Braugerste: Eine Million Tonnen Gerste zum Bierbrauen fehlt
Wetter-Kapriolen schlagen auf den Gerstensaft durch
Mälzerbund zur MZ: In Deutschland fehlt eine Million Tonnen Gerste zum Bierbrauen / Import problematisch
Von Harald Rast
Mittelbayerische Zeitung / MZ, Regensburg (26.09.06) - Die deutschen Gersten-Erzeuger blicken auf eine Katastrophen-Saison zurück. Wegen des langen Winters erfolgte die Aussaat des Getreides zu spät. Dann stockte im Frühling wegen der niedrigen Temperaturen das Pflanzen-Wachstum. Die Monate Juni und Juli waren viel zu heiß, so dass sich die Körner nicht richtig ausbilden konnten. Qualität und Ertrag der Sommergerste blieben aufgrund der extremen Witterungsverhältnisse weit unter dem Durchschnitt. Und schließlich verhinderte der völlig verregnete August die Einbringung der Ernte. Die Feuchtigkeit ließ die Körner am Halm auswachsen. Das Getreide taugt damit nicht mehr zur Bier-Herstellung sondern nur noch als Futtergerste.
„Ohne Malz kein Bier“
Nun hat der Deutsche Mälzerbund eine erste Bilanz der Gersten-Ernte 2006 gezogen und schlägt Alarm: In Deutschland fehlt rund eine Million Tonnen Sommergerste – bei einer geplanten Gesamtproduktion von 1,8Millionen Tonnen. „Ohne Gerste gibt es kein Malz – und ohne Malz kann kein Bier gebraut werden“, erklärt Michael R. Lerch, der Geschäftsführer des Mälzerbundes, gegenüber der MZ. Er befürchtet, dass Brauereien die Produktion einstellen müssen, „weil in wenigen Monaten kein Malz mehr verfügbar sein wird“.
Auch der Import von Braugerste beziehungsweise Malz aus den anderen EU-Staaten werde sich schwierig und kostspielig gestalten, prophezeit Lerch. Denn wegen der Ernte-Ausfälle fehle nicht nur in Deutschland eine Million Tonnen Braugerste, sondern auch in den EU-Nachbarländern belaufe sich das Defizit auf rund 500000 Tonnen. So mutiere Tschechien vom Gersten-Exporteur zum -Importeur. Lediglich in Frankreich und Großbritannien hätten die Landwirte halbwegs normale Ernte-Mengen einfahren können.
Wegen der hohen Nachfrage und des geringen Angebots sei der Gerstenpreis deutlich gestiegen: von etwa elf bis zwölf Euro pro Doppelzentner vor der Ernte auf derzeit 16 Euro und mehr. Natürlich sei theoretisch der Import großer Mengen aus Kanada, den USA und Argentinien möglich.
Wird bayerisches Bier also bald aus südamerikanischem Rohstoff gebraut? Die Europäische Union bremst den Import von Getreide aus Nicht-EU-Staaten mit gewaltigen Einfuhr-Zöllen. So dürfen alle EU-Mitglieder derzeit 306000 Tonnen Gerste aus Übersee einführen – zu einem Zoll von 16 Euro pro Tonne. Bei mehr als 306000 Tonnen explodiert dieser Zoll aber auf 93 Euro pro Tonne, also 9,30 Euro pro Doppelzentner. Aus Übersee importierte Gerste würde nach den Berechnungen des Mälzerbundes also mehr als 20 Euro pro Doppelzentner kosten.
Wegen der „Versorgungskrise“ fordert der Deutsche Mälzerbund die Europäische Union in Brüssel auf, die Import-Zölle vorübergehend auszusetzen oder deutlich zu senken. Außerdem sollten wegen des akuten Gersten-Mangels die bestehenden EU-Lager-Bestände aufgelöst werden.
Lerch schließt aufgrund des deutlichen Anstiegs der Rohstoff-Preise eine Erhöhung des Bierpreises nicht aus. Möglicherweise diene der steigende Malzpreis den Brauereien als Begründung für eine neue Preisrunde – obwohl die Malzkosten bei nur zwölf Cent pro Liter Bier lägen.
Tatsächlich werde der Bierpreis in den kommenden Wochen steigen, bestätigte der Bayerische Brauerbund in München. Doch dies sei ausschließlich auf die hohen Energie- und Personalkosten sowie die dreiprozentige Anhebung der Mehrwertsteuer zurückzuführen, versicherte Walter König, Pressesprecher des Bayerischen Brauerbundes.
König bestätigte gegenüber der MZ, dass die Ernte qualitativ und quantitativ schlecht ausgefallen sei. Die deutschen Brauer seien deshalb zu gewissen Zugeständnissen bei der Qualität des Malzes bereit. Doch dabei handle es sich nur um verarbeitungstechnische Merkmale, wie den Eiweiß-Gehalt oder die Ausbeute. „Die Bierqualität wird durch das schlechtere Malz nicht erkennbar leiden“, verspricht König den Kunden.
Die phasenweise Stilllegung von Brauereien wegen Rohstoff-Mangels sei keinesfalls zu befürchten. „Es ist viel zu früh, den Teufel an die Wand zu malen“, betonte König, denn die Fehlmenge beim Getreide sei nach wie vor nicht bekannt. Noch immer würden Handel und Landwirte Gerste bei den Mälzereien anliefern.
Einbußen in der Oberpfalz
König räumte ein, dass die Versorgungslage bei Gerste „angespannt“ sei. Allerdings sei die Lage in Bayern erheblich besser als im Rest Deutschlands. „In Süddeutschland hatten wir eine normale Ernte, da es den Bauern gelungen ist, das Getreide vor dem großen Regen einzufahren.“ In den Spätdreschgebieten der Oberpfalz habe es aber massive Einbußen gegeben.
Einen Import von Getreide aus Übersee schloss König aus. Die Frachtkosten für den Transport der Ware von den Hafenstädten bis nach Bayern seien viel zu hoch.