Sahara Geiseln sollen zahlen
Entführte Sahare-Geiseln sollen 2300 Euro für Befreiung zahlen
Die 14 Sahara-Geiseln sollen für ihre Befreiung bezahlen. Für Telefongespräche, Dienstfahrten und den Rückflug müssen sie gut 2300 Euro berappen.
Hamburg - Diesen Betrag nannte Rainer Bracht. Er war nach sechs Monaten Geiselhaft in der Sahara im August zusammen mit 13 Mitgefangenen befreit worden. Das Auswärtige Amt habe die ehemaligen Geiseln in einem Brief zur Zahlung aufgefordert.
Bracht kritisierte das als Ungleichbehandlung von Geiseln im In- und Ausland: "Wenn ich in einem Bus in Bremen entführt werde, muss ich ja auch nicht für meine Befreiung bezahlen." Zwar sehe er ein, dass es sich bei den gut 2300 Euro nur um einen geringen Anteil an den tatsächlichen Kosten handele - für ihn sei die Summe aber viel Geld. Bracht will deshalb um eine Stundung bitten.
Den Touristen, die bereits im Mai nach einer Militäraktion befreit wurden, werden dagegen nur rund 1000 Euro berechnet. Tatsächlich soll die gesamte Aktion 20 Millionen Euro gekostet haben, allein den Rückflug bezifferte die Bundesregierung offiziell mit 420.000 Euro.
Rainer Bracht sagte, in dem Brief habe man als Begründung für die Rechnung "eine erhebliche öffentliche und politische Erwartungshaltung" genannt, für die die Ex-Geiseln sicher Verständnis hätten. Bracht hat dieses Verständnis nicht. Er nannte die Entscheidung des Auswärtigen Amtes "total populistisch". Trotzdem geht er davon aus, dass die anderen Sahara-Geiseln zahlen werden. "Die wollen jetzt einfach ihre Ruhe."
Anfang des Jahres waren mehrere Gruppen von Abenteuertouristen im algerischen Teil der Sahara entführt worden. Während eine Gruppe nach einer Militäraktion im Mai frei kam, dauerte die Geiselhaft für 14 weitere Geiseln, darunter 9 Deutsche, fast ein halbes Jahr. Erst nachdem sie von ihren Entführern nach Mali gebracht worden waren, konnten sie nach erheblichen diplomatischen Anstrengungen befreit werden. Eine der deutschen Geiseln, eine Frau aus Augsburg, starb während der Geiselhaft.
Quelle: SPON
Die Deutsche Welle berichtet etwas allgemeiner hinsichtlich der Kosten:
Bundesregierung bittet Ex-Sahara-Geiseln zur Kasse
Gut zwei Monate nach ihrer Befreiung haben ehemalige Sahara-Geiseln eine schriftliche Rechnung vom Auswärtigen Amt erhalten. Damit soll sich jeder der neun deutschen Abenteuer- Urlauber an den Millionen-Kosten beteiligen, die ihre Befreiung aus der fast sechsmonatigen Gefangenschaft in der algerischen und malischen Sahara verursacht hat. Bei der Beteiligung will die Bundesregierung nach eigenen Angaben je nach finanzieller Situation der Betroffenen entscheiden.
Bemerkung nebenbei: Aktuell steht beim Auswärtigen Amt folgendes zum Thema "Sicherheitshinweise" zu lesen:
"Stand: 21. August 2003
Aktueller Hinweis
Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen in Gebiete südlich der Städte Béchar, Ghardaia und Touggourt. Mehrere Gruppen von Saharatouristen wurden 2003 in Südalgerien entführt."
VOR den Entführungen gab es keinerlei Sicherheitshinweise zu Algerien. In diversen Statements wurde aber gerade damit argumentiert, dass deutsche Bürger die sich wissentlich in Gefahr bringen an den Kosten beteiligt werden müssen.
Erwarten die deutschen Politiker Beifall für dieses Vorgehen?
VOR den Entführungen gab es keinerlei Sicherheitshinweise zu Algerien. In diversen Statements wurde aber gerade damit argumentiert, dass deutsche Bürger die sich wissentlich in Gefahr bringen an den Kosten beteiligt werden müssen.
Ich brauche keine Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts, um mich von Algerien fern zu halten! Ein Blick in die Tagespresse und in die Geschichtsbücher reicht mir da vollkommen! Ist zumindest meine persönliche Meinung.
Gruß!
Es ist schon ein wenig komisch, dass jemand genug Geld hat, um eine mehrwöchige Safaritour durch die Wüste zu machen, die bestimmt teuerer als 2300 Euro war, dann aber sagt, dass 2300 Euro nicht aufzubringen seien.
Den Spaß sind sie bereit zu zahlen, doch die Folgen nicht. Das ist ja wie bei de Loveparade.
In diesem Sinne,
fight the drawdown
Tradeyoungster
@ RSPhoenix
Leider wurde es in den Medien so dargestellt, als ob da ein paar leichtsinnige Menschen auf der Suche nach "dem Kick" irgendetwas unternommen haben. Ich kenne jemanden, der einmal im Jahr eine 6-8 Wochen-Tour durch die Wüste unternimmt. Beim Gros der "Wüstenreisenden" ist es mit Sicherheit so, dass sie wissen was sie tun und entsprechend vorbereitet sind.
Das einschätzen von Gefahrensituationen ist immer eine subjektive Entscheidung. Die Politik muss objektiv messbare Grundlagen schaffen, bspw., wie sie es auch tut, indem es klare Regelungen gibt wann von vorsätzlichem Leichtsinn ausgegangen werden kann und wann nicht. Dafür gibt es bspw. die Sicherheitshinweise des AA.
Wenn es danach geht, wo historisch Probleme waren oder wo Geschichten in der Tagespresse sind, dann ist nur noch Urlaub im Schwarzwald erlaubt. In die Türkei bspw. dürftest Du dann auch nicht mehr fahren. Wo ist die Grenze?
Ich kann mich einfach nur des Eindruckes nicht mehr erwehren, dass hier auf eine Möglichkeit gesehen wird zu "punkten". Im Moment scheint mir die Politik mit einem in die Enge gedrängten Raubtier vergleichbar zu sein. Es zeigt die Zähne und droht wild in der Gegend rum. Siehe auch die unnötige Diskussion der letzten Tage, ob Prominenten die im Ausland leben der Pass entzogen werden soll.
Irgendwie erinnert mich die Politbühne an eine Vorstellung von Loriot. Du denkst es kann nicht mehr übertroffen werden und dann kommt ein Schröder, Eichel, Westerwelle oder Koch daher und schafft es doch.
Grüße
Wir ersticken sowieso schon in der Bürokratie. Soll man also jetz noch Gesetze erlassen, wann, wo und wofür der Staat haftbar gemacht werden soll, bezogen auf Reisen u.s.w.?
Das Risiko ist bekannt gewesen und wurde einkalkuliert. Somit muss man für sich auch selbst die Konsequenzen tragen. Warum soll der Steuerzahler dafür aufkommen?
Für eigene Fehler andere schuldig zumachen ist immer der leichteste Ausweg.
Gruß
@ seykota
Das ist Äpfel mit Birnen vergleichen. Wenn ich in ein Land reise dessen Volksgruppen sich aus religiösen Differenzen gegenseitig die Hälse abschneiden, muß ich mir des Risikos bewußt sein, was mein Leben als "Ungläubiger" dort wert ist. Gehe ich dieses Risiko ein, weil ich den Kick oder auch nur den Wüstensand zwischen den Zähnen so dringend brauche, ist es mein Risiko.
Ich würde mich freuen, so billig mit dem Leben davongekommen zu sein. Es ist doch schizophren, auf der einen Seite jammern alle, daß der Staat sich in jeden Lebensbereich einmischt, auf der anderen Seite schreien´s dann wieder wenn er nicht bei jedem Schwachsinn wie ein Kindermädchen warnend zur stelle ist oder zumindest die Kosten übernimmt, wenn das Abenteuer in die Büx geht.
Daran krankt dieses Land, an dieser unsäglichen Vollkaskomentalität. Man raucht, säuft und frißt bis die Schwarte kracht, neuerdings reist man bis man als Geisel genommen wird, die Allgemeinheit zahlt ja den Bypass oder die Auslöse. Dann schreibt man noch ein Buch darüber und die Masse zahlt dann auch noch dafür.
Es ist nicht zum Aushalten. Und eigentlich ein Jammer, daß so ein Thema in diesem Forum Gehör findet.
Ein sich die Haare raufender Snow.
Nun ist es aber gut. Lehrer Blümchenschrei fährt in die Wüste und wundert sich, dass es aua tut, wenn die Eingeborenen ihm sein Geld oder noch mehr abnehmen. Und ihr diskutiert ernsthaft über die Vollkasskogesellschaft. Wenn ich nach Bolivien fahre muss ich mit Entführung rechnen. Wenn ich das Matterhorn besteige muss ich mit Absturz rechnen. Und trotzdem rennen jedes Jahr Fischköpfe in Sandalen die Berge hoch.
Andererseit möcht ich mir wünschen, dass sich jemand aus seiner Durchlauchts Ministerium um mich kümmert, wenn ich in der Türkei im Gefängniss sitze, weil mein Sohn einen Stein mitgenommen hatte, den die Türken zwar vorher gar nicht kannten, aber plötzlich als unwiederbringliches Kulturerbe betrachten, tolle Kultur.
Wo also die Grenze ziehen? Schwierig.
Aber ein Staat muss seine Bürger schützen, desswegen gibt es ihn und desswegen wird er unterhalten.
Früher war das einfacher, weil es keine Sicherheitsgurte gab. Eine provikante These: Die Dummen sind früher ausgestorben. Weil sie sich mangels Inteligenz nicht schützen konnten sind sie vom Löwen gefressen worden, vom Stärkeren ermordet und ihres Habes beraubt, im Leichtsinn ertrunken etc.
Heute gibt es Sicherheitsvorkommnisse und Gesetzte und Regeln. Heute kann jeder Dummkopf mit 200 über die Autobahn rasen, wenn etwas schief geht öffnet sich der Airbag und der Gurt und die Fahrgastzelle schützt ihn.
Insofern wird unsere Welt nicht immer dümmern, aber die Dummen überleben und reisen in die Sahara.
Die Sache mit den Sahara-Geiseln finde ich noch relativ banal. Auch wenn ich weiterhin die Ansicht vertrete daß die Leute selbst dran Schuld sind, kann ich hier noch ein gewisses Verständnis aufbringen.
Viel schlimmer fand ich ein Ereignis vor ein paar Monaten, als ein paar dusselige Frauen aus Sympathie mit dem Terroristen-Führer Arafat sich in sein Hauptquartier begaben als die israelische Armee dieses belagerte um die genannte Person zu isolieren, der eine oder andere wird sich noch daran erinnern.
Die Damen hielten es ein paar Tage aus, bis die eine von ihnen "überraschender Weise" feststellte daß die Schulferien in Deutschland gerade zu Ende gingen und sie zurück zu ihrer Lehrstelle nach Deutschland in ihre Schule mußte. Die Damen mußten dann von einem Spezialkommando aus dem Gebäudekomplex evakuiert werden, da die Israelis das gesamte Gebiet hermetisch abgeriegelt hatten. Die Kosten für diese Aktion mußten zunächst von der Bundesregierung vorgelegt werden. Da hört für mich die Solidarität mit vermeintlichen Opfern entgültig auf!
Und deshalb liebe ich immer noch Amerika, da gäbe es nicht mal ein Diskussion über solche Dinge. US Bürger in Gefahr, bring them home, basta.
- zuerst hatten wir 1000 Sozialhilfeempfängerim Ausland denen man was wegnehmen konnte
- dann 500 Fußballprofis die Wochenendzuschläge bekommen
- jetzt 50 Geiseln irgendwo in der Welt
- und demnächst noch 3-4 Spitzensportler die ihren Wohnort ins Ausland verlegen.
Das ist doch absurd angesichts von 6 Mio. Arbeitslosen, ein paar Millionen Sozialhilfeempfängern in Deutschland und einem in Bürokratie und Steuerchaos versinkendem Land. Haben wir den nichts anderes zu tun, als uns mit solchem Mist zu beschäftigen?
mfg Jens
Ich liebe zwar Amerika immer noch nicht (Rettungs- und Befreiungsaktionen von US-Bürgern erfolgen wohl mehr unter dem Aspekt der Wahrung des Status Quo als einzige verbliebene Supermacht als aus humanitären Gründen), trotzdem denke ich auch, dass wir eigentlich andere Probleme haben.
Aber, und da folgen Politik und die Medien der gleichen Logik, es ist immer einfacher, sich mit plakativen Einzelfällen, die auch noch wunderbar polarisieren, zu beschäftigen, als die eigentlichen Skandale und Probleme anzugehen.
hakl