Parrondo-Spiele: Verlust plus Verlust gleich Gewinn
Verlust plus Verlust gleich Gewinn: das paradoxe Glücksspiel des Physikers Juan Parrondo
Die Mathematik, besonders die Wahrscheinlichkeitsrechnung, ist reich an überraschenden Phänomenen. Wenn ein Ergebnis in besonders krassem Widerspruch zur allgemeinen Erwartung steht, nennt man so etwas eine Paradoxie. Vor einiger Zeit hat ein Spanier, der Physiker Juan Parrondo, den Zoo solcher Paradoxien um ein neues Exemplar bereichert.
Wir sind alle daran gewöhnt, in einer beliebigen Anzahl von Glücksspielen zu verlieren. Entscheiden wir uns, die Monotonie des Geldverschenkens dadurch zu lindern, daß wir den Spielverlauf zwischen zwei solchen Spielen variieren, dann würden wir vernünftigerweise keine Überraschungen auf dem unvermeidlichen Weg zu unserem finanziellen Abstieg erwarten. Das aber hieße, die Entdeckung des Dr. Juan Parrondo zu ignorieren:
Zwei Verlustspiele lassen sich zu einem zusammengesetzten Gewinnspiel kombinieren.
Ausgangspunkt sind zwei Glücksspiele gegen die Spielbank, bei denen der Spieler im Mittel einen leichten Verlust machen wird. Beim ersten zahlt man eine Spielgebühr und gewinnt oder verliert dann mit Wahrscheinlichkeit 0.5 einen Euro. Beim zweiten hängen die Chancen vom bisherigen Spielverlauf ab, es gibt für den Spieler günstige und weniger günstige Spielrunden, die Chancen gleichen sich im Mittel aber aus.
Und nun die Überraschung: Wenn man vor jeder Spielrunde eine Münze wirft, um zu entscheiden, ob die nächste Spielrunde mit dem einen oder anderen Spiel gespielt werden soll, so ergibt sich für den Spieler ein Gewinnspiel. Wenn die Bank mitmacht und man nur lange genug durchhält, kann man beliebig reich werden. Nach Parrondos Entdeckung konnte man an verschiedenen Stellen lesen, dass nun eine mathematische Theorie für sämtliche Situationen zur Verfügung stünde, bei denen aus einem scheinbaren Verlust am Ende ein Gewinn wird. Erfahrungen aus dem Leben hat jeder: Man kann zum Beispiel beim Schach fast alles opfern und am Ende doch noch gewinnen.
Mittlerweile gibt es eine Reihe von interessanten Anwendungen von Parrondos Paradoxie. Bei geeigneter Übersetzung erklärt es zum Beispiel, wie es Mikroorganismen durch Wechseln zwischen chemischen Reaktionen fertig bringen, gegen den Strom zu schwimmen.
Es sieht vielleicht etwas gekünstelt aus, aber hier haben wir ein Verfahren dafür, wie man aus zwei Verlustspielen ein Gewinnspiel machen kann. Seit der Präsentation dieser Idee hat man in der realen Welt viele Beispiele dafür gefunden, daß die Kombination zweier negativer Eigenschaften zu einer positiven Eigenschaft führen kann.
Zur Demonstration der vorhandenen Diversität wurde im Jahr 2000 in der New York Times berichtet, daß Dr. Sergei Maslov vom Brookhaven National Laboratory folgendes nachgewiesen hat:
Würde ein Investor gleichzeitig Kapital zwischen zwei verlierenden Aktienportfolios verteilen, dann würde das Kapital nicht sinken, sondern steigen. Brooke Buckley, eine Studentin an der Eastern Kentucky University, führt in ihrer Dissertation die in der Landwirtschaft wohlbekannte Tatsache an, ”daß sowohl Spatzen als auch Insekten das ganze Getreide auffressen können. Die Kombination von Spatzen und Insekten führt jedoch zu einer ertragreichen Getreideernte“.
Quellen:
@ Kobban [#1]
immer diese tröpfchenweise beglückung ;-)
hier gehts weiter:
http://books.google.de/books?id=UsRJw0Z0EbMC&pg=PA10&lpg=PA10&dq=juan+parrondo&source=bl&ots=lT3QoO28cf&sig=JRYZ5Ol65wPavDE3dzsZgGz5nlc&hl=de&ei=WGymStblAde1sgbE87CWBg&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=3#v=onepage&q=juan%20parrondo&f=false
Also, Kobban, verstehe ich das richtig: wenn ich a) 50% meiner schmalen Ersparnisse beim Frick und den Rest bei b) Baha's Superfund, erleide ich zwar einzeln betrachtet Totalverlust, insgesamt aber mache ich Gewinn?
Da ist irgendwo ein Haken dran :o)
@ JRM [#3]
Bis jetzt muß die Antwort auf diese Frage recht unklar bleiben. Schon allein deshalb, weil Marktpreise keine fest bestimmbaren Wahrscheinlichkeiten haben im Vergleich zu Würfel- u. ähnlichen Spielen. Solch übersichtliche "Wahrscheinlichkeitsquantelung" wie beim Würfeln u.a. ausgedachten Spiele existiert beim Trading gar nicht. Die Aussage, dass ein Kurs zu 50/50% steigt/fällt ist unvergleichbar mit Würfelwürfen, wo eine regelmäßige Geometrie anzeigt, wo's wahrscheinlich langgeht.
Unsere am "tiefsten"(?) gehenden Theorien besagen, dass eine
Theorie für "Generalismen" bei Wahrscheinlichkeitsunsicherheit keine eindeutigen Werte liefern wird:
Nicht alle Wirklichkeit wird von der toten Hand logischer Konsistenz festgenagelt.
Ich hab zwar die mehrseitige mathematisch-formelhafte Erklärung der Parrondo-Spiele hier vor mir liegen - bin aber zu alt u. faul, da vollends durchsteigen zu wollen.
Ich kann ja mal spaßeshalber das Resultat der abschreckenden Untersuchung hier posten:
Quelle: Julian Havil, Verblüfft?!: Mathematische Beweise unglaublicher Ideen, 2009
von Julian Havil hab ich übrigens vor 14 Tagen mit außerordentlichem Genuß (seine vielen Formeln kann man hier fast schadlos bloß überfliegen) das Buch "GAMMA: Eulers Konstante, Primzahlstrände und die Riemannsche Vermutung", 2007, gelesen. Ich bin kurz davor echter Riemann-Fan zu werden.
http://books.google.de/books?id=cfnb5ASt1NMC&printsec=frontcover&dq=inauthor:havil&lr=&as_drrb_is=q&as_minm_is=0&as_miny_is=&as_maxm_is=0&as_maxy_is=&as_brr=0#v=onepage&q=&f=false
@ Kobban [#1]
Beim zweiten hängen die Chancen vom bisherigen Spielverlauf ab, es gibt für den Spieler günstige und weniger günstige Spielrunden, die Chancen gleichen sich im Mittel aber aus.
Gibt es solche Glücksspiele überhaupt? Spiel A in der Grafik kann ich bei einem systematischen Nachteil des Spielers nachvollziehen, aber ein Beispiel für Spiel B kenne ich nicht.
@ gautama2 [#6]
Havil schreibt:
Wir beginnen mit einem gewissen Vermögen und schreiben Pr für die Wahrscheinlichkeit, dass unser Vermögen auf 0 reduziert wird, wenn es gegenwärtig den Level r hat.
...
Spiel B ist komplizierter als Spiel A. Die Gewinnchance bei jedem Spiel B hängt von der Größe des Kapitals ab, das zu diesem Zeitpunkt vorhanden ist. Genauer gesagt: Ist das Kapital ein Vielfaches von 3, dann gewinnen wir mit der Wahrscheinlichkeit p1, andernfalls gewinnen wir mit der Wahrscheinlichkeit p2.
Mehr schreibt er nicht über Spiel B - und deshalb sind wir nun wohl noch weniger schlau als vorher
@Kobban #88
von Julian Havil hab ich übrigens vor 14 Tagen mit außerordentlichem Genuß (..)das Buch "GAMMA: Eulers Konstante, Primzahlstrände und die Riemannsche Vermutung", 2007, gelesen.
Das Buch enthält auch Ausführungen zu Benford's Law.
Angewandt auf die Wahl im Iran, konnte man auf einen Wahlbetrug im Iran schließen:
http://www.scienceblogs.de/kritisch-gedacht/2009/06/benford.php
Das Buch von Havil zeigt auch anschaulich auf, wie man die Wahrscheinlichkeiten der 2. Ziffer in einer Zahl berechnet!!
Gruß
YingYang