F
Mitglied seit 11 Jahre 4 Monate

Nur eine Rezession oder schon der Beginn einer Weltwirtschaftskrise ?

Hallo zusammen !

Die Angst vor einer "Weltwirtschaftskrise", von der zur Zeit immer häufiger die Rede ist, bedarf zunächst einer Definition.

Eine Rezession oder eine "normale" Krise findet normalerweise jeweils am Ende eines industriellen Zyklus statt und drückt sich in einem Rückgang der Wachstumsraten oder in einem absoluten Produktionsrückgang aus. Im Gefolge dieser Rezessionen und Krisen kommt es weiterhin zu einem erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit, der in der Regel im neuen Aufschwung teilweise wieder abgebaut wird. Die Dauer dieser Rezessionen oder Krisen reicht von wenigen Monaten bis zu mehreren Jahren.

Im Finanz- und Börsensektor haben diese Krisen in der Regel lediglich Auswirkungen in Form eines zeitweiligen Rückgangs der Kurse, in periodisch sinkenden Zinssätzen.

Diese "gewöhnlichen" Rezessionserscheinungen wirken "bereinigend": Es werden Kapazitäten vernichtet, Lohnkosten durch "Freisetzungen" von Arbeitskraft reduziert, "Überhänge" durch Pleiten und teilweise Verlagerungen der Kapitalanlage beseitigt.

Eine Weltwirtschaftskrise geht über all dies hinaus.

Mit ihr ist das Zusammenfallen spezieller Krisenmomente verbunden:

• Einer allgemeinen und weltweiten Wirtschaftskrise: Diese hat in den großen Industriezentren eine weltweite "Verkrampfung" der materiellen Produktion zur Folge — einen erheblichen Rückgang der industriellen Produktion und ebenfalls einen Rückgang des BIP. Diese Einbrüche beginnen meist in denjenigen Sektoren und sind fast immer dort am stärksten, wo zuvor der größte — und "übertriebene" — Boom stattgefunden hat. In der aktuellen Situation trifft dies vor allem auf den Bereich der Informationstechnologie (IT) zu.

• Eine dadurch bedingte weltweite, starke Erhöhung der Arbeitslosenzahl. Meist gab es im abgelaufenen Zyklus und in den vorausgegangenen Zyklen bereits einen hohen "Sockel" der Arbeitslosigkeit, der im vergangenen Aufschwung nur noch unwesentlich abgebaut werden konnte. Die stark steigende Arbeitslosigkeit stellt nicht nur einen gravierenden sozialen Faktor dar; sie hat massive wirtschaftliche Konsequenzen, weil mit ihr die kaufkräftige Massennachfrage stark reduziert wird. Dies wiederum wirkt krisenverschärfend.

• Ein umfassendes Übergreifen der Krisenerscheinungen auf den Finanzsektor in Form eines massiven Rückgangs der Börsenkurse, einzelner faktischer Staatsbankrotte (so 1930 die De-facto-Pleite des Deutschen Reichs, das die vertraglich verpflichtenden Reparationsleistungen nicht mehr bezahlen konnte). Die Crashs im Finanzsektor haben wiederum massive Rückwirkungen auf den Bereich der materiellen Produktion. Sie resultieren bspw. in massenhaften Pleiten von kleinen, mittleren und größeren Firmen — z.B. weil deren Börsenwert sank, weil deren Gläubigerbank "abhanden" kam, weil deren Kreditwürdigkeit durch zusammenbrechende Märkte nicht mehr gegeben war.

• Schließlich mündet all dies in eine "Depression", in einen länger andauerndem Rückgang der Produktion bzw. in eine längere (drei- und mehrjährige) Stagnation der Produktion. Oft ist die Depression von einer "Deflation" begleitet.

Die wegbrechenden Märkte, die niedrigen Zinsen, die Überkapazitäten und die — gemessen an der Nachfrage — Überproduktion führen dazu, dass jeder Anbieter versucht, die Konkurrenz zu unterbieten. Wegen der Massenarbeitslosigkeit und dem fortgesetzten Sozialabbau bringt die Deflation der Masse der Bevölkerung keinerlei Vorteile:

"Der allgemeine Lebensstandard sinkt weiter."

In der gegenwärtigen Weltwirtschaftslage kann zumindest festgestellt werden:

Die Gefahr, dass es zu einer Weltwirtschaftskrise kommt, hat sich im letzten Industriezyklus (1991—2000 in den USA; 1992—2001 in Westeuropa) und insbesondere in den letzten Jahren vor der "Wendemarke 11.September 2001" zwar erhöht. Aber es sind keine direkten Parallelen zur Weltwirtschftskrise Ende der 1920er Anfang der 1930er Jahre zu sehen.

1992/1993 war die Schwarzmalerei ebenfalls sehr gross gewesen. Ein paar Jahre später allerdings vergessen.

Viele Grüsse und ein gesegnetes friedliches Weihnachtsfest

wünscht Euch Euer

Franjo

Geschrieben von F am
curtiss
Mitglied seit 11 Jahre 4 Monate

Hallo Franjo,

Dein Wort in Gottes Ohr !

Gefällt mir sehr, die Zusammenfassung. Nächstes Jahr werden wir Verkrampfung sehen.

Warst Du kürzlich mal in Brasilien oder Mexiko ?

Ein frohes Fest.
C

F
Mitglied seit 11 Jahre 4 Monate

Grüss Dich Curtiss,

erstmal herzlichen Dank für Deine Weihnachtswünsche. Leider habe ich bis jetzt noch keine Möglichkeit gehabt, Mexico oder Brasilien zu besuchen. Reizen würde mich Mexico schon allein von der kulturellen Seite her. Aber auch Argentinien wäre trotz der "Staatsfinanzproblematik" eine Reise wert, auch durch den imensen Kaufkraftvorteil.

Dadurch, dass ich öfter in Montenegro war, welches trotz der geographischen Zugehörigkeit zu Europa in manchen Dingen einem mittel- bzw. südamerikanischen Land ähnelt, habe ich schon eine gewisse Alltagserfahrung in einer Periode von "Staatswirtschaftlicher Krise" gemacht.

Summasumarum, ist es so, dass der Staat (wenn er beispielsweise wie Argentinien in der Krise steckt) fiskalische Zielvorgaben durch den "IWF" gesetzt bekommt. Danach folgt automatisch der Wertverfall der heimischen Währung gegenüber dem USD, lange vorher schon auf dem schwarzen Markt, welches sich dann wiederum in Preiserhöhungen für sämtliche Produkte widerspiegelt.

Der Unmut der Bevölkerung wird dann manchmal in einigen Demos öffentlich gemacht. Allerdings nachdem das "gröbste" um ist, kehrt man relativ schnell wieder zur Tagesordnung über.

Die Lage in Südamerika, wird sich über kurz oder lang wieder beruhigen. Argentiniens BIP-Wachstumsraten sollen nach Schätzungen wieder bei ca. plus 3 bis 4 % liegen.

Das Beispiel "Russische Föderation" zeigt beispielsweise auch, wie schnell sich das Rating von Staatsanleihen (und damit auch die Kurse) vom riskanten C auf ein akzeptableres (aber immernoch risikobehaftete) B-Rating erholen kann.

Ist eine Heraufstufung von D möglich ?

Immer die Ruhe bewahren und keine Panik ist ein guter Grundsatz.

Auch Dir gesegnete Weihnachten.

Ciao

Franjo

Spread
Mitglied seit 11 Jahre 4 Monate

Mein Gefühl sagt mir 'Ja' ! Warum nicht mal auf den eigenen Bauch hören ?

Jedenfalls stecken wir heute in einer anderen Situation als in vorangegangenen Rezessionen. Die Verschuldung hat eine völlig andere Dimension erreicht. Der Wohlstand bricht ein (Aktienkurse, Pensionsfonds, Lebensversicherungen). Die Lunte brennt, und sie brennt vor allem in Amerika.

Der IWF wird wohl kaum in der Lage sein bei einem beginnendem Crash in den USA Japan oder Europa noch nennenswert Einfluss zu nehmen.

So long

Frohe Weihnachten und schenkt euch mal ein bisschen Sicherheit (AU, SI, PL)

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