Richard Ebert
Mitglied seit 11 Jahre 4 Monate

Agrarterminbörse in Hannover: Gemauschel oder Panikmache ?

Agrarterminbörse in Hannover: Gemauschel

von Brigitte Stein

Ernährungsdienst (31.07.06) - Wie viel ist die Europäische Warenterminbörse Beteiligungs AG (EWB) eigentlich wert? Den Handel der Aktie kann man nun im Internet verfolgen und es gibt weit differierende Phantasien. An diesen extrem unterschiedlichen Erwartungen scheiterten kürzlich Vorstand und Aufsichtsrat der EWB mit ihren Anträgen zur Hauptversammlung. Dabei ist das Problem hausgemacht: Mit viel Engagement und Öffentlichkeitsarbeit wurde für die damals visionäre Idee einer landwirtschaftlichen Terminbörse in Deutschland Geld in der Agrarbranche gesammelt. Die Europäische Warenterminbörse Beteiligungs AG (EWB) als Aktionärin der WTB AG bot Strukturen für gewisse Einflussmöglichkeiten auf das eigentliche Geschäft.

(Quelle und ausführlich weiter lesen: http://www.agrimanager.de)

Geschrieben von Richard Ebert am
Richard Ebert
Mitglied seit 11 Jahre 4 Monate

Frau Stein hat ganz sicher ein solides Fachwissen über Kartoffeln, schliesslich ist dies ihr Hauptthema im Ernährungsdienst.

Was sie nicht hat, sind Aktien der EWB. Und meiner Einladung, an der Hauptversammlung als Gast teilzunehmen hat sie nicht folgen können, weil sie etwas besseres vorhatte. Schade, denn an ihrem Bericht stimmt manches, vieles jedoch nicht.

Ich selbst habe als Aufsichtsratmitglied der EWB die Hauptversammlung ganz anders erlebt und möchte dies, ohne meinen Text mit dem Vorstand oder Aufsichtsrat der EWB abgestimmt zu haben, wahrheitsgemäss berichten.

Zitat' 'Agrarterminbörse in Hannover'. Stimmt nicht, da es nicht die Hauptversammlung der Börse war, sondern die der Beteiligungsgesellschaft EWB Europäische Warenterminhandel Beteiligungs AG, Hannover. Diese hält knapp 30 % an der RMX Risk Management AG, Hannover.

Zitat: 'Es gibt weit differierende Phantasien' (über die Aktienkurse der RMX). Phantasien gibt es bei Aktien immer, aber die der RMX zu 1.000 Euro anbieten zu wollen, hat mit reellen Tatsachen nichts zu tun, wenn der letzte Umsatz bei 100 Euro lag. Versuchen Sie mal, eine Aktie der Deutschen Bank mit 1.000 Euro zu verkaufen (Kurs aktuell bei 85 Euro), Erfolg werden Sie damit keinen haben.

Zitat: 'An diesen extrem unterschiedlichen Erwartungen scheiterten kürzlich Vorstand und Aufsichtsrat der EWB mit ihren Anträgen zur Hauptversammlung'. Nein, daran scheiterten sie nicht, sondern an einer Aktionärsgruppe, nennen wir sie K.O.-Gruppe (wie beim Boxen), die aus 3 Personen bestand und im Vorfeld der Hauptversammlung Stimmen gesammelt hat ohne die vertretenen Aktionäre über die Kapitalmassnahmen, wie den Forderungsverzicht über 1 Million Euro zu informieren. Diese Gruppe wäre über alles im Vorfeld informiert wurden, hat jedoch den fest vereinbarten Termin platzen lassen.

Zitat: 'Bei der jüngsten Hauptversammlung der EWB waren die engagierten Aktionäre zahlreich vertreten – und vertraten ihre Meinung.' Ja, die Aktionäre vertraten in Redebeiträgen ihre Meinung. Gegen die Kapitalmassnahmen gab es Redebeiträge des Vertreters der KO-Gruppe, nur einer Person, während es mehrere Beiträge gab, deren Redner den Vorschlägen der Verwaltung weitgehend zustimmten und keinerlei Kritik an Vorstand und Aufsichtsrat übten. Zumindest habe ich keine gehört.

Zitat: 'Konsequenz: Die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat fiel nicht derart überwältigend aus, wie das andernorts üblich ist, und deren Anträge wurden abgelehnt.' Frau Stein, wenn Sie so berichten, sollten Sie das Aktiengesetz kennen. Dieses schliesst zum Beispiel bei der Abstimmung über die Entlastung des Aufsichtsrates die Stimmen der Aufsichtsratmitglieder aus. Hier die exakten Zahlen:

Die EWB hat 3.900 Aktien und genausoviele Stimmen. Auf der HV waren 3.090 Stimmen vertreten (79 %). Die Mitglieder des Aufsichtsrates konnten mit ihrem 810 Aktien (26 %) über die eigene Entlastung nicht abstimmen, bleiben 2.280 Aktien. Davon haben 140 nicht abgestimmt, bleiben 2.140. Davon wurden 30 als Stimmenthaltung abgezogen, bleiben 1.110. Von diesen stimmten für die Entlastung 1.880 Stimmen (51 %) und gegen die Entlastung 1.040 Stimmen (49 %).

Nun kann man davon ausgehen, dass der Aufsichtsrat für seine eigene Entlasung gestimmt hätte, in diesem Fall hätten 2.050 ja-Stimmen (64 %) den 1.040 nein-Stimmen (36 %) gegenüber gestanden. Ich nenne das eine ausreichend breite Entlastung.

Noch interessanter ist, wie die, Zitat, 'zahlreich vertretenen engagierten Aktionäre' abgestimmt haben, es dürften etwa 40 gewesen sein: Das Ergebnis ist eindeutig ausgefallen: 100 % aller Stimmen für die Entlastung des Aufsichtsrates - dagegen stimmte nur die 3 Personen KO-Gruppe mit 1.000, 30 und 10 Stimmen.

Zitat: 'und deren Anträge wurden abgelehnt.'

Welche Anträge abgelehnt wurden und welchen zugestimmt wurde, ist schnell geklärt: Zustimmung gab es zur Verwendung des Bilanzergebnisses (99 %), zur Entlastung des Vorstandes (61%), zur Entlastung des Aufsichtsrats (siehe oben), zur Wahl des Abschlussprüfers (99,7 %) und zur Kapitalherabsetzung (63 %) - somit Mehrheiten zu allen Abstimmungen.

Allerdings: Beim letzten Punkt der Tagesordnung, der Kapitalherabsetzung, sieht das Gesetz eine Zustimmung von 75 % der vertretenen Aktien vor. Nachdem die KO-Gruppe 34 % der Stimmen vertrat und im Vorfeld der Hauptversammlung Stimmung gegen die Kapitalherabsetzung gemacht hatte, stand das Ergebnis bereits vor der Hauptversammlung fest. Von den anderen Aktionären stimmten 96 % für die Vorschläge der Verwaltung.

Zitat: 'Es sollte zu einem Kapitalschnitt kommen mit einer Abwertung der Aktien von 511 € auf 100 € Nennwert. Zugleich sollte der Weg frei werden, weitere Aktien zum Nennwert von 100 € auszugeben.' Stimmt nicht, es sollte nicht zu einer Abwertung der Aktien kommen, sondern zu einer Kapitalherabsetzung. Dies hätte zum einen dazu geführt, dass die EWB noch am gleichen Tag von Schulden über 1 Million Euro befreit worden wären, das sind mindestens 2.564 Euro pro Aktionär und sich der Bilanzverlust um über 1,6 Millionen Euro, mindestens 4.110 Euro je Aktionär, verringert hätte. Ganz klar, die K.O.-Strategie der KO-Gruppe hat jeden Aktionär (pro 10 Aktien) mindestens 6.674 Euro gekostet.

Genauso falsch ist es, dass, Zitat, 'die neuen Aktien zum Nennwert von 100 Euro ausgegeben' werden sollen. Das Gesetz schreibt vor, die Aktien mindestens zum Nennwert auszugeben, es kann aber auch ein beliebig höherer Betrag sein. Am Rande: Ein 'genehmigtes Kapital' ist bei den allermeisten Gesellschaften ein Teil des tägliches Geschäfts, die vielfältigen Chancen einer AG offenzuhalten. Es bestand bisher auch bei der EWB. Einen Ausgabepreis von 511 Euro bei Schulden von fast 4,3 Millionen Euro und einem Verlustvortrag von mehr als über 5,6 Millionen Euro würde jedoch kein Aktionär bei klarem Verstand zu zahlen bereit sein, gleichgültig wie die zukünftigen Aussichten der EWB aussehen könnten. Ganz klar: Würde die EWB heute aufgelöst oder in Konkurs gehen, weil die KO-Gruppe verhindert, dass mit neuen Geldern die Kasse aufgefüllt wird um die notwendigsten Ausgaben zahlen zu können, würden alle Aktionäre leer ausgehen, die Aktien würden wertlos ausgebucht.

Zitat: 'Die Abwertung einer Aktie, zu der es bisher keine Notierung gab und für deren Erwerb fast eine Aufnahmeprüfung notwendig war, kann eigentlich nicht reibungslos vonstatten gehen. Das hätten sich die EWB-Oberen zuvor an zehn Fingern abzählen können. Die Begründung für die Maßnahmen wurde den Aktionären erst recht spät mitgeteilt, was die gefühlte Glaubwürdigkeit nicht unbedingt erhöht. So kam es zu der deutlichen Abstrafung auch in Form der zahlreich verweigerten Entlastung.'

Nochmals: Ausserhalb der KO-Gruppe stimmten 96 % der Aktionäre für die Kapitalherabsetzung, daraus ist eine hohe Glaubwürdigkeit zu erkennen, und nicht eine 'zahlreich' (3 Aktionäre) verweigerte Entlastung. Und ebenso wiederholt: Es gab einen Gesprächstermin rechtzeitig vor der Hauptversammlung, der durch den Vertreter der KO-Gruppe am Vortag des Termins abgesagt wurde.

Zitat: 'Daraus müssen nun Konsequenzen folgen: Einfach eine weitere Hauptversammlung einzuberufen und über dieselbe Angelegenheit nochmals abzustimmen, bis das Ergebnis stimmt, kann hier eigentlich nicht die Lösung sein. Mit Zuckerbrot und Peitsche kann dann zwar vielleicht noch das gewünschte Ergebnis erzeugt werden. Doch ein richtig gutes Gefühl kann so bei den Aktionären, die sich ja engagieren sollen, kaum gelingen. Daher rührt auch die eigentlich unbefriedigende Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat. Zu vielen Aktionären, die sich für die Sache interessieren, scheint zu viel Gemauschel im Spiel zu sein. Die Perspektiven des überschuldeten Unternehmens erscheinen weiter nebulös. Damit verbunden ist immer das Gefühl, hintergangen zu werden. Wer engagierte, handverlesene Aktionäre will, der muss sie auch entsprechend pflegen und informieren. Dazu gehört dann aber auch, Abstimmungsergebnisse ernst zu nehmen, anstatt einfach so lange abzustimmen, bis es passt.'

Ein Text mit wenig Fakten und viel Stimmungmache. Die Konsequenzen sehe ich ganz anders: Die KO-Gruppe hat zum Schaden aller Aktionäre und wider besseres Wissen abgestimmt und damit einen direkten Schaden von über 2,6 Millionen Euro, mindestens 4.110 Euro je Aktionär, verursacht. Es würde mich nicht wundern, wenn die geschädigten Aktionäre, die von der KO-Gruppe nach meiner Kenntnis NICHT über den Forderungsverzicht der Gläubiger und die Folgen der Verweigerung aufgeklärt wurden, überlegen, ob sie sich nicht zu einer Schadenersatzklage gegenüber den Vertretern der KO-Gruppe zusammenschliessen sollten.

Mit der mehrfachen Panikmache der Agrarzeitung Ernährungsdienst ist weder der EWB noch deren Aktionären gedient. Mit Ausnahme der KO-Gruppe haben die Aktionäre mit deutlicher Mehrheit allen Punkten der Tagesordnung zugestimmt, zur Kapitalherabsetzung mit 96 %. Ich denke, dass eine zweite Hauptversammlung, in der der Sprecher der KO-Gruppe vermutlich nicht mehr über 25 % der Stimmen vertreten wird, sondern nur noch knapp 5 % eigene Aktien, problemlos den Kapitalmassnahmen zustimmen wird.

Nur mit den Kapitalmassnahmen können alte und neue Aktionäre kommende Kapitalerhöhungen zeichnen, um der EWB zu ermöglichen, sich am anhaltenden Wachstum der Börse zu beteiligen und bei Kapitalerhöhungen der RMX mitzuziehen. Ohne die Kapitalmassnahmen käme es zu einer Gewinnverwässerung, weil dann nicht mehr knapp 30 %, sondern ein viel kleinerer Teil der RMX-Dividenden an die EWB ausgeschüttet würden.

Die vorgeschlagenen Kapitalmassnahmen bewirken noch mehr: Ohne Kapitalmassnahmen würde eine Dividendenzahlung der RMX an die EWB bei z.B. 18 Millionen Euro (davon 30 % an die EWB) zwar für eine Schuldenfreiheit und Liquidität von 1,2 Millionen Euro sorgen, aber noch immer für einen Verlustvortrag von 300.000 Euro, der eine Dividendenzahlung der EWB verhindert.

Mit Zustimmung zu den vorgesehenen Kapitalmassnahmen könnten unter den gleichen Voraussetzungen bereits mindestens 3.420 Euro je Aktionär (mit 10 Aktien) ausgeschüttet werden, davon ein Teil sogar steuerfrei.

Welche drastischen Auswirkungen der Beitrag im Ernährungsdienst vom 29.07.06 hatte, war an der Reaktion der Aktionäre abzulesen. Am gleichen Tag gaben die Kurse der EWB Aktien, bedingt durch Panikverkäufe unter hohen Umsätzen, um mehr als 50 % nach und schlossen bei 110 Euro. Weit weg vom alten Nennwert von 511 Euro.

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