Euro: Hat die EZB am Devisenmarkt interveniert?
Nach den Äußerungen von Greenspan in seiner halbjährlichen Rede vor dem Kongress am vergangenen Mittwoch stieg Euro/US-Dollar wieder kräftig an. Der US-Notenbankchef zerstreute Befürchtungen, es könne angesichts des hohen Wirtschaftswachstums in den USA zu einer baldigen Zinserhöhung kommen. Zudem bezeichnete er die Schwäche des US-Dollars als nicht problematisch. EUR/USD schien sich daraufhin unaufhaltsam der von vielen Volkswirten als kritisch angesehenen Marke von 1,30 USD anzunähern. Ein Wechselkurs in dieser Höhe könnte insbesondere das zarte Aufschwungpflänzchen in Deutschland, das wesentlich von der Exportnachfrage abhängig ist, im Keim ersticken lassen.
Die Gefahr, die von einem weiter steigenden Euro für die europäische Konjunktur ausgeht, ist also offensichtlich. Doch Drohgebärden und ein Schwach-Reden des Euro haben inzwischen ihren Biss verloren – dazu hat das letztlich zahnlose Kommunique nach dem G7-Treffen am vergangenen Wochenende maßgeblich beigetragen. Die Devisenhändler scheinen nun testen zu wollen, wo die Schmerzgrenze für die europäischen Notenbanker und Politiker tatsächlich liegt.
Möglicherweise wurde diese Schmerzgrenze bereits am Freitag erreicht. Nachdem äußerst schwache Konjunkturdaten aus den USA Euro/US-Dollar bis knapp an das bisherigen Jahreshoch bei 1,2890 USD steigen ließen, setzten starke Euro-Verkäufe ein. Sicher ließen sich dafür einige Gründe finden, wie Gewinnmitnahmen vor dem verlängerten Wochenende in den USA, Verkaufsinteresse verschiedener Banken usw. Aber die Schärfe des Kursrückgangs – ein Cent innerhalb von 20 Minuten – nährte Spekulationen, es könne mehr dahinter stecken: Nämlich eine Intervention durch die Europäische Zentralbank. Diese wollte zu solchen Gerüchten keine Stellung beziehen, aber der Zeitpunkt hätte nicht besser gewählt sein können. Der Markt war einseitig gegen den Euro positioniert und wurde völlig auf dem falschen Fuß erwischt.
Interventionen am Devisenmarkt gehören zwar nicht zum Instrumentarium der EZB, aber die Euro-Stärke spiegelt in der Tat nicht die wirtschaftlichen Gegebenheiten in der Eurozone wider. Vielmehr trägt Europa durch die Euro-Aufwertung die Last der US-Politik, die durch exzessive Verschuldung, Niedrigzinsen und Abwertung die Wirtschaft zu sanieren versucht. Die Interventionen der Bank of Japan sorgen zudem dafür, dass sich die negativen weltwirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen US-Politik auf die Eurozone konzentrieren. Gute Gründe für die EZB also, ebenfalls zu Interventionen zu greifen – wenn es nicht doch bloß Gerüchte waren.
Ihr
Dr. Detlef Rettinger
(Quelle: www.devisen-trader.de)