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Vollständiges Interview mit ABB Verwaltungsratspräsident

Liebe Leser,

anbei das gesamte Interview.

Viele Grüsse

Euer

Franjo

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„Asbest-Probleme sind in sechs Monaten erledigt“

ABB verhandelt in den USA über außergerichtliche Einigung – Konzernchef Dormann will das Unternehmen in zwei Jahren verlassen

Berlin/Zürich - Anfang September kam es beim schwedisch-schweizerischen Mischkonzern ABB zum überraschenden Wechsel an der Konzernspitze: Der Schwede Jörgen Centerman trat nach nur 20-monatiger Amtszeit zurück und wurde vom Verwaltungsratspräsident Jürgen Dormann abgelöst. Seit dem treibt der 62-jährige Deutsche die Sanierung des finanzielle angeschlagenen Industriekonglomerates voran. Mit Dormann, der in Personalunion auch noch Verwaltungsratspräsident von ABB ist, sprachen Frank Seidlitz und Christian Huggenberg.

DIE WELT: ABB steckt mitten im Umbruch. Wo wird der Konzern in fünf Jahren stehen?

Jürgen Dormann: Wir haben die zwei Geschäftsfelder Automation und Energietechnik definiert. Hier haben wir starke Marktstellungen und sehr gute Produkte. Diese Bereiche werden wachsen, und zwar aus eigener Kraft. Zuerst müssen wir jetzt unsere Hausaufgaben machen. Erst wenn wir die gemacht haben, können wir aktiv weitere strategische Optionen verfolgen.

DIE WELT: Ihr Handlungsspielraum ist somit stark eingeschränkt?

Dormann: Da gebe ich Ihnen recht. In den nächsten zwei, drei Jahren ist das so. Es geht hier aber darum, das Unternehmen zunächst wieder flott zu machen.

DIE WELT: Bis Ende September 2003 werden bei ABB Kredite von rund 3,8 Mrd. Dollar fällig. Wird der ABB-Konzern die dafür notwendigen Mittel fristgerecht aufbringen können?

Dormann: Ja. Wir haben die richtigen Weichen gestellt; diese beinhalten den Verkauf von großen Teilen des Bereiches „Structured Finance“ an General Electric. Das wird zu einem Geldzufluss von 2,2 Mrd. Dollar führen, und zwar bis Ende diesen Monats. Wir sind außerdem in Verhandlungen über einen Rahmenkredit, der größenmäßig über eine Milliarde US Dollar liegen wird. Außerdem haben wir bekannt gemacht, dass wir 2003 zwei Geschäftsbereiche
verkaufen. Auch hier rechnen wir mit einem nennenswerten Erlös. Hinzu kommt natürlich noch der Cashflow, den wir intern generieren.

DIE WELT: Sie haben es angesprochen. Der Verkauf der Sparten „Öl, Gas, Petrochemie“ sowie Gebäudetechnik steht an. Ist dieser Verkauf bis Ende September 2003 abgeschlossen?

Dormann: Ich habe gesagt, dass wir uns vorgenommen haben, den Verkauf bis Ende 2003 abgeschlossen zu haben.

DIE WELT: Der Umbruch des Traditionskonzerns ABB wird noch Jahre dauern. Wie viele davon werden Sie dem Konzern vorstehen?

Dormann: Ich werde im Januar 63 Jahre und in zwei Jahren will ich mich anderen Aufgaben widmen.

DIE WELT: Sind die Probleme bei ABB so schnell gelöst?

Dormann: Die wahren Probleme bei ABB sind nicht kurzfristige Finanzierungsfragen. Die Kernfragen betreffen vielmehr die Kultur, die Kundenausrichtung und vor allem die Kostensituation. Wir haben sehr gute Technologien, eine gute Marktposition und eine motivierte Mannschaft. Aber unsere Rendite ist dennoch unbefriedigend, weil unsere Kosten zu hoch sind.

DIE WELT: Bei ABB hat man immer wieder Restrukturierungsanläufe genommen, aber offensichtlich ohne nennenswerte Ergebnisse?

Dormann: Den Eindruck gewinnt man. Doch außer dem Programm, 500 Mio. Dollar einzusparen, das von meinem Vorgänger im letzten Sommer gestartet wurde, gab es keine nachhaltigen Kostensenkungsmaßnahmen. Die Fixkostenstruktur hätte wesentlich stärker gesenkt werden müssen im Zusammenhang mit dem Verkauf unserer Geschäftsfelder wie z.B. Kraftwerke und den Bahnbereich.

DIE WELT: Das größte Problem ist doch bei ABB, dass Sie unter großem Zeitdruck stehen, den strategischen Veränderungsprozess zu vollziehen. Kann das überhaupt zu einem Erfolg werden?

Dormann: Im Moment geht es bei ABB darum, das dringend Notwendige zu tun. Die Finanzierung sicher zu stellen, die Asbestfrage zu lösen. Damit erhalten wir erst die Freiheitsgrade zur Zukunftsgestaltung.

DIE WELT: Wie lange wird es denn dauern, bis man an diesen Punkt kommt?

Dormann: Nicht vor 2004/2005. Die Finanzierungsfrage werden wir kurzfristig erledigen können, die Asbest-Problematik wahrscheinlich in den nächsten sechs Monaten. Die Verbesserung der Kostenstruktur wird bis Mitte 2004 dauern und dann sehen wir weiter.

DIE WELT: Gehen wir auf die beiden Geschäftsfelder ein: Automation gilt als sehr segmentiertes Geschäftsfeld. Wie passt ABB-Automation in diesen aufgeteilten Markt?

Dormann: Sehr gut, wenn sie weltweit die Kunden betreuen. Sie müssen wie ABB die notwendigen Strukturen in Asien, Amerika und Europa haben. Das ist der Vorteil von ABB. Im weltweiten Geschäft gibt es nur noch einige Wettbewerber.

DIE WELT: Vor einigen Jahren hat sich ABB in der Energietechnik-Sparte vom Kraftwerksbau getrennt. Ist Ihrer Meinung nach der Verkauf aus heutiger Sicht ein Fehler gewesen?

Dormann: Es ist müßig heute darüber nachzudenken. Die Kerngebiete, die wir heute haben sind profitabel und wachsen mit oder ohne Kraftwerke.

DIE WELT: Aber man könnte auch sagen, dass die Energieversorgung und -übertragung einfach zwei Teile sind, die zusammen gehören.

Dormann: Nein. Wir haben doch die Nummer-Eins-Position in der Stromübertragung und -verteilung auch ohne das Kraftwerkgeschäft.

DIE WELT: Herr Dormann: ABB verhandelt seit einigen Monaten mit Klägeranwälten über die außergerichtliche Beilegung bei den Asbestklagen. Wie lange werden diese Verhandlungen noch dauern?

Dormann: Sechs Monate

DIE WELT: Werden die Rückstellungen auf Grund der Asbest-Verhandlungen weiter erhöht werden müssen?

Dormann: Nein

Artikel erschienen am 28. Nov 2002

Geschrieben von F am
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