhunderts noch üblich war, unwiederbringliche Börsenverluste (=Ehrenschulden) mit dem eigenen Tod zu begleichen. (Dies soll wohlgemerkt keine Aufforderung an Walter sein, die Fenster zu öffnen, dafür schätzen wir ihn viel zu sehr! ;-)))
Gruß.