Werden Rohstoffpreise seit Anfang der 70er von etwas nervös gemacht ?
Hallo liebe Forumteilnehmer,
noch einmal möchte ich die doch für mich sehr interessante Frage in das Forum stellen, warum sich in den Jahrzehnten zwischen 1940 - ca. 1972 die Preise der Rohstoffe (zumeist Weizen, Mais, Hafer u.ä.) in einer eher ruhigen Geraden bewegt haben und dann ca. ab 1972 sich seither auf einem hohen Niveau im Vergleich zu den Vorjahren in einem sehr starken Auf und Ab bewegen.
Irgendetwas muss doch zu dieser allgemeinen starken Nervosität (zu sehen an der doch starken Volatilität im Vergleich zu den früheren Jahrzehnten) führen, dass solche Ausschläge rechtfertigt. Warum war das in den ca. 30 Jahren vor 1972 nicht der Fall, trotz beispielsweise Korea-Krieg, Kuba-Krise und Vietnam-Krieg.
Über weitere Antworten Ihrerseits würde ich mich sehr freuen.
Vielen Dank und viele Grüße
Ihr
Franjo
Eine höchst spannende Frage, die Sie beharrlich verfolgen. Nochmals einige wenige Gedanken zu diesem wichtigen Thema.
Eine Schlüsselrolle bei Bewegungen an spekulativen Märkten, ob es nun Aktienmärkte oder Rohstoffmärkte oder "Märkte im weiteren Sinne", wie Antiquitäten, Briefmarken oder Teppiche o.ä. sind, spielt das "Risikokapital". Dieses ist im wesentlichen, aber nicht nur, eine Funktion der Geldmenge, die in der Wirtschaft vorhanden ist. Aber eben nicht nur. Ein wichtiger Faktor ist auch z.B. die reale Kapitalrentabilität in der Wirtschaft.
Im Gefolge der grossen Depression (der DOW hatte von 1929 bis 1932 einen Rückschlag von über 380 auf 41 erlebt) war die Armut relativ gross, Risikokapital war knapp, und auch der zweite Weltkrieg und der Koreakrieg sowie die Kubakrise änderten an dieser Sachlage zwar graduell etwas, aber vom Grundsätzlichen her nur wenig. Allerdings nahm der Reichtum allmählich wieder zu, mehr Risikokapital war vorhanden. Die Gruppe der Unternehmer ist traditionell die Gruppe mit den grössten Mengen an Risikokapital. Solange die reale Kapitalrentabilität relativ hoch ist, werden Unternehmer es im allgemeinen profitabel finden, Risikokapital ins eigene Unternehmen zu stecken, also zu investieren.
Ab etwa Ende der 60-er Jahre führten gleich 2 Entwicklungen zu einer ungeheuren Ausweitung des Risikokapitals. Das eine war die immense Ausweitung der Geldmenge in den USA als Folge vor allem des Vietnamkrieges (hierbei wuchs die Geldmenge um ein Vielfaches im Vergleich z.B. zum Koreakrieg). Die andere Entwicklung war die rapide Verschlechterung der realen Kapitalrentabilität, so dass, um die Unternehmer wieder herauszugreifen, diese erstens mehr Geld "in der Tasche" hatten (die Geldmenge war ja stark gestiegen) UND zweitens das Investieren in die eigene Firma zunehmend weniger attraktiv wurde. Dieses nun in seiner Grössenordnung aufgeblähte Risikokapital suchte neue risikobehaftete Anlagemöglichkeiten und fand sie u. a. in den Rohstoffmärkten.
Mit freundlichen Grüssen
R.v.Arnim
P.S.: Diese nüchternen makroökonomischen Gesichtspunkte sollen den Blick nicht verstellen auf die grosse Gruppe der sozioökonomischen Faktoren, die bei der Beantwortung der aufgeworfenen Frage eine Rolle spielen und die von mir hier nicht behandelt werden. Es sollte andererseits aber auch nicht vergessen werden, dass die makroökonomischen Faktoren die sozioökonomischen Faktoren extrem stark beeinflussen und in aller Regel zu VORREITERN von sozioökonomischen Entwicklungen werden, besser ausgedrückt: zu Wegbereitern.
Nochmals freundliche Grüsse
R.v.A
Sehr geehrter Herr von Arnim, liebe Leser,
seltsamerweise reizen mich solche "raetselhaften Phaenomene" immer, nach neuen Erklaerungen zu suchen.
Die Erklaerungen die ich in Ihren und den letzten Statements von Herrn Ebert und Walter gelesen habe, sind sehr professionell und ausfuehrlich dargelegt. Eigentlich sollte mir das als Antwort genuegen, nur gebe ich mich "noch" nicht zufrieden. :o)
Kann ein so banales Argument, wie beispielsweise das rasante Wachstum der Erdbevoelkerung auch ein Kriterium fuer die zugenommene Vola in den Rohstoffen sein? (Verknappung der Produkte durch zunehmende Nachfrage, deswegen auch die starke Vola auf erhoehtem Niveau).
Es moegen von mir Laienhaft gestellte Fragen sein, und die Antworten die ich bis jetzt bekommen habe sind hervorragend und eine absolute Beantwortung der Frage. Nur die vollstaendige Antwort auf dieses "Raetsel" bleibt vielleicht noch aus. Wiegesagt, irgendeine Tatsache scheint die Commodity-Maerkte seit Anfang der 70er Jahre "nervoeser" gemacht zu haben.
Fuer Ihre Bemuehungen und Ihre Antworten recht herzlichen Dank.
Mit freundlichen Gruessen Ihr
Franjo Paljusevic
Hallo,
ich möchte die Gelegenheit nutzen und auch hier mein Statement zu diesem älteren Thema aktualisieren.
Die Rohstoffpreise sind allgemein Anfang der 1970er Jahre volatiler geworden, wahrscheinlich weil folgendes entscheidendes Ereignis eingetreten ist:
"Die USA haben den langen und teuren Krieg gegen Vietnam nicht eindeutig und überragend gewonnen."
Ab diesem Zeitpunkt ist wohl weltweit eine Meinung eingetreten, dass die USA verwundbarer geworden sind und in Krisensituationen nicht mehr in der gewohnten Härte und Schnelligkeit die Positionen zu ihren Gunsten entscheiden könnten. In der damaligen "Kalter Krieg Situation" mit Spannungen mit der UdSSR, war das bestimmt ein Schock für die weltweiten Rohstoffmärkte, mit der Folge, das die Preise nach oben schossen und auf hohem Niveau volatil blieben.
Die Israel Krise Anfang der 1970er kombiniert mit der Ölkrise taten ihr übriges.
Ob das allerdings eine endgültige Antwort darauf ist, warum die Rohstoffpreise insgesamt nach oben schossen, weiss ich nicht.
Vieles was Herr von Arnim und Herr Ebert aufgeführt und erläutert haben ist sehr schlüssig und könnte kombiniert eine endgültige Antwort auf dieses "Rätsel" geben.
In diesem Sinne alles Gute
wünscht
Franjo