Sollte die Dollarblase platzen, droht eine handfeste Krise an den Märkten.
Hallo zusammen !
Vor kurzem habe ich folgenden "Die Zeit (No. 34 / 2001)"-Artikel gelesen, der eigentlich nichts an Aktualität verloren hat. Jeder möge sich nach der Lektüre seine eigene Meinung dazu bilden.
Viel Spass beim Lesen.....
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Es klang nach einer Platitude, was George W. Bush der kleinen Runde aus Journalisten beim G-8-Gipfel in Genua zum Wechselkurs des Dollar von sich gab:
"Wir kennen sowohl die Vorteile als auch die Nachteile einer starken Währung, und deshalb lassen wir den Markt über den Wert des Dollar entscheiden."
Die internationale Finanzwelt interpretierte die Äußerung des US-Präsidenten als einen Hinweis darauf, dass die Regierung die seit Jahren gültige Politik des starken Dollar jetzt infrage stelle.
Die Devisenmärkte reagierten - der Wert der Währung rutschte ab.
US-Finanzminister Paul O'Neill bemühte sich am folgenden Tag um Schadensbegrenzung.
Die Politik des harten Dollar stehe nicht zur Diskussion. Sollte er sie eines Tages dennoch aufgeben, wolle er "das New Yorker Yankee-Stadion mieten und dort eine Blaskapelle spielen" lassen, versicherte O'Neill. Doch trotz allen Abwiegelns - die Botschaft ist deutlich:
Die US-Regierung wünscht sich einen schwächeren Dollar, die Wechselkurse zum Euro und zum Yen sollen fallen. Die Mehrheit der amerikanischen Marktbeobachter ist überzeugt, dass der Dollar um 20 bis 30 Prozent überbewertet ist.
Einige, wie der Chefvolkswirt der Investmentbank Morgan Stanley, Stephen Roach, sprechen sogar von einer Dollarblase.
Sollte sie platzen und der Kurs abstürzen, droht dem amerikanischen Aktien- und Anleihenmarkt eine handfeste Krise, warnt William Dudley, Stratege der Investmentbank Goldman Sachs. Denn bislang hielt der starke Dollar die Inflation niedrig und machte Investitionen von Ausländern in US-Unternehmen attraktiv. Anleger außerhalb der Vereinigen Staaten profitierten nicht nur von steigenden Aktienkursen, sondern auch vom hohen Dollar.
Präsident Bush und Minister O'Neill wollen den Markt nicht zu sehr verunsichern.
O'Neill mag öffentlich nicht einmal zugeben, dass die amerikanische Währung überbewertet ist.
"Was wissen Sie, was der Markt nicht weiß?", fragt er jeden, der ihn auf dieses Thema anspricht. US-Starökonom Rudi Dornbusch traut dem Finanzminister gar keine besondere Kompetenz in Sachen Dollar zu. O'Neill sei einer, "der zu viel über Wettbewerb nachdenkt und zu wenig über Kapitalmärkte weiß", schrieb Dornbusch in der Welt. Die USA hätten die wirtschaftliche Talfahrt hinter sich, der Dollar werde stark bleiben.
Selbst Beobachter wie Volkswirt Dudley verlangen von Bush und O'Neill nicht, die
Politik des starken Dollar durch eine Politik des schwachen Dollar zu ersetzen.
"Es macht nur keinen Sinn, den Dollar über seinen langfristig nachhaltigen Wert hoch zu reden", sagt Dudley. Die Korrektur an den Märkten falle dann später schmerzhafter aus als nötig.
Die Gefahr durch die aktuelle Überbewertung der amerikanischen Währung ist Folge
eines jahrelangen Höhenfluges des Dollar. Die Wachstumsraten in den USA lagen weit über denen in Europa und Japan, ein starker Produktivitätsanstieg verstärkte den Glauben in die Kraft der US-Wirtschaft zusätzlich und bescherte den Unternehmen satte Gewinne.
In der Folge kletterte der Wert der amerikanischen Währung im Vergleich zu den europäischen allein in den vergangenen fünf Jahren um etwa 30 Prozent - vor sechs Wochen erreichte er sogar ein 15-Jahres-Hoch.
Inzwischen hat sich die kraftstrotzende Währung aber zur Bremse für die amerikanische Exportwirtschaft entwickelt. Weil das US-Geld so teuer geworden ist, geht weltweit die Nachfrage nach amerikanischen Gütern zurück. "Der Dollar ist so stark gestiegen, dass er wie eine Steuer auf US-Exporte wirkt", klagt Frank Vargo vom Industrieverband National Association of Manufacturers.
Und John M. Devine, Finanzvorstand des Autoriesen General Motors, sieht sein Unternehmen im internationalen Wettbewerb benachteiligt: "Der starke Dollar hat in den vergangenen Jahren die Deutschen und die Japaner gestärkt."
Für die Automobilbranche trifft das zu: Gleich mehrere deutsche Autokonzerne meldeten vor wenigen Wochen Rekordabsätze auf dem US-Markt - deutsche Fahrzeuge sind dort dank des starken Dollar und des schwachen Euro so billig wie nie zuvor.
Auch in anderen exportorientierten Branchen schwächt der Höhenflug der US-Währung die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft. Die Leistungsbilanz der USA spricht eine deutliche Sprache:
Sie weist jährlich ein Defizit von mehr als 400 Milliarden Dollar auf. Der Wert der Importe liegt also weit über dem Wert der Exporte - die USA türmen einen Schuldenberg bei ihren Handelspartnern auf.
In den vergangenen Jahren haben ausländische Anleger mit ihren Investitionen in
amerikanische Unternehmen das Defizit in der Leistungsbilanz finanziert. Doch der Fehlbetrag ist bereits ein Zeichen für den Anfang vom Ende der Dollarstärke,
langfristig kann die Situation nicht stabil bleiben.
Als Folge der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit sinken die Gewinne amerikanischer Unternehmen - in den vergangenen Monaten waren Gewinnwarnungen die Regel. Zudem haben amerikanische Staatsanleihen an Attraktivität verloren. "Investoren werden sich nach alternativen Anlagemöglichkeiten umsehen", sagt Hubert Strauß vom Kieler Institut für Weltwirtschaft, "das setzt den Dollar unter Druck."
Goldman Sachs hat diese Tendenz bereits im ersten Quartal des laufenden Jahres
beobachtet: Das Interesse ausländischer Anleger habe sich von Aktien hin zu
festverzinslichen Wertpapieren wie Unternehmensanleihen verschoben, berichten
die Analysten.
Sollte Anfang des kommenden Jahres die erwartete Erholung der Konjunktur ausbleiben, könnte das Interesse ausländischer Investoren an amerikanischen Aktien noch weiter zurückgehen. Für Anleihen müssten US-Unternehmen den Anlegern dann höhere Zinsen zahlen, befürchten die Experten der Investmentbank.
Die Situation der amerikanischen Wirtschaft ist nicht neu.
Die Jahre 1984 und 1985 dienen Wissenschaftlern als Beleg für ihre Prognosen. Damals war der Dollar nach mehreren Boomjahren noch stärker als heute. Das Leistungsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten wuchs, die Gewinne der Unternehmen versiegten. Daraufhin geriet der Dollar unter Druck:
Innerhalb von zwei Jahren verlor er im Vergleich zu den europäischen Währungen fast die Hälfte seines Wertes.
Diesmal soll der Rückgang des Dollarkurses glimpflicher verlaufen. Bushs Finanzminister O'Neill wiederholt daher immer wieder, die Politik des harten Dollar stehe nicht zur Diskussion. Denn die US-Regierung befindet sich in einem Dilemma:
"Für die Exportwirtschaft wäre ein sinkender Dollarkurs zwar verlockend", sagt
Hubert Strauß vom Institut für Weltwirtschaft, "er birgt aber die Gefahr einer
steigenden Inflation." Ein schwächelnder Dollar würde nämlich die Importe in die
Vereinigten Staaten verteuern und die Preise für die Verbraucher in die Höhe
treiben.
Marktbeobachter erwarten deshalb eine langsame Abwertung der amerikanischen
Währung. Die Gefahr, dass die Dollarblase platzen könnte, sei gering. "Wenn der
US-Finanzminister weiter beruhigend auf den Markt einredet, wird die Luft aus der Blase langsam entweichen", sagt Ulrich Beckmann, Europa-Chefvolkswirt der
Deutschen Bank.
In den kommenden Wochen werde die amerikanische Währung kontinuierlich an Wert verlieren und zum Jahresende bei etwa 2,05 Mark notieren. Das Ende der Dollartalfahrt sieht Beckmann damit noch nicht erreicht.
Für fair bewertet hält er den Dollar erst bei einem Preis von 1,85 Mark. "Der amerikanische Präsident hat die Märkte mit seiner Äußerung auf die richtige Spur gesetzt - alles Weitere läuft jetzt von allein", sagt der Deutsche-Bank-Volkswirt.
In Europa reiben sich Politiker angesichts dieser Aussichten die Hände. Wenn die
Importe aus den USA dank eines fallenden Dollar für die Europäer billiger werden, sinkt hierzulande die Inflationsgefahr. Die Europäische Zentralbank hätte damit Spielraum, die Zinsen zu senken und der lahmenden Konjunktur in Euroland auf die Sprünge zu helfen.
Und nicht zuletzt würden die Europäer neues Vertrauen in ihre Einheitswährung
schöpfen, sollte sie in den kommenden Wochen tatsächlich Boden gegenüber dem
Dollar gut machen. Die lange Schwächephase hat das Image des Euro in der
Bevölkerung ramponiert. Zumindest zu Werbezwecken käme der Aufwärtstrend kurz
vor der Einführung des Euro-Bargeldes Anfang kommenden Jahres genau zum richtigen Zeitpunkt.
(c) DIE ZEIT 34/2001
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Viele Gruesse und ein schönes Wochenende wünscht Euch
Euer
Franjo
Hallo.
Interessanter Artikel - kann mich dem nur anschliessen. Der Dollar ist zu hoch, aber meine Meinung zählt nicht :-).
Volker