Rohöl: Ist die Hausse jetzt vorbei ?
Der Preis für Rohöl ist nach seinem jüngsten steilen Aufschwung in der zweiten Hälfte der vergangenen Woche scharf eingebrochen. Die Vehemenz des Rückschlags lässt nach Meinung nicht weniger Analytiker vermuten, dass die Hausse damit fürs erste vorüber ist. Sie dürfte nur wieder aufleben, wenn externe Ereignisse abermals wirkliche Verknappungsfurcht aufkommen liessen. Öl werde trotz der sich bessernden Weltkonjunktur unter normalen Bedingungen in absehbarer Zeit nicht knapp, heisst es in Fachkreisen.
Der jüngste Anstieg der Rohstoffpreise im allgemeinen und der Rohölnotierungen im besonderen drückt sowohl geopolitische Befürchtungen als auch eine Wende der Weltkonjunktur zum Besseren hin aus, meint Credit Suisse First Boston. Aus charttechnischer Sicht sei Öl zuletzt im Begriff gewesen, seinen im Sommer 2001 entstandenen Abwärtstrend zu brechen. Der Preisanstieg sei zuletzt aber auch einer starken Nettozunahme der spekulativen Kaufpositionen an den einschlägigen Terminmärkten begleitet gewesen, stellt die Investmentbank fest.
Die massiv gestiegenen spekulativen Kauf-Engagements sind es nach dem Urteil vieler Analytiker denn auch gewesen, die den steilen Absturz der Notierungen zum vergangenen Wochenende hin bewirkt haben. Bemerkenswert ist, dass der Schwächeanfall zeitgleich mit der Vorlage der jüngsten Wochenzahlen über die amerikanischen Ölbestände durch das American Petroleum Institute (API) einsetzte. Experten werden nicht müde, auf die geringe Bedeutung der wöchentlichen Daten des API hinzuweisen. Sie seien in hohem Maße unzuverlässig, was schon aus den im nachhinein immer wieder vorzunehmenden Korrekturen geschlossen werden könne. Die Zahlen machten nur einen Sinn, wenn man aus ihnen einen gleitenden Durchschnitt von mindestens vier Wochen erstelle und sich an dessen Tendenz orientiere. Konkret erklären Fachleuten zur jüngsten 'Reaktion' des Ölmarktes auf die Daten des API, der Markt habe in seiner krass überkauften hochgradig von der Haussespekulation geprägten Lage nur nach einem Anlaß für eine Korrektur gesucht und sie in den unvermutet hohen Bestandszahlen auch gefunden. Es vergingen häufig Wochen, in denen die API-Bestände nicht in den Marktkommentaren auftauchten. Nur wenn sie zur Preisentwicklung passten, würden sie zur Erläuterung aus dem Zylinder gezaubert. Wieder einmal sei daher in der Realität jüngst der Preis nicht den Nachrichten gefolgt, sondern die Nachrichten hätten sich nach dem Preis gerichtet. Der Umstand, dass der amrikanische Präsident Bush Israel recht eindringlich zur Mässigung im Konflikt mit den Palästinensern ergefordert hat, wird ebenfalls als Grund für den Fall des Ölpreises angeführt. Doch auch dies hat den Markt nach Darstellung von Händlern nicht wirklich überrascht.
Wichtiger ist da schon die Nachricht, dass Saudi-Arabien den zurückliegenden Anstieg des Ölpreises genutzt haben soll, um seine Förderung spürbar anzuheben. Die staatliche Ölgesellschaft Amarco habe kürzlich zwei Wochen lang bis zu 7,8 Millionen Fass am Tag produziert, heisst es aus saudischen Quellen. Für den gesamten März habe sich ein Durchschnitt von 7,37 Millionen Fass ergeben. Die saudische Quote liegt bei 7,053 Millionen Faß täglich. Offenkundig ist der führende Produzent derzeit mehr an möglichst hohen Einnahmen aud dem Export interessiert als daran, Förderdisziplin zu halten. Auch andere Mitglieder der OPEC überziehen ihre Quoten nach Darstellung von Fachleuten aus dem gleichen Grund immer mehr.