S&P Rating AAA: Was bedeutet "risikolos" ?
Kreditmärkte: Was heißt eigentlich „risikolos“?
Von Hans Stoter, Chef globale Hochzins- und Emerging Markets-Anleihen bei ING Investment Management
DasInvestment.com (07.05.11) - Die Rating-Agentur S&P hat vergangene Woche den Ausblick für US-Schulden auf "negativ" gesetzt. Interessant: AAA-geratete Unternehmensanleihen rentieren im Schnitt höher als US- und Bundesanleihen bei teils geringerem Ausfallrisiko. Könnten sie die Rolle der risikolosen Anlageform übernehmen?
Risikolose Anlagen sind seit jeher ein wichtiges Konzept in der Investmentbranche, denn sie bieten einen Anhaltspunkt für die Bepreisung anderer – immanent risikoreicherer – Anlageformen.
Die Investition in eine risikofreie Anlage bedeutet praktisch, dass der Inhaber in jedem Fall das eingesetzte Kapital zurückerhält. Welche Anlageformen sind danach also risikolos?
In der Vergangenheit galten AAA-geratete Staatspapiere wie Bundesanleihen und US Treasuries als risikofrei, denn es ist geradezu undenkbar, dass Deutschland beziehungsweise die USA ihre Verbindlichkeiten bei Fälligkeit nicht begleichen würden.
Die Ankündigung der Rating-Agentur S&P, die AAA-geratete Bonität der USA mit einem negativen Ausblick zu qualifizieren, hat die Märkte in der letzten Woche in Aufregung versetzt. Damit besteht eine 33-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass die Kreditwürdigkeit der USA in den nächsten zwei Jahren herabgestuft wird.
Gleichzeitig entzündet sich daran erneut die Debatte, was „risikolos“ wirklich bedeutet. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Senkung des Ausblicks für US-Staatsanleihen nicht nur zusätzlich zu den zahlreichen Herabstufungen der schwächsten EWU-Staaten wie Griechenland, Portugal und Irland stattfindet.
Auch stärkere Länder wie Spanien und Belgien wurden entweder herabgestuft oder auf negativen Ausblick gestellt. Hinzu kommt, dass die Aussichten für das Kredit-Rating für japanische Staatsanleihen in den vergangenen Monaten ebenfalls gesenkt wurden.
Was bedeutet also ein AAA-Rating?
Ein AAA-Rating indiziert, dass der Schuldner – so die S&P-Definition – in besonders hohem Maße über die Kapazität verfügt, seine finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen. Um diese Kapazität einzuschätzen, prüfen die Rating-Agenturen die Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit des betreffenden Schuldners.
Dabei könnte man argumentieren, dass es doch gar keinen Zweifel an der Fähigkeit der USA, auf US-Dollar lautende Anleihen zu tilgen, geben kann, denn schließlich könnten die USA jederzeit mehr Dollar drucken.
Demnach bezweifelt S&P die Bereitschaft der weltweit größten Volkswirtschaft, ihre Schulden zu bezahlen. Das verwundert nicht, wenn man bedenkt, welche Probleme die politisch Verantwortlichen in den USA dabei haben, das Haushaltsdefizit des Landes zu reduzieren: Man kann sich nicht einigen, ob dazu die Staatsausgaben gesenkt oder die Steuern erhöht werden sollen.
In Europa ist die Situation etwas komplizierter, da die Staaten der Eurozone nicht einseitig für den Druck frischen Geldes zur Schuldenzahlung optieren können. Damit ist ihre Zahlungsfähigkeit stärkeren Beschränkungen unterworfen.
AAA-Unternehmen die besseren risikolosen Anlagen?
Auch eine kleine Gruppe ausgewählter Konzerne wie Rabobank, Microsoft und Johnson & Johnson, verfügt über ein AAA-Rating. Die Gruppe der als „AA+“ beziehungsweise „AA-“ eingestuften Unternehmen ist demgegenüber deutlich größer.
Zu dieser Gruppe zählen Chevron, Nestlé, Novartis, Pfizer, Shell, Total, Wal-Mart sowie eine ganze Reihe finanzkräftiger Banken und Versicherungsgesellschaften. Das Rating dieser Unternehmen war während der gesamten Finanzkrise außerordentlich stabil, ein klarer Beweis für ihre finanzielle Leistungsfähigkeit.
Mehr Rendite...
Interessanterweise rentieren Anleihen von AAA-gerateten Unternehmen im Durchschnitt rund 0,5 Prozent höher als Treasuries und Bundesanleihen, während AA-geratete Unternehmensanleihen etwa 1,0 Prozent höhere Renditen abwerfen (Quelle: Barclays Capital Indexdaten).
Die Kredit-Ratings von Staatsanleihen befinden sich infolge der hohen – und steigenden – Schuldenniveaus im Abwärtstrend. Dazu trägt auch die Gefahr bei, dass finanziell stärkere Länder durch die Finanzhilfe an schwächere Länder mit heruntergezogen werden.
...bei geringerem Ausfallrisiko
Das wachsende Risiko für die historisch als „letzter sicherer Hafen“ geltenden Länder lässt sich auch am Preis für den Schutz vor dem Ausfallrisiko am Kreditderivatemarkt ablesen. Zur Verdeutlichung: Vor der Finanzkrise lag der Preis von Kreditschutz für Bundesanleihen unter fünf Basispunkten, heute sind es 44 Basispunkte.
Das Bild in den USA ist ähnlich: Der Preis für die Kreditsicherung von Staatsanleihen stieg von acht Basispunkte Anfang 2008 auf derzeit 48 Basispunkten. Im Vergleich dazu beläuft sich der Kreditschutz für Nestlé-Anleihen auf 38, für Microsoft auf 42 und Wal-Mart auf 46 Basispunkte.
Demnach ist das Ausfallrisiko dieser Werte niedriger als die staatlicher AAA-Emittenten! (Quelle: Bloomberg, fünfjährige CDS-Spreads) Könnten daher die Top-Adressen der Privatwirtschaft die Rolle der „risikolosen“ Anlageform erster Wahl übernehmen?
Ich halte das für sehr unwahrscheinlich. Andererseits sollten risikoaverse Investoren sich nicht allein an traditionellen „risikofreien“ Staatsanleihen orientieren, sondern auch qualitativ hochwertige Unternehmensanleihen in ihr Portfolio aufnehmen.
Diese Werte sind hochliquide und werden – im Gegensatz zu CDS – immer noch mit einem deutlichen Renditezuschlag gegenüber Staatsanleihen gehandelt. Das diversifiziert nicht nur das Risikoprofil des Portfolios, sondern steigert auch die Rendite.