Sentix: Endlich haben wir das Spiel verstanden !
Aktien
Diesen Eindruck kann man gewinnen, wenn man die sentix-Daten betrachtet. Der Markt verliert von seinem Rallye-High (DAX: 3476; ESX: 2729) ca. 10% und die Stimmung der Anleger rauscht in den Keller. Vor allem die Institutionellen haben sich komplett von ihrem mittelfristigen Optimismus verabschiedet. Die Stimmung nähert sich dem Jahrestief und ist negativer als im Sommer diesen Jahres. Auch die Privaten sind fast wieder so skeptisch, wie im Juli 2002. Festzuhalten bleibt aber: Die flachen Aufwärtstrends seit Ende Oktober sind noch intakt!
Unter sentimenttechnischen Gesichtspunkten ist diese Stimmungsentwicklung sehr interessant. Die Anleger sind überzeugt, dass es sich nur um eine Bear-Market-Rallye handelt. In der Tat gibt es eine Reihe negativer technischer Signale, wie in der letzten Woche hier bereits erörtert. Das ist aber die Mehrheitsmeinung. Spannender ist, was für die Bären schief laufen kann.
Sehr einfach zu bestimmen ist das Niveau, welches die Indizes überschreiten müssen, damit die Bären "kalte Füße" kriegen. Dies ist im DAX die 3500er-Marke (Bruch des leicht aufwärts gerichteten Trendkanals nach oben) und im ESX50 die 2750. Dann wäre die Bewegung in beiden Indizes seit Ende Oktober als "running correction", also als Konsolidierung im Aufwärtstrend zu betrachten. Das besondere an dieser Konsolidierung ist, dass sie nicht gegen den Trend geneigt ist, sondern mit dem Trend. Man findet solche "corrections" ausschließlich in liquiditätsgetriebenen Märkten. Liquidität ist genügend vorhanden, sowohl durch die jüngsten Zinssenkungen, wie auch durch Short-Eindeckungen.
Apropos Short-Eindeckungen: Unklar ist, ob Aktienbestände, die bei Banken und Versicherungen ins Anlagevermögen genommen werden sollen, um Abschreibungen zu vermeiden, durch Futures gesichert sein dürfen. Wenn dies verneint wird, dürfte noch so manche Future-Sicherung geschlossen werden. Ein Blick auf das Open Interest der DAX- und ESX-Futures zeigt dann auch, dass diese für einen Dezember ungewöhnlich hoch ausfallen. Üblicherweise ist das OI im 1. und 2. Quartal steigend, während es im 2. Halbjahr rückläufig ist. In diesem Jahr haben wir zwischen Juni und August einen deutlichen Anstieg im OI und seitdem eine Seitwärtstendenz. Dies heißt, Institutionelle mussten im Sommer ihre Portfolien sichern und haben dies seitdem nicht geändert. Der "Hexensabbat" in diesem Jahr wird also sehr interessant.
Ein weiterer Aspekt, den man nicht unterschätzen sollte, ist das sogenannte Rebalancing der Benchmarks. Konkret heißt dies, dass ein Investor, der zum Beispiel eine Benchmark von 50% Aktien und 50% Renten für sein Portfolio vorgibt, aktuell - aufgrund der Performance - nur noch 30% Aktien und 70% Renten in seinem Portfolio hält (jährliches Rebalancing). Diese Investoren müssen nun entscheiden, welchen Benchmark sie für das neue Jahr wählen. Aufgrund der gemachten Erfahrungen und der mittlerweile verbreiteten Ansicht, dass Finanzanlagen in den nächsten Jahren generell nur einstellige Wertzuwächse versprechen, dürfte eine nur geringe Neigung gegeben sein, Aktien deutlich aufzustocken. Andererseits: Wie sonst sollen Erträge von mehr als 5% generiert werden, bei einem 10-Jahreszins von 4,5%? Eine simple Überlegung dürften viele hegen: Wir hatten drei Jahre in Folge negative Aktienreturns. Wie oft gab es vier negative Jahre in Folge? Kann es sich ein Institutioneller leisten, keine Aktien zu haben?
Wertsicherungsstrategien und Portfolio-Insurance-Konzepte, die einen Mindestertrag je Kalenderjahr sichern sollen, starten ebenfalls am 1.1. mit frischen Risikobudgets. Es scheint nicht unwahrscheinlich, dass viele Investoren versuchen, erneut vom Aktienmarkt zu partizipieren, aber diesmal, wie "Kaiser Franz" es sagt, mit Netz und doppeltem Boden. Dies erhöht sicher die Gefahr, einer erneuten starken Abwärtsbewegung, falls es bereits sehr früh im Jahr zu einer erneuten Korrektur kommt. Aber zunächst müssen Aktien gekauft werden.
Bei allen berechtigten Zweifeln gegenüber dem Aktienmarkt sollten die oben genannten Aspekte nicht aus den Augen gelassen werden. Nachhaltige Verkaufssignale haben wir erst unter 3000 (DAX) bzw. 2400 (ESX50). Bis dahin ist Trading im Seitwärtsmarkt angesagt. Und falls die genannten Widerstandsmarken fallen, insbesondere durch eine Rallye zwischen dem 20.12.2002 und 17.01.2003, haben wir, nimmt man die sentix-Ergebnisse als Grundlage, eine größere Anzahl von Anlegern, die davon überrascht werden.
Renten
Die Konsolidierung im Rentenmarkt wurde in der abgelaufenen Woche beendet. Im adjustierten Endloskontrakt ist die Dreiecks-Konsolidierung am Freitag nach oben verlassen worden. Die Institutionellen sind noch immer negativ gestimmt und die Privaten sind deutlich skeptischer geworden. Die Prognoseunsicherheit ist sowohl auf kurze und mittlere Sicht deutlich ansteigend. Dies heißt, dass mit diesem charttechnischen Break, der immerhin neue Alltime-Highs im adjustierten Kontrakt verspricht, nicht allzu viele etwas anfangen können. Auch Positionierungsdaten deuten darauf hin, dass der Markt nicht long ist. Renten-Longpositionen bleiben damit ein willkommener Hedge für Aktien-Longs bzw. sind auch "stand alone" weiter chancenreich.
Währungen
Es bleibt bei der bereits vor einigen Wochen mit Zeitfenster 3 Monaten empfohlenen Strategie, keine Richtungs- sondern eine Volaposition einzunehmen. Der starke Rückgang des kurzfristigen Optimismus und der gleichzeitige starke Anstieg der Prognoseunsicherheit deuten in Verbindung mit dem nahenden Jahresultimo und der niedrigen impliziten Volatilität auf eine unverändert interessante Ausgangslage für Straddle-Positionen.
Die sentix-Daten zu USD-JPY (neutrales Sentiment, deutlich gestiegene Unsicherheit) signalisieren, dass ein Richtungsentscheid bevorsteht. Dementsprechend hat sich im Chart eine Formation gebildet, die selbsterklärend ist: Ein aufsteigendes Dreieck, bei dem sowohl die obere Widerstandsmarke (125,80) wie auch untere Trendbegrenzung (aktuell ca. 120) sauber definiert sind. Ein Break dieser Formation ist damit signifikant.
Alle Charts finden Sie unter http://www.sentix.de/analysen/Analyse.htm
Die Sonderanalyse der Woche zum Thema "Entscheidungsprozesse" finden Sie unter http://www.sentix.de/analysen/sonderanalysen/20021206.htm
Manfred Hübner
sentix - Der Sentimentindex