Ölpreise: Ölschwemme und Kurssturz nach Kriegsausbruch im Irak
Entgegen früherer Mitteilungen Saudi-Arabiens, die Produktion im Falle eines Kriegs im Irak innert weniger Wochen auf 10,5 Mio Fass/Tag zu steigern, verlautet jetzt, dass die Maximalkapazität von 9,2 Mio Fass erreicht ist und keine weiteren Erhöhungen vorgenommen werden. Gleichzeitig wird bekannt gegeben, dass man über gelagerte und schwimmende Rohölmengen von 15 Mio Fass verfüge, die bei Ausbruch des Krieges sofort freigegeben werden. Man geht davon aus, dass ein Krieg nur von kurzer Dauer und die möglichen Lieferkürzungen aus Irak gering ausfallen werden.
Damit wird unsere schon vor Wochen geäusserte Vermutung bestätigt, dass Saudi-Arabien über gelagerte Reserven verfügt, was sich aus den zusätzlichen Tankerabschlüssen ableiten liess. Wie schon früher bekannt wurde, hat auch Kuwait vor allem in Fernost schwimmende Lager für den Fall von Lieferausfällen aus Irak angelegt.
In den USA werden bei den ersten Anzeichen von kriegsbedingten Lieferausfällen aus Irak Mengen aus den strategischen Ölreserven (SPR) freigegeben. Auch seitens der IEA (internationale Energieagentur), welche die Pflichtlagermengen von 26 OECD-Länder koordiniert, wird die Bereitschaft zur Mengenfreigabe signalisiert.
Eine Überschwemmung des Marktes mit Öl ist die logische Konsequenz.
Wegen des höheren Eigenverbrauchs im Winter kann Russland erst ab dem 2. Quartal die Ölexporte steigern. Es ist hinlänglich bekannt, dass der weltweit zweitgrösste Ölproduzent enorme Anstrengungen unternimmt, die Produktion und die Exporte zu steigern.
Auch China hat für den Fall eines Kriegsausbruchs vorgesorgt. Im Januar sind die Rohölimporte gegenüber dem Vormonat um 80% gestiegen. Es ist anzunehmen, dass auch andere Länder, die eine eigentliche Kriegsvorsorge bisher nicht kannten und nicht der IEA angeschlossen sind, vorgesorgt haben. Irgendwohin müssen ja die in den letzten Monaten laufend erhöhten Produktionsmengen geflossen sein.
Kann man den veröffentlichten Zahlen aus dem USA glauben, sind wegen der streikbedingten Lieferausfälle aus Venezuela und des gegenüber den beiden Vorjahren deutlich kälteren Winters im verbrauchsstärksten Nordosten die Lagerbestände auf einem bedrohlichen Tiefststand. Aber es sickern immer wieder Meldungen durch, wonach in nicht von den offiziellen Zahlen erfassten Lagerstätten und im karibischen Raum gewaltige Rohölmengen liegen sollen. Auch wenn die herumgebotene Grössenordnung von 100 Mio Fass als gewaltig übertrieben erscheint und allenfalls hier auch noch Mengen der Saudis enthalten sein könnten, liefern solche nirgends erfassten oder gar „unbekannten“ Mengen besonders bei Beginn eines Kursrückgangs ein erhebliches Potenzial als Baisseverstärker.
Auch wenn die Wiederaufnehme der Ölproduktion in Venezuela langsamer vorangeht als von der Regierung proklamiert, eine kontinuierliche Verbesserung der Liefersituation ist zu erkennen.
Irak hat in den beiden letzten Monaten rund 2,4 Mio Fass/Tag gefördert. Eine verschwindend kleine Menge die problemlos durch die Freigabe von den erwähnten staatlichen Reserven kompensiert werden kann.
Kuwait hat sich bekanntlich auch besser gegen einen allfälligen Angriff Iraks geschützt. Die nördlichen Ölfelder wurden teilweise geschlossen und die übrigen Installationen sind mit Patriotraketen gegen Raketenangriffe geschützt. Ein Szenario wie 1991, als die Irakis die Oelfelder Kuwaits anzündeten, ist nicht mehr denkbar.
Aber noch kann nicht mit Sicherheit angenommen werden, dass bei Kriegsausbruch die Öllieferungen aus dem Irak vollständig versiegen werden. Wenn gar keine oder nur beschränkte Lieferunterbrüche eintreten, wird sich der erwartete Kursrückgang noch viel schneller und heftiger einstellen.
In der Vergangenheit schwächten sich die Ölpreise jeweils nach extremen Kursspitzen spätestens innerhalb von drei bis vier Monaten auf die Kursbasis der gleichen vorangegangene Hausseperiode ab, was für den Crudepreis in NY für die Sommermonate einem realistischen Rückschlag auf rund $ 25 pro Fass oder für Gasoil $ 220/200 entsprechen würde, selbst wenn die Notierungen im März nochmals neue Höchstwerte erreichen sollten.
Die IEA hat schon vor Monatsfrist auf die Notwendigkeit einer Kürzung der OPEC-Lieferungen hingewiesen, rechnet man doch ab dem 2. Quartal mit einer Abnahme der weltweiten Nachfrage um rund 2 Mio Fass/Tag. Also auch bei einem eher unwahrscheinlichen Totalausfall der Iraklieferungen, würde dadurch lediglich die ohnehin erwartete schwächere Nachfrage abgefedert. Erfahrungsgemäss sind die Produzenten auch nicht in der Lage oder bei sich abzeichnendem Preiszerfall nicht gewillt, die Produktion von einer auf die andere Woche drastisch zu reduzieren. Die grossen Tankerkapazitäten müssen ohnehin bis einen Monat vor Belad disponiert werden.
Dass man auch am Optionenmarkt mit einer deutlichen Abschwächung rechnet, zeichnet sich auch bei den Preisen der Put-Optionen ab. Während ein solcher Verkaufskontrakt zum Basispreise April $30, welcher allerdings schon am 17.3. ausläuft, heute nur gerade 8 Dollar kostet, muss man für den gleichen Kontrakt für Mai (Verfall 16.4) bereits das Zehnfache hinlegen und für den Termin nochmals einen Monat später mit $144 sogar das 18fache. Ein Engagement in Put-Optionen ist in den kommenden Tagen und Wochen zumindest eine Überlegung wert.
Was spricht gegen einen drastischen Preiszerfall: wenn zu viele Marktteilnehmer das gleiche oder ein ähnliches Szenario erwarten.
Hans R. Walk
Interessanter Beitrag, die Überlegungen klingen durchaus logisch.
Ihre Beiträge lese ich immer wieder mit großer Aufmerksamkeit!
Hoffentlich kommt´s so, ich muss wieder meinen Heiztank füllen ;-)