sentix - Der Mai im September
Aktien
Entgegen der Erwartung von letzter Woche fanden die Aktienmärkte nicht die Kraft, nochmals einen Angriff auf die Mitte August etablierten Widerstände zu starten. Die Korrekturtrends, deren Bruch etwas später so oder so auf der Tagesordnung stand, wurden beendet und die übergeordneten Abwärtstrends wieder aufgenommen.
Interessant zu beobachten, dass - wie vermutet - in diesem Fall die Angst sehr schnell in die Märkte zurück kam. So stieg der VDAX wieder bis über 52% und die Tagesschau zeigte sich bereits am Dienstag sehr besorgt über die Börse. Selbst Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, hält nun eine Rezession für sehr wahrscheinlich.
Wie hat sich vor diesem Hintergrund in dieser Woche das sentix-Stimmungsbild verändert?
Die Privaten sind erneut deutlich negativer gestimmt. Sowohl kurz- wie mittelfristig hat der Pessimismus zugenommen. Besonders auffällig sind die starken Einbrüche beim Nasdaq und bei Nikkei. Die Institutionellen dagegen sind zwar kurzfristig ebenfalls negativer gestimmt, mittelfristig aber vor allem für die US-Märkte deutlich zuversichtlicher geworden. Nur beim Nikkei herrscht Einigkeit: auch hier erlitten die Institutionellen mit dem Bruch der 9400 einen regelrechten Stimmungseinbruch. Für die Gesamtindizes hat dies zur Folge, dass die kurzfristige Aktienstimmung im Keller ist, begleitet von einer relativ niedrigen Prognoseunsicherheit. Die mittelfristige Einschätzung ist per saldo noch leicht positiv, die Prognoseunsicherheit steigt aber. Eintracht beim Nikkei: stark negative Stimmung und niedrige Prognoseunsicherheit kurzfristig, mittelfristig starker Stimmungseinbruch bei konstanter Unsicherheit.
Für die kurzfristige Tendenz an den Aktienmärkten verspricht die aktuelle Konstellation eine gute Wahrscheinlichkeit auf steigende Kurse. Denn der verbreitete Pessimismus (bei niedriger Unsicherheit) in Verbindung mit den charttechnischen Unterstützungen, auf denen die wichtigsten Indizes aufgesetzt haben, ist positiv zu werten.
Betrachtet man den mittelfristigen Horizont gleicht die aktuelle Lage zunehmend der vom Mai diesen Jahres. Auch damals war ein Auseinanderfallen der Einschätzung von Privaten und Institutionellen zu beobachten:
Wie die Grafiken zeigen, waren im Frühjahr 2001 die Privaten mittelfristig deutlich positiver gestimmt als die Institutionellen. Seit Frühjahr 2002 ist dies umgekehrt. Bezogen auf den DAX ist dies die größte negative Abweichung seit Bestehen des sentix!
Im Mai wies ich daraufhin, dass die Institutionellen in die StopLoss-Falle geraten können, da diese Anlegergruppe damals hoch investiert und sehr optimistisch gestimmt war. Aktuell ist die Stimmung wieder gut, die Positionierung aber nicht mehr ganz so bullish. Im Wesentlichen sind es die Fondsgesellschaften, die noch hoch investiert sind, während die Versicherungen und viele Banken bereits ihre Engagements zurückfahren mussten. Die Folgen eines Rutsches auf neue Lows wären also wieder Stopverkäufe der Institutionellen, aber nicht mehr so dramatisch wie im Juli und - da Fonds leichter in den Markt zurückkehren können - aller Voraussicht nach kurzlebiger. Mit anderen Worten: "Anfühlen" würde es sich gar nicht gut, die dahinterliegenden Kräfte wären aber schwächer und kurzlebiger.
Bei steigenden Märkten ist von Seiten der Institutionellen mit nur begrenzter Kaufkraft zu rechnen. Zwar verliefe diese Bewegung im Einklang mit der Einschätzung, ein starkes Kursfeuerwerk ist aber nur dann zu erwarten, wenn die Institutionellen, die ihre Portfolien aus Risikoüberlegungen absichern mussten, wieder in den Markt zurückkehren. Bei vielen Anlegern dürfte dies vor dem Jahresultimo kaum noch der Fall sein. Die Fondsgesellschaften dagegen warten auf die Mittelzuflüsse der Privaten. Die sind skeptisch und halten hohe Liquidität. Fraglich ist aber, wie sicher sich die Privaten wieder fühlen müssen, um in den Markt zu investieren.
Das gleiche Bild zeigt sich auch, wenn das relative Sentiment von Aktien zu Bonds betrachtet wird. Die Institutionellen sind auf den aktuellen Niveaus auf mittlere Sicht sehr negativ für Bonds relativ zu Aktien, während die Privaten, nachdem Sie im März sehr zuversichtlich für Aktien und skeptisch für Bonds waren, nunmehr Bonds leicht favorisieren. Es wird spannend zu sehen sein, ob die Institutionellen diesmal zu recht optimistisch sind. Die Chancen sind diesmal zumindest besser als im Mai!
Renten
Wie bereits obenstehend angedeutet, sind die Institutionellen besonders auf mittlere Sicht sehr skeptisch für Renten geworden, während sich bei den Privaten sowohl kurz- und mittelfristig der Optimismus durchgesetzt hat. Der jüngste Kursanstieg im Bund-Future führte auf der Tagesbasis erstmalig im aktuellen Trend zum Aufbau von negativen Divergenzen, so dass die Gesamteinschätzung für die Renten damit erstmalig seit Monaten negativ ausfällt. Einzig das Szenario neuer Aktientiefstände könnte die Bewegung verlängern. Aber auch am Rentenmarkt gilt: Die Bewegung ist weniger fundiert und sollte deshalb auch kurzlebig sein.
EUR-USD
Obwohl der US-Dollar über die gesamte Woche gesehen praktisch seitwärts tendierte, ist die kurzfristige Stimmung sehr bullish geworden. Mittelfristig dagegen sind zwar die Privaten etwas positiver gestimmt, die Institutionellen dagegen haben weiter ihren Optimismus leicht zurückgefahren. Da die jüngste Bewegung auch charttechnisch negativ zu beurteilen ist, bleibt es beim Fazit der letzten Woche: Die Chancen liegen beim US-Dollar.
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Manfred Hübner
sentix - Der Sentimentindex